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Christoph Prégardien. Foto: Rosa-Frank.com
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Medium des lyrischen Gehalts: Christoph Prégardien im Gespräch

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Wegen des herausragenden Niveaus insbesondere seiner Interpretationen des romantischen Liedrepertoires ist der lyrische Tenor Christoph Prégardien international anerkannt. Er ist Professor für Gesang an der Musikhochschule Köln. Im Hinblick auf sein Konzert mit Schumann- und Schubert-Liedern am 14. Februar 2010 in der Laiszhalle Hamburg erläuterte Christoph Prégardien sein Programm und sein Engagement fürs das Lied.

nmz-online: Für das Konzert in der Laiszhalle haben Sie „Dichterliebe“ von Robert Schumann und Lieder von Franz Schubert ausgesucht, die aber in der Ankündigung nicht genannt werden. Warum?

Christoph Prégardien: „Dichterliebe“ ist wohl am markantesten und im Jahr des Schumann-Jubiläums für die DEAG* wichtiger für die Werbemaßnahmen gewesen. Was mir nicht so ganz recht war, denn die „Lieder von Abschied und Reise“ habe ich aus einem Schubert-Recital genommen, das ich vor 15 Jahren als CD veröffentlicht hatte. Von diesen 24 Liedern habe ich jetzt 12 für die erste Hälfte des Konzerts zusammengestellt. Das sind: „Willkommen und Abschied“, „Die Sterne“, „Nachtstück“, „Auf der Bruck“, „Der Wanderer“, „Wanderers Nachtlied“ 1 und 2, „Über Wildemann“, „Lied des gefangenen Jägers“, „Der Erlkönig“, „Sehnsucht“ und „Der Musensohn“. Eine Mischung aus populären und nicht so bekannten Liedern, die wir so angeordnet haben, dass ein gewisser dramaturgischer Bogen entsteht. Im zweiten Teil des Konzerts folgt dann die „Dichterliebe“.

nmz-online: „Dichterliebe“ ist der romantische Liederzyklus par excellence zum Thema Lyrik in der Musik. Ist das für Sie als lyrischer Tenor die ultimative Verbindung von Repertoire und Profession?

Prégardien: Nein, lyrischer Tenor kommt aus der Fachbezeichnung der Gesangstimmen, die in dramatisch, lyrisch, italienisch und andere eingeteilt sind. Lyrische Tenöre bedienen ein ziemlich breites Spektrum an Opern- Oratorienrollen und eben auch das Lied.

nmz-online: Dennoch wäre interessant zu wissen, ob Sie als lyrischer Tenor eine spezielle Affinität zum Liedrepertoire des 19. Jahrhunderts haben oder ob Sie es berufsbedingt singen?

Prégardien: Wenn man nicht per Vertrag an ein Opernhaus gebunden ist, kann man im Optimalfall als freiberuflicher Sänger über sein Repertoire entscheiden. Ich habe schon während meines Studiums angefangen, Lieder zu singen, weil mein Gesangslehrer sehr viel Wert darauf gelegt hat, dass man neben dem Opern- und Oratorienpartien auch Lieder berücksichtigt. Mich hat besonders die Relation zwischen Text und Musik fasziniert. Das Lied ist ja eine komponierte Interpretation eines Textes, und ich habe dann die Aufgabe wie ein Medium den lyrischen Gehalt solcher Werke dem Publikum zu überbringen. Es geht dabei nicht um beschreibende Details, sondern um den Menschen mit seinen allzeit aktuellen Ängsten und Sehnsüchten durch die Musik zu betrachten und diese Gefühle hörbar zu machen.

nmz-online: Sie sind meistens mit Andreas Staier und Michael Gees als Klavierbegleiter aufgetreten, für das Konzert in Hamburg haben Sie aber Andreas Frese engagiert. Warum?

Prégardien: Mit Andreas Frese arbeite ich noch nicht so lange, er ist ziemlich jung. Er kommt wie ich aus Limburg an der Lahn und war dort wie ich bei den Domsingknaben. Andreas Frese ist auch Tenor und ausgebildeter Pianist. Wir haben uns bei Aufnahmen mit dem Ensemble Camerata Musica Limburg kennen gelernt. Mich hatte sein professionelles Niveau überzeugt. Und so habe ich ihn zu diesem Programm eingeladen. Ich bin der Meinung, dass man junge Talente unterstützen soll. Eigentlich waren noch Konzerte in München und Berlin geplant, aber die sind abgesagt worden.

nmz-online: Mit Andreas Staier haben Sie einen Experten am Hammerklavier. Mit welchem Instrument wird Andreas Frese in Hamburg auftreten?

Prégardien: Hammerklavier zu spielen ist nicht einfach ein Wechsel der Instrumente, sondern ein Metier, für das man Erfahrung und besonderes Wissen braucht. Außerdem gibt es nur sehr wenige gut erhaltene Originalinstrumente und -kopien, die zur Verfügung stehen. Deshalb wird mich Andreas Frese auf einem modernen Konzertflügel begleiten.

nmz-online: Haben Sie persönliche Präferenzen oder sind modernes und Hammerklavier Alternativen?

Prégardien: Ich bin froh, dass ich die Alternativen habe. Das moderne Klavier hat seine Probleme, wenn man es mit einer menschlichen Stimme kombiniert, weil es für große Konzertsäle entwickelt worden ist. Deshalb sieht man oft bei Liederabenden, dass der Flügel geschlossen bleibt, weil er sonst zu laut für den Sänger wäre. Solche Probleme der Balance von Stimme und Klavier hat man nicht, wenn man einen Hammerflügel benutzt, weil das Instrument genuin für die Kammermusik geeignet. Es hat ein großes Klangfarbenspektrum, aber eine nicht so große dynamische Expansionsfähigkeit.

nmz-online: Haben Sie für das einzige Konzert dieser Besetzung in der Laiszhalle Hamburg bestimmte Erwartungen?

Prégardien: Obwohl viele Sängerinnen und Sänger das Liedrepertoire auf hohem Niveau pflegen, hat es zurzeit national und international keine gute Resonanz. Gerade das junge Publikum hat kaum Neigungen, solche Konzerte zu besuchen. Auch wagen zu wenige Veranstalter, Liederabende zu organisieren. Das ist eine Entwicklung, der ich entgegen wirken möchte, nicht nur indem ich etwas dazu sage. Ich gehe auch in Schulen und spreche mit Fachlehrern und Klassen über dieses Thema, um Berührungsängste zu bekämpfen. Ist der erste Schritt getan, einen Liederabend anzuhören, finden sich meistens einige, die sich dafür interessieren. Aber dieses Problem hat die gesamte Klassikszene. Nur die so genannten Eventkonzerte mit Klassikstars haben aufgrund medialer Kampagnen noch nennenswerte Erfolge. Deshalb war ich froh, dass die DEAG mir das Angebot für das Konzert in Hamburg gemacht hat, weil ich hoffe, dass durch das Marketing dieser großen Organisation die Laiszhalle sich gut füllen lässt. Ich bin also sehr gespannt, wie viele Zuhörer wir haben werden.

nmz-online: Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Hans-Dieter Grünefeld
 

* DEAG: Deutsche Entertain AG Classics

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