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Ein historisches Metronom aus der Fabrikation Mälzels. Im Hintergrund sein Regensburger Geburtshaus Unter den Schwibbögen. Foto: Juan Martin Koch
Ein historisches Metronom aus der Fabrikation Mälzels. Im Hintergrund sein Regensburger Geburtshaus Unter den Schwibbögen. Foto: Juan Martin Koch
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Metronome und andere Automaten: Zum 250. Geburtstag Johann Nepomuk Mälzels

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Am 15. August jährt sich der Geburtstag Johann Nepomuk Mälzels zum 250. Mal. Der Mechaniker, der durch das Metronom weltberühmt wurde, war – so viel steht fest – eine schillernde Persönlichkeit. Nun erinnert seine Heimatstadt Regensburg an den rastlosen Entrepreneur und genialen Selbstvermarkter.

„Herr Mälzel, ein geborner Regensburger, Verfertiger des berühmten und aus den französischen Blättern längst bekannten Panharmonikon, welches er in Paris für 100.000 Franken verkauft hat, producirt jetzt einen Trompeter als Automat, der nächst jenem Kunstwerke Alles übertrifft, was er jemals erfunden hat, und deshalb so wie hier, gewiß an allen Orten die größte Bewunderung und Beifall erzielen wird.“

So informierte im April 1809 das „Journal des Luxus und der Moden“ über den neuesten Streich des Johann Nepomuk Mälzel. So präsent er nicht zuletzt dank seines geschickten Medienmanagements zu Lebzeiten auch war, so sehr entzieht sich der Mechaniker und Geschäftsmann doch der Nachwelt. Bezeichnenderweise ist kein Porträt von ihm überliefert, hinterlassen hat er aber ein Signet, das jeder Musiker kennt: M.M. – Mälzels Metronom. Mit dieser Abkürzung wird seit Mitte der 1810er-Jahre das Tempo von Musikstücken angegeben, wenn der Komponist dieses exakt festlegen möchte, und Instrumentalschüler werden damit zu rhythmisch genauem Spiel, zum „Takthalten“ verdonnert.

Auf der Höhe der Zeit: das Metronom

Ende 1815 erhielt Mälzel in London das Patent für seine Erfindung namens „Metronome or Musical Time-keeper“. Seine Erfindung? Nicht ganz, denn die Pendelmechanik mit verstellbarem Gegengewicht hatte als erster Dietrich Nikolaus Winkel in Amsterdam für seinen „Musik Chronometer“ entwickelt. Mälzel, der ebenfalls schon länger an einem solchen Gerät arbeitete, übernahm kurzerhand dessen Prinzip und brachte es, eingebaut in einen pyramidenförmigen Holzkasten, unter eigenem Namen zur Serienreife. Ein entscheidendes Detail stammte aber von ihm: Die Skala für das Gegengewicht definierte er als Schläge pro Minute, brachte den Taktgeber also auf die Höhe der Zeit(messung).

Dass Mälzel es mit den Urheberrechten nicht so genau nahm, zeigt sich nicht nur daran, wie er mit der Tatsache umging, dass Winkel im Patentstreit vor Gericht obsiegte (er ignorierte das Urteil einfach). Auch seine Freundschaft mit Ludwig van Beethoven wurde dadurch auf die Probe gestellt. Die beiden hatten sich wohl schon 1792 in Wien kennen gelernt. Mälzel war aus Regensburg dorthin gekommen, wo er am 15. August 1772 im Haus Unter den Schwibbögen 7 geboren wurde, Klavierspielen lernte und zusammen mit seinem Bruder Leonhard im Betrieb des Vaters als Orgelbauer und Mechaniker ausgebildet wurde.

1813 komponierte Beethoven die „Sieges-Symphonie“, den zweiten Teil seines Werkes „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria“ für Mälzels Panharmonicon, einen mit Stiftwalzen betriebenen Musikautomaten, der zahlreiche Instrumente in sich vereinte. Der Streit über eine von Beethoven nicht genehmigte Aufführung des Stückes konnte schließlich beigelegt werden und Mälzel fertigte in den folgenden Jahren mit unterschiedlichem Erfolg Hörrohre für den ertaubten Komponisten an.

Gerne wird im Zusammenhang mit dieser Freundschaft der so genannte „Mälzelkanon“ ins Spiel gebracht. Auf das erste Thema des 2. Satzes von Beethovens achter Symphonie mitsamt seiner „tickenden“ Begleitung wird der Erfinder darin mit den Worten gepriesen: „Banner der Zeit … großer Metronom“. Die mit der Nummer WoO 162 geführte Komposition gilt inzwischen allerdings als Fälschung von Beethovens Biograph Anton Schindler.

Kurioses und Abenteuerliches

Die schillernde Lebensgeschichte Mälzels, die Henrike Leonhardt 1990 in ihrem Dokumentarroman „Der Taktmesser“ festzuhalten versucht hat und die den Regensburger Komponisten Hans Schanderl zu der 2000 uraufgeführten Oper „Der Maschinist“ inspirierte, hält noch einige kuriose und abenteuerliche Episoden bereit: So unterbreitete der findige Konstrukteur Kaiser Franz den Vorschlag, ein Gebäude mit öffentlichen Toilettenanlagen in der Nähe der Wiener Hofburg aufzustellen – in dem er praktischerweise gleich seine Geräte lagern wollte. Literarischen Ruhm erlangte Mälzel durch den Schachautomaten Wolfgang von Kempelens, mit dem er ganz Europa und später auch Amerika bereiste. Kein Geringerer als Edgar Allan Poe veröffentlichte 1836 einen Essay über das Geheimnis des Automaten und kam zu dem Schluss, ein Mensch müsse im Inneren des Geräts die Fäden ziehen – womit er Recht hatte.

Nicht einmal einen Grabstein hat Mälzel. Er starb 1838 auf der Überfahrt von La Guaira (Venezuela) nach Philadelphia und wurde auf See bestattet. Eine Initiative, an seinem Geburtshaus eine Plakette anzubringen, verlief bisher erfolglos. Vielleicht bringen die Ausstellung im Historischen Museum und das Symposium an der Universität (siehe unten) neuen Schwung in das Regensburger Mälzel-Gedenken.

Vom 13. August bis 6. November findet im Historischen Museum der Stadt Regensburg die Ausstellung „Mensch Musik Maschine: Johann Nepomuk Mälzel (1772–1838)“ statt. Kuratiert in Zusammenarbeit mit dem Institut für Musikwissenschaft der Universität werden mechanische Musikinstrumente und Apparate präsentiert, die in einem unmittelbaren oder ideellen Zusammenhang mit Mälzel stehen. Zu sehen sind u.a. eines der ältesten erhaltenen Metronome, Automatenbilder aus der Regensburger Mälzel-Werkstatt sowie die Repliken eines Beethoven-Hörrohrs und eines Sprechautomaten. Zur Eröffnung am 12. August (18.00 Uhr), erklingt u.a. György Ligetis legendäres „Poème symphonique“ für 100 Metronome. Am 4. November findet an der Universität Regensburg ein Symposium mit Vorträgen und einem Abendkonzert zu Mälzels 250. Geburtstag statt.

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