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Ambur Braid in „Salome“ an der Oper Frankfurt. Foto: Monika Rittershaus
Ambur Braid in „Salome“ an der Oper Frankfurt. Foto: Monika Rittershaus
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Salomes Psychopathologie – Theatralisch sensationelle Deutung des Straussschen Musikdramas an der Oper Frankfurt

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Der Bilderflut unserer Tage suchen Theater oft hinterher zu hecheln. Insbesondere Staatsopern verwenden hohe Summen für Ausstattungen. Einer der Altmeister des zeitgenössischen Theaters, Peter Brook feiert gerade in Paris einen abermaligen Erfolg – der auch auf seinem bahnbrechendem Buch basiert: „The empty Space – Der leere Raum“. Das Frankfurter Premierenpublikum und unser Kritiker Wolf-Dieter Peter saßen am Ende der „Salome“ gebannt durch ein vergleichbares Erlebnis.

Erst der Eiserne; dann Dunkelheit bis in den Orchestergraben; Stille; plötzlich ein gleißender Spot auf den Rücken einer silbernen Pailletten-Robe; die Frau trug einen überdimensionierten „Blütenkopf“ aus weißen Federstrahlen; sie ging in die Bühnentiefe, schaute gelassen einmal über die Schulter ins Publikum und verschwand im Schwarz des verlöschenden Spots; Stille – und dann fast bedrohlich knallender, vielfacher Flügelschlag im Raum – im Text heißt es später „des Todesengels“; dann der Kringel der ersten Holzbläserlinie und aus dem schwarzen Nichts Narraboths Stimme „Wie schön ist die Prinzessin Salome…“; kurz darauf Spot auf Salome im Paillettenkleid; Spot off… und dann, nach weiteren Lichtstrahl-Schüssen, wurde klar: Regisseur Barrie Kosky und seine Ausstatterin Katrin Lea Tag boten nichts von historisierender vorderorientalisch dekadenter Palastarchitektur aus Pappmaschee, keine üppigen Kostümorgien. Vielmehr: den leeren, schwarzen Bühnenraum; Mondstrahl-Spots auf die vier Hauptfiguren, wenn sie sich äußerten; kurz in schwarzen Kostümen auftauchende Randfiguren – dominierend der „leere Raum“ bei radikaler Konzentration des (Verfolgerscheinwerfer-)Mondlichts auf die faszinierend fein geformte Körpersprache der Protagonisten …

… und Konzentration auf den Gesang und die Orchestersprache. Joana Mallwitzs hochkonzentrierte Leitung formte aus dem Frankfurter Orchester sowohl die von Strauss geforderte „Elfenmusik“ wie die farbig changierende Tonarten-Melange wie die nicht nur 1905, sondern auch heute noch brachial knallenden Eruptionen. Es wurde Nervenmusik der faszinierenden Art. Dazu passten Claudia Mahnkes gezielt scharfer Herodias-Mezzo als engstirnige Pseudo-Ordnungsfrau im strengen Chanel-Kostüm und AJ Glueckerts üppiger Herodes-Tenor im grauen Designer-Anzug. Beeindruckend neu wirkten Jochanaans Geblendetsein im Licht, sein geschundener Abu-Ghuraib-Körper im Fetzen einer Unterhose, vor allem aber sein wiederholtes Hinschmelzen in Salomes Zärtlichkeiten, seine Sehnsucht nach liebevoller Hinwendung – ehe er in ekstatischer Verbohrtheit jede erotisch-sexuelle Note verdammte und in seine monochrome Fixiertheit zurückkehrte. Die von Kosky gezielt herausgearbeitete Liebesbeziehung zwischen Salome und dem sich ihr letztlich verweigernden Propheten fasste Christopher Maltman in kernige, mal warme, mal schroffe Baritonphrasen. Und dann der Glücksfall von Ambur Braids Rollendebüt: sie war die verwöhnte Milliardärstochter in zwischen Rot, Rosa und Schwarz wechselnden Understatement-Edelroben; sie war das verwöhnt rotzige Gör, das herumhüpft; sie war die erwachende junge Frau, die im lustvollen Herumrollen, Spreizen und Dehnen körperliche Erotik und dann Begehren entdeckt – und das alles in süß strömende, dann spielerisch girrende und schließlich auch wuchtig insistierende Phrasen ihres wandlungsfähigen Sopran fasste.

All das steuerte auf den Inszenierungsknackpunkt „Salomes Tanz“ zu. Zum ersten Orchesterschlag plumpste Salome auf den Boden, räkelte sich – und zog dann fast durchweg im Rhythmus der Musik aus ihrem Unterleib ein schier endloses Band hervor – es wirkte erst wie goldene Seide und wurde dann als Jochanaans Haar kenntlich, das irre-sensuell und lustvoll quälerisch aus der gleichsam „Jungfrau“ eine lustfixierte Megäre machte. Diesem Höhepunkt folgte noch ein Inszenierungsfaustschlag. Der im Spot quälend langsam herabfahrende, große Fleischerhaken hob aus der Versenkung einen großen blutigen Jochanaan-Kopf empor; Salome begann ihn zu liebkosen und als gespenstischen Punchingball zu nutzen, zunehmend blutbedeckt und „Nicht-mehr-Salome“; Herodes „Man töte dieses Weib“ erreichte sie so auch nicht mehr: Sie hatte sich den Kopf aufgesetzt und stand als horribler „Salo-chanaan“ im Schluss-Spot – das Premierenpublikum saß wie erschlagen im Dunklen – nach langer Pause dann einsetzender Jubel – was für eine geballt-konzentrierte Beschwörung der Entgrenzung aller humanen Werte – erschreckend, gespenstisch, unvergesslich.

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