„Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist, spielt weiter“ sagt der Herzog am Beginn der Komödie „Was ihr wollt“ von William Shakespeare. Dass Musik zumal in ihren Ausbildungsinstituten zuweilen mit körperlicher Nähe zu tun hat, mit erotischer Anziehung, aus der Liebeshändel und dramatische Konstellationen entstehen mögen, liegt in der Natur dessen, was uns seit dem Urknall mit auf den Weg durch unser aller Leben und alle seine Wandlungen gegeben ist, mit denen wir fertig werden müssen. Die traditionsreiche Hochschule für Musik und Theater München erlebt diesertage grade mal keine Komödie.
In der aktuellen Causa geht es um einen früheren Präsidenten, der sich dem Vorwurf der sexuellen Nötigung in zwei Fällen konfrontiert sieht und um einen Kompositionsprofessor, dem die Staatsanwaltschaft auf den Fersen ist. Nachdem die Geschichte erst langsam in die Öffentlichkeit getröpfelt war, Spekulationen und Unterstellungen die Runde machten, in auch der überörtlichen Presse aus (eigentlich geheimen) Gerichtspapieren zitiert wurde, sah sich das Institut veranlasst, spät doch nicht zu spät zuerst dem Wohle der Studierenden und dann dem Ansehen der Hochschule zuliebe, eine Vollversammlung anzusetzen für Studenten, Dozenten und Verwaltung.
Und das ergab dann nach Art eines Stehkonvents im Kleinen Konzertsaal eine bewegende Veranstaltung. Der Präsident der Hochschule, Prof. Dr. Bernd Redmann, bemühte sich nicht nur um Transparenz, er stellte sie her, in klaren Formulierungen, gemeinsam mit dem Hochschulratsvorsitzenden, der Studentenvertretung, dem Personalrat. Es war vom Leitbild der Hochschule für Musik und Theater (hmtm) die Rede, vom Schutz vor sexuellen Übergriffen. „Die Umgangskultur an der hmtm zielt auf Diversität, gegenseitige Wertschätzung und offene persönliche Begegnung; Transparenz und Klarheit prägen die Kommunikation, ... Die Themen Gesundheit, Familie und Soziales werden in allen Teilen der Hochschule ernst genommen“.
Demzufolge ging es in der Vollversammlung also um die Haltung der Hochschule zu sexueller Belästigung in all ihren Schattierungen, um Diskriminierung jeglicher Art, Mobbing, Stalking und körperliche Gewalt – und die Vorkehrungen, mögliche Entwicklungen aufzudecken, aufzuklären, möglichst zu verhindern – in aller vertrauensvollen Offenheit. Das wirkte alles überzeugend, wohltuend unaufgeregt und fern von Sensationsgeilheit. Die studentische Mitteilungswut der in einer überschaubaren Zahl erschienenen Zukunftskünstler hielt sich freilich in Grenzen, so wie Musikstudenten halt traditionell eher weniger an der politischen Komponente ihres Studiums interessiert sind – üben, üben, üben.
An die Publikationen aus der Praxis von Freia Hoffmann wurde erinnert: „Panische und seelische Verletzungen sind für viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit der Musik und dem Musizieren verbunden. Eine empirische Erhebung ergab, dass fast jede fünfte Musikstudentin und über drei Prozent der Musikstudenten bereits sexuelle Übergriffe erlebt haben.“
Immerhin fand dieses öffentliche Nachdenken mit Handlungsfolgen nahezu zeitgleich statt mit den Aktivitäten des Bundesjustizministers Heiko Maas um eine Verschärfung des Sexualstrafrechts und die Diskussion darüber im Deutschen Bundestag.
Bleibt zu hoffen, dass den Beschuldigten und den Betroffenen in den Netzwerken der Staatsanwälte und der Gerichte Gerechtigkeit widerfährt, dass der shakespearisch aufgedonnerten Sensationsgier die Unterfütterung versagt bleibt, dass die „Musik der Liebe Nahrung“ bleibt und dem Erkenntnisgewinn aufhilft. Dass es der Hochschule für Musik und Theater München gelingt, die Wogen in aller Transparenz zu beruhigen. Wenn das, was an vorhandenen und weiter zu entwickelnden vertrauensbildenden Maßnahmen angekündigt wurde und zusätzlich zeitnah umgesetzt wird, lässt sich hoffnungsfroh in die Zukunft denken und schauen.