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Finales Feuerwerk zu Wagners „Rheingold“ im Regensburger Westhafen. Foto: Juan Martin Koch
Finales Feuerwerk zu Wagners „Rheingold“ im Regensburger Westhafen. Foto: Juan Martin Koch
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Kurz, knackig und knallig: Wagners „Rheingold“ im Regensburger Westhafen

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Nach 2017 („Der Fliegende Holländer“) und 2019 („Tosca“) bespielte das Theater Regensburg erneut den Westhafen der Stadt. Die stark gekürzte Fassung von Richard Wagners „Das Rheingold“ geriet zu einem unterhaltsamen Spektakel mit überschaubarem Tiefgang und finalem Knalleffekt.

Was sich im Regensburger Westhafen so alles tummelt! Da haben sich drei räkelnde Rheintöchter auf ihrem Boot in Donaugewässer verirrt und ein zwielichtiger Prolet namens Alberich fischt ihnen aus den Tiefen des Hafenbeckens doch tatsächlich ihren glänzenden Goldballon vor der Nase weg. Wotan, Kapitän und Logistikunternehmer, beobachtet dies zusammen mit Gattin Fricka von seinem nach ihm benannten Lastkahn aus.

Dort thronen Beide auf einem roten Riesensofa und erwägen, wie sie den Bau ihrer neuen Immobilie finanzieren können, ohne auf die praktischen Anti-Aging-Äpfel verzichten zu müssen, die sie bei den Verhandlungen mit der Riesenbaufirma Fasolt & Fafner leichtsinnig aufs Spiel gesetzt haben. Der listige Loge hat einen Plan, und neunzig Minuten sowie einen Raub, einen Fluch und einen Brudermord später kann das neue Eigenheim dann auch schon bezogen werden.

„Das Rheingold“ in eineinhalb Stunden? Da wurde beim heiligen Richard schon ordentlich der Rotstift angesetzt, um das Open-Air-Spektakel ohne Pause auf Zug zu halten. Dass dabei die Götter Donner und Froh dran glauben müssen, ist jenseits der Wagner-Gemeinde verschmerzbar. Dass von der Nibelheim-Szene kaum mehr als die beiden Tarnhelm-Verwandlungen übrig bleiben, ist dann aber doch betrüblich. Von der brutalen Ausbeutung, mit der Alberich dank der Ring-Macht seinen neuen Industriezweig Goldgewinnung am Laufen hält, kündet wegen der Beinahe-Streichung der Rolle Mimes nur ein von Domspatzen vorproduzierter Schreckensschrei.

Immerhin wirft Videodesigner Clemens Rudolph die unterirdische Fabrik in Comicmanier überzeugend auf die Fassade des Lagerhauses. Bei der Rückkehr in den Götterhimmel fragt man sich dann endgültig, warum Wotan sich eigentlich ein neues „Prachtgemäuer“ hat bauen lassen – so malerisch baumeln die bunten Wohncontainer durch die Lüfte, von üppigen Bäumen umwurzelt und getragen.

Dramatische Wucht entwickelte der im Vergleich zu den früheren Hafenproduktionen des „Fliegenden Holländer“ und der „Tosca“ weniger dichte Abend vor allem in der Figur des Alberich. Oliver Weidinger, als „der Traurigen traurigster Knecht“ im Netz Wotans und Loges gefangen, konzentrierte auch in der gekürzten Version des Ringfluches dessen komplettes Gänsehautpotenzial. Ihm gelang auch am ehesten das, was vor vier Jahren beim „Holländer“ so gut funktionierte: die Mikro-Übertragung mit ihrer Trennung der Elemente Stimme und Orchester im Sinne einer prägnanten Textdeklamation zu nutzen.

Vielleicht weil die Verstärkung des unter Chin-Chao Lin gut aufspielenden Philharmonischen Orchesters diesmal zu bassigem Wummern tendierte, war bei den anderen Sängerinnen und Sängern immer mal wieder der typische Wagner-Überdruck zu hören: wuchtig volltönend bei Adam Kruzel, für den der Wotan seine letzte Rolle nach dreißig (!) Jahren am Theater war, kantabel und eloquent bei Brent Damkier als Loge. Bei den Damen überzeugte vor allem Vera Egorova-Schönhöfers Fricka, auch Seymur Karimovs Fasolt war eine Wucht. Sein Auftritt mit Bruder Fafner (Selcuk Hakan Tıraşoğlu) in den Führerhäusern der Riesenkräne gehörte neben der Geisterscheinung Erdas (Tamta Tarielashvili im Stil einer Stummfilm-Diva) zu den eindrücklichsten Bildern des Abends. Dem hätte man insgesamt eine stärkere Regiehandschrift gewünscht, als der aufs Arrangieren sich beschränkende Andreas Baesler sie zu liefern vermochte.

Einen finalen Coup hatte dieser dann aber doch noch „auf Lager“, denn dort erschien am Ende ganz naheliegend die Donaustaufer Walhalla als Projektion, was man auch als Erinnerung an das erste, damals wunderbar gelungene Freiluft-Projekt des scheidenden Intendanten Jens Neundorff von Enzberg deuten konnte. Und als dann das Video-Feuerwerk auch noch in ein veritables überging, erglänzte das „Rheingold“ im Donauhafen endgültig in sprühendem Farbenregen.

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