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Foto: © Björn Kadenbach
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Zur Uraufführung von George Alexander Albrechts „Requiem für Syrien“ in Dresden

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Innerhalb von elf Tagen kamen im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele 2018 zwei Uraufführungen in Anlehnung an Traditionen der christlich-europäischen Sakralmusik heraus. Mit der „Universaloper“ „Buddha Passion“ komponierte Tan Dun inspiriert durch Bachs „Matthäuspassion“ eine episch-dramatische Szenenfolge mit finaler Apotheose. „Requiem für Syrien“ von George Alexander Albrecht (komponiert 2016/17) ist ein von der Liturgie gelöstes, dabei der christlichen Tradition verpflichtetes Opus, das die enge Bindung an die Spätromantik nicht verleugnet und durch eine starke innere Balance bewegt. Also eine Partitur, deren emotionale Haltung mit objektivierenden Rezeptionsmustern nur schwer zu fassen ist.

Der lange, fast die halbe Gesamtdauer des Konzerts einnehmende Prolog zur Uraufführung war Gustav Mahlers Adagio aus der unvollendeten Sinfonie Nr. 10 Fis-Dur. Mit diesem Werk an der Schwelle zur Moderne zeigte sich einmal mehr die hohe Qualität der Dresdner Philharmonie und die phänomenale Akustik im Kulturpalast. Mit ebenbürtiger Aufmerksamkeit widmete sich das Orchester einer Uraufführung, bei der die Haltung der Musiker die Akzeptanz und Meinungsbildung der Hörer maßgeblich beeinflusst.

George Alexander Albrecht (geb. 1935), der seit dem Ende seiner Festverträge als Dirigent eine umfangreiche Reihe eigener Kompositionen vorlegt, bekundet allerorten seine innere und hörbare Verbundenheit zu Mahler. Seine Werke wie „Vier Buchenwald-Gesänge“ sind einem weitgefassten Humanismus verpflichtet, die Kantate „Himmel über Syrien“ bewegte die Dresdner Philharmonie zu diesem Kompositionsauftrag. Das ist fast mutig, denn George Alexander Albrecht komponiert affektiv und tonal.

Der Wiederstreit zwischen Zuneigung und Ablehnung entscheidet sich schnell: Denn bei George Alexander Albrecht spürt man, dass seine Ästhetik nicht an karrierestrategischen Kriterien ausgerichtet ist. Aufführungen können allerdings nur gelingen, wenn die Interpreten wie an diesem Abend objektivierende Distanz bewahren, nicht mit Krokodilstränen Öl in die Flammen gießen.

Die Besetzung von Alexanders jüngstem Werk „Requiem für Syrien“ ist unspektakulär. Ein traditionelles Quartett von Vokalsolisten (hier Susanne Bernhard, Bettina Ranch, Daniel Behle, Thomas Stimmel), die große Besetzung mit dem Philharmonischen Chor Dresden (einstudiert von Iris Geißler, Gunter Berger) und Orgel (Holger Gehring) verorten die Partitur in der überkonfessionellen Sakralmusik, allerdings mit zwei semantischen Erweiterungen. Hinzu kommen das aus dem vorderen Orient stammende Zupfinstrument Oud (Alaa Zouiten) und eine Sprecherin (Lara Arabi), die fast alle erklingenden Texte in arabischer Übersetzung vorträgt. Gegenübergestellt werden pazifistische Texte der Syrer Monzer Masri, Nazmi Bakr, des Iraners SAID und aus dem Koran mit zwei Psalmen-Ausschnitten und aus Goethes „Westöstlichem Divan“: „Gottes ist der Orient, Gottes ist der Okzident, nord- und südliches Gelände, ruht im Frieden seiner Hände. Frieden – Salam.“

Die Faktur der Musik ist tatsächlich runder als Jürgen Ostmanns Hinweise im Einführungstext auf die interpolierten Dissonanzen und Irritationen vermuten lassen. Sie bewegt das in den Altersgruppen nahezu ideal gestaffelte Publikum tief, weil die Form die Aussage verstärkt und nicht durch Brüche in Distanz setzt. Das bestätigt am Ende der lange, warmherzige Applaus an die hochklassigen Interpreten. Theoretische Positionen, Tendenzen, innere Widerstände und ästhetische Vorbehalte überwindet diese Musik, weil sie eine überzeugende Stärke in sich trägt. Die klanglichen Zeichen sind direkt verständlich.

„Requiem für Syrien“ ist ein rituelles Gebet für alle: Für Leidtragende, Opfer, Helfer, Betroffene und sogar die Verursacher der Katastrophen, die George Alexander Albrecht indirekt, aber nicht anklagend adressiert. Nicht mit Forderungen um Mitleid, sondern weil Texte und Musik vor allem das beschreiben, was verloren wurde. Albrechts Musik malt das zerstörte Schöne und zeigt die Lücken bewegend. Erfahrbare Mangelerscheinungen machen die Auswirkungen und das Ausmaß des Verlustes deutlicher als der hier unterlassene Versuch einer kompositorischen Ausgestaltung von Katastrophen. Chefdirigent Michael Sanderling objektiviert hier wie bereits im Mahler-Adagio und unterstützt die Aussagekraft damit mehr als durch Betroffenheitsgesten.

Der Komponist widersetzt sich der Konvention des distanziert-objektivierenden Hörens von „Neuer Musik“. Der wahre Affront ist also nicht die Emotion, sondern dass „Requiem für Syrien“ eine so starke Substanz und Qualität hat. Diese Partitur kann man nicht einfach als Strafe für die gelungene Überwältigung des ästhetisch trainierten Ichs in der Kitsch- oder Trivialitäten-Ecke entsorgen, weil an ihr die derzeit normativen Bewertungsmuster abprallen. Denn dafür ist „Requiem für Syrien“ einfach zu gut und zu subtil gearbeitet.

  • George Alexander Albrecht (*1935): „Requiem für Syrien“ (2017) mit Texten von Monzer Masri, Nazmi Bakr, SAID, Johann Wolfgang von Goethe, aus dem Koran und Psalm 29 und 72 - Auftragswerk der Dresdner Philharmonie, Dirigent: Michael Sanderling
  • Uraufführung: So 03.06.2018/18.00 Uhr - Mitschnitt im Deutschlandfunk: So 29.07.2019/21.05 Uhr

 

 

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