Hauptbild
Unesco zeichnet Orgelbauer aus dem Erzgebirge als «Kulturtalent» aus
Unesco will bessere Arbeitsbedingungen für Kulturschaffende
Hauptrubrik
Banner Full-Size

20 Jahre Unesco-Kulturerbe: Sorge um kulturelle Identität der Ukraine

Autor
Publikationsdatum
Body

Düsseldorf - Brauchtum stiftet Gemeinschaft - ob beim Skat oder Tango. Damit Traditionen weltweit geschützt werden, gibt es die Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes. Kriege aber sind für Kulturbräuche eine Bedrohung.

Der russische Angriffskrieg bedroht nach Ansicht des Vorsitzenden der Kulturministerkonferenz, Falko Mohrs, auch die kulturelle Identität der Ukraine. «Das ist auch ein Krieg gegen die Kultur und Selbstbestimmung eines Landes», sagte er am Donnerstag in Düsseldorf bei einer Festveranstaltung zum 20-jährigen Bestehen der Unesco-Konvention zum Erhalt des immateriellen Kulturerbes.

Ein Jahr nach Beginn des Krieges werde deutlich, dass die russische Invasion sich auch gegen die Identität der Ukraine richte, sagte Mohrs, der niedersächsischer Wissenschafts- und Kulturminister ist. Er verwies auf die Bedeutung von Kulturtraditionen für das Heimat- und Gemeinschaftsgefühl: Gerade Bräuche und Traditionen seien wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und stifteten Identität. Jedoch sei der weltweite Schutz von Kulturerbe heute nicht selbstverständlich. «Wir sind an vielen Orten leider, leider sehr weit davon entfernt.»

Wie sehr der russische Angriffskrieg das kulturelle Selbstverständnis der Ukraine trifft, hat der Streit um den sowohl in Russland als auch in der Ukraine beliebten Borschtsch gezeigt: Die Unesco hatte entschieden, die ukrainische Zubereitungsart der Rote-Bete-Suppe auf die Liste des weltweit zu schützenden Kulturerbes zu setzen. Das Ergebnis war Begeisterung in der Ukraine und Wut in Russland. Die Unesco hatte den Eintrag der ukrainischen Borschtsch-Variante damit begründet, angesichts des russischen Kriegs einen «wesentlichen Bestandteil des ukrainischen Familien- und Gemeinschaftslebens» zu schützen.

Dass gemeinsames Kulturerbe auch Feindschaften überwinden kann, bewiesen 2018 Südkorea und das kommunistische Nordkorea: Die Unesco erklärte das traditionelle koreanische Wrestling zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit - den Antrag hatten die beiden Länder gemeinsam gestellt.

Unesco-Referatsleiterin Susanne Schnüttgen nannte die Unterzeichnung der Konvention zum immateriellen Kulturerbe durch fast alle Staaten der Vereinten Nationen einen Erfolg. Doch immer noch seien Länder Afrikas zu wenig auf der Liste repräsentiert, bemängelte sie. Auch der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, räumte ein, dass die Unesco mit dem immateriellen Kulturerbe «stärker den globalen Süden erreichen» müsse.

Das Übereinkommen zum Erhalt des Erbes war 2003 von der Unesco in Paris verabschiedet worden. Bis heute haben 180 Staaten den Vertrag ratifiziert. Deutschland gehört der UN-Konvention seit zehn Jahren an.

Zum immateriellen Kulturerbe zählen lebendige Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken. Mehr als 670 Bräuche aus aller Welt werden derzeit auf den drei Unesco-Kulturerbe-Listen für die Menschheit geführt. Die Spannbreite reicht vom Tango über nordische Klinkerboot-Traditionen bis hin zum französischen Baguette. Auch die traditionelle chinesische Medizin und der moderne Tanz in Deutschland gehören dazu.

Die Bundesrepublik ist im weltweiten Verzeichnis - teils im Verbund mit anderen Staaten - auch mit der Flößerei und Falknerei, den Dombauhütten, der Genossenschaftsidee, mit Orgelbau und Orgelmusik sowie dem Blaudruck vertreten. Auf der nationalen Liste mit mehr als 130 Einträgen stehen zum Beispiel auch die Amateur-Chormusik, Karneval und Fastnacht, die Trakehner-Zucht und das Skat-Spiel.

Um auf der weltweiten Kulturerbe-Liste zu landen, muss in Deutschland ein mehrstufiges Verfahren durchlaufen werden. So führen auch Bundesländer Kulturerbe-Verzeichnisse. Das NRW-Landesverzeichnis hat derzeit 16 Einträge. Dazu gehören etwa der Zirkus, die Bolzplatzkultur, die Martinstradition und das Brieftaubenwesen.

Autor