1989 wurde die Arbeitsgemeinschaft bayerischer Musikinitiativen (kurz: ABMI) gegründet, der Vorläufer des Verbandes für Popkultur in Bayern (VPBy). Aus Anlass des 30-jährigen Jubiläums sprach die nmz mit dem Geschäftsführer Bernd Schweinar.
neue musikzeitung: Sie waren Gründungsmitglied und sind bis heute Geschäftsführer des VBPy. Ein Blick zurück?
Bernd Schweinar: Lässt man die 30 Jahre seit der Gründung Revue passieren, dann sieht man gut, wie sich dieses ehrenamtlich geprägte Konstrukt professionalisiert hat, analog zum Wandel der Szene. Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst fördert den Verband seit 1989 und hat 1991 mit der Schaffung der Stelle eines „Bayerischen Rockintendanten“ ein erfolgreiches Novum für die Bundesrepublik Deutschland geschaffen. 2011 haben wir den Verein in Verband für Popkultur in Bayern e.V. (VPBy) umbenannt und satzungsmäßig geöffnet für privatwirtschaftlich tätige Veranstaltende, die den Szenegedanken nach vorne tragen und nicht nur den wirtschaftlichen Vorteil sehen. Heute haben wir etwa 150 Mitglieder der namhaftesten Clubs und Festivals in Bayern, mit dabei auch zwei Musikrechtsfachanwälte, einige Verlage und Labels. Heute sind wir ein „360° Dienstleister“ für Musik von den Amateuren bis zu den Profis, für Veranstalter, Kreativberufe und vor allem Kommunikationsebene für Politik und Medien.
nmz: Als Rockintendant sind Sie Bayerns Popmusik-Ermöglicher. Wenn Sie auf das Ermöglichte schauen, besser gesagt hören: Was hat sich da getan in 30 Jahren?
Schweinar: Die Zyklen, in denen was Neues kommt, werden immer kürzer: Vierteljährlich, monatlich, vierzehntägig. Wir mischen uns nie in die Stilistik ein. Wir haben früh von einem Rat profitiert, den uns 1993 Dieter Gorny im Rahmen eines Symposiums im Auftrag der Landeshauptstadt München und des Kunstministeriums in der Pasinger Fabrik zum Thema Stadtkultur gab: Da hat Gorny ein Plädoyer gehalten für die Infrastrukturförderung. Selbstvermarktung, PR-Arbeit, GEMA, Verträge – die Regularien sind immer ähnlich. Wir coachen die Musiker und sind mit einer Workshopreihe gestartet, die hieß „GO Professional“. All das, was ein Musiker über das Instrument hinaus braucht, in einem weitestgehend dem Wettbewerb unterworfenen Markt, wollen wir zur Verfügung stellen.
nmz: Unser Gespräch findet in der Musikakademie Alteglofsheim statt, wo das RockBüro seit 2003 seinen Sitz hat. Sie sind hier zu 75 Prozent als künstlerischer Akademieleiter tätig und zu 25 Prozent als Geschäftsführer des Verbands für Popkultur in Bayern oder als Rockintendant. Ist das ein Konstrukt, das für beide Jobs Synergien bringt?
Schweinar: Der Verband für Popkultur in Bayern (VPBy) ist der wirtschaftlich größte Beleger in der Akademie und erfüllt damit eine der Erwartungen des Bayerischen Obersten Rechnungshofes, der sich diese Ansiedelung einst ausgedacht hat. Die Akademie als Sitz unserer Geschäftsstelle hat für beide Seiten Vorteile: Zwar kamen bis 2003 nationale und internationale Künstler quasi nebenbei im Feierwerk (wo wir damals saßen) vorbei. Das ging uns anfangs in Alteglofsheim schon ab. Das konnten wir inzwischen gut kompensieren – etwa auch durch die Digitalisierung. Dadurch fahre ich persönlich auch viel weniger Kilometer durch den Flächenstaat Bayern. Es hat eine Zeit gedauert, aber heute können wir Künstler für Coachings und Projekte finanzieren und so kommen mittlerweile namhafte Leute zu uns aufs Land.
nmz: Ein bisschen Name-dropping?
Schweinar: Wir haben mehrere Reihen an der Akademie: Es gibt das „BY-on“-Projekt, wo wir das Coaching abwickeln. Dozenten sind bekannte Musiker, wie zum Beispiel von der Band „Schandmaul“. Henning Rümenapp von den „Guano Apes“ zählt dazu, Niels Frevert von „Nationalgalerie“ als Top Songwriter der Hamburger Schule; weitere Namen fallen mir ein wie „Specki“ und Kai Lutter von „In Extremo“ oder Russel Gilbrook, früher „Uriah Heep“ und Van Morrisons Band, für den Drum Workshop. Zusätzlich zu den Künstlern kommen Fachleute aus Musikbranche und Medien und geben ihr Know-how weiter.
Aber wir sehen natürlich auch den pädagogischen Aspekt: Es gibt die Kreativwochen, bei denen wir mit Schülern und benachteiligten Kindern arbeiten. Da produzieren die Kids zum Beispiel eine CD in verschiedenen thematischen Gruppen: Songwriting, grafische Umsetzung, Choreografie, Videoproduktion in Form eines Making-Offs. Zum Teil stehen da Mütter vor der Bühne, die kaum glauben können, dass ihr vorher extrem schüchterner Sohn da auf der Bühne agiert und die Zuschauer unterhält. Das ist Musikvermittlung pur.
Ich kann mich an ein Zitat eines bayerischen Kulturpolitikers erinnern: „Ein Jugendlicher von zwölf Jahren, der hinterm Computer sitzt, ist für die Musik verloren.“ Mit Verlaub, ein Computer ist auch ein Instrument. Wenn dieser Jugendliche DJ wird, dann ist er auch ein Kreativer und ist nicht für die Musik verloren.
nmz: In 30 Jahren Verbandsarbeit gab es zentrale Veränderungen der Finanzierung?
Schweinar: Grundsätzlich ist das eine sehr positive Entwicklung. Das kommt vor allem durch das Vertrauen, das wir über die Jahre zum Kultusministerium und dem Kunstministerium aufbauen konnten. Wir haben staatliche und öffentliche Fördergelder immer effizient und verantwortungsvoll eingesetzt und Projekte in engem Dialog entwickelt und transparent dargestellt. Durch die Kontakte in den Bayerischen Landtag – der Rat kam damals von Musikreferatsleiter im Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Dr. Dirk Hewig – konnten wir Fürsprecher und Unterstützer finden, die weitere Förderungen möglich gemacht haben. Es gab auch schlechtere Zeiten. Zum Beispiel 2016, als die Förderung von „Kultur macht stark“ aufgrund der Änderungen der Regelung der Unterrichtszeit wegfiel. Aktuell ist die finanzielle Lage sehr erfreulich, wenn auch weiterhin ausbaubar! Zusammen mit dem Förderpartner Initiative Musik gGmbH konsolidieren wir unsere Popkonferenz-Marke „dialog.Pop“ beständig. Nächster Konferenzschwerpunkt ist „Kultur im ländlichen Raum“, was zudem auch – für Infrastruktur und Kreative – ein nächster Fixpunkt unserer fördertechnischen Aktivitäten sein wird.
nmz: Wie viel „Personal“ braucht der VPBy, um das alles zu stemmen?
Schweinar: Der Personalstand sind heute 1/4 Stelle Geschäftsführung (Finanzen, Kulturpolitik) in meiner Person, dann eine ganze Stelle des stellvertretenden Geschäftsführers Bernd Strieder (Projekte, Mitglieder). Marion Schmid (Ressortleitung Inpulse) hat eine volle Stelle für die Bildungsprojekte für benachteiligte Kids und Frauenmusikförderung. Dann sind da noch eine 30-Std.-Stelle besetzt für Projektorganisation mit Lukas Schätzl – zuständig für „BY-on-Spitzenförderung“ und im Herbst kommt noch eine Halbtagsstelle für Öffentlichkeitsarbeit und Projektassistenz hinzu. Daneben gibt es noch zwei geringfügige Beschäftigungsstellen für Workshop-Administration und Buchhaltung, sowie eine FSJ-Kultur-Stelle. Ein Freelancer betreut zudem bei „BY-on“ die Festivalkooperationen und Showcases.
nmz: Wie sieht die Relation Fixkosten/Projektmittel dann aus?
Schweinar: Die Personalstellen umfassen etwa ein Drittel unseres Budgets, das sich 2019 auf rund 550.000 Euro beläuft. 1989 sind wir mit umgerechnet 5.000 Euro Fördermittel gestartet. Die größten Zuwendungen kommen heute aus der institutionellen Förderung durch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und belaufen sich 2019 auf 470.000 Euro. Andere Quellen sind Mitgliedsbeiträge, Spenden, Sponsoring, Eigeneinnahmen, das Kultusministerium und von einem Teil der Bayerischen Bezirke.
nmz: Als Leiter, agiert man da wo es brennt, oder ist man eher langfristig planender Stratege?
Schweinar: Da muss man sich natürlich sowohl um das eine, als auch das andere kümmern. Sonst wird man nicht erfolgreich sein. Die Vernetzung und Kontakte in den Landtag helfen da sehr. Man muss sich Popkultur-affine Politiker suchen und diese pflegen. Wichtig halte ich auch politische Netzwerkbildung mit allen demokratischen Fraktionen.
nmz: Wie feiert ihr euer 30-jähriges Jubiläum?
Schweinar: Wir planen eine Veranstaltung für geladene Gäste in der Kranhalle in München. In einem offiziellen Teil gibt es Statements, Ausblicke und der Moderator erzählt hoffentlich ein paar Anekdoten zur Aufheiterung; und dann gibt es auch einen kulturellen Teil, bei dem Bands, die aus dem „BY-on“-Projekt hervorgingen, Musik machen. Vielleicht wird der Festakt an dieser Stelle auch für freies Publikum geöffnet.
nmz: Ein Blick in die Zukunft? Wie geht es weiter?
Schweinar: Ich werde nur noch maximal fünf Jahre Leiter sein und dann an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin übergeben. Egal wer das weitermacht, es müssen ein paar Dinge bleiben: Szene, Praxis, Weitsicht, Konsens mit der Politik. Daran kann ein möglicher Nachfolger oder eine mögliche Nachfolgerin anknüpfen. An dieser Stelle einen herzlichen Dank an die Politiker des Landtages, an Minister und viele Mitarbeiter in diversen Ministerien, durch die ich all die Jahre viel gelernt habe und viele Kontakte geknüpft habe.
Interview: Andreas Kolb