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Angenehme Vocal und Instrumental

Untertitel
Johann Sebastian Bachs Besuch in Lübeck 1705
Publikationsdatum
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nmz 2000/10 | Seite 51
49. Jahrgang | Oktober

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Angenehme Vocal und Instmental
Abend-Music

Johann Sebastian Bachs Besuch in Lübeck 1705

Hansestadt Lübeck: etwa 270.000 Einwohner, ein ehemaliges Dreispartenhaus, das sich von seinem Ballett trennen musste und derzeit auf der Suche nach einem neuen GMD ist, ein Philharmonisches Orchester sowie zahlreiche Gastspiele im Kammermusikbereich, aber auch bei Theater und Tanz. Lapidare Fakten zum Musikleben in der ehrwürdigen Hanse-Stadt. Zwei Berichte, einmal über die Ausstellung „Als Bach Buxtehude behorchte...“, dann über das 10. Kammermusikfest beleuchten schlaglichtartig zwei Lübecker Veranstaltungen von überregionaler Bedeutung.

Zwei Interessen hat Johann Seastian Bach sicherlich mit seinem Besuch in Lübeck 1705 verbunden: Die damals berühmten Abendmusiken zu hören und Bedingungen der Nachfolge Dietrich Buxtehudes als Organist an der St.- Marien-Kirche auszuloten. Bach machte sich zu Fuß auf den Weg, und er blieb, zum Ärger seines Arbeitgebers, der Kirchengemeinde in Arnstadt, ein Vierteljahr in Lübeck.

In der Ausstellung „Als Bach Buxtehude behorchte...“, die vom 27. April bis 4. Juni 2000 im Lübecker Behnhaus – Museum für Kunst und Kulturgeschichte zu sehen war, sind die verbliebenen Spuren dieses denkwürdigen Besuchs zusammengetragen und einem historischen Kontext in vorbildlicher Weise zugeordnet worden. Bemerkenswert daran ist, dass sämtliche Exponate aus Beständen Lübeckischer Institutionen stammen.

Wovon die Kooperationspartner dieser Ausstellung, die Stadtbibliothek mit ihrer bedeutenden Musikaliensammlung und das Behnhaus mit einem in der deutschen Ostseeregion einzigartigen Fundus historischer Instrumente, die meisten zur Verfügung stellten.

In Lübeck war man nicht knauserig bei der Anschaffung neuer Instrumente. Der erhebliche Aufwand für die Abendmusiken, den Buxtehude durch seine Neuordnung dieser exzeptionellen Veranstaltungen betrieb, dürfte für Bach beeindruckend gewesen sein. Denn der Einsatz von Waldhörnern etwa war zu der Zeit sehr modern, wahrscheinlich hat Buxtehude diese Praxis von der Hamburger Oper übernommen. Große Besetzungen dieser Art hat Bach später fürs „Weihnachtsoratorium“ verwendet. Möglicherweise genau die von Bach gehörten Waldhörner waren im Behnhaus zu sehen. Darüber hinaus auch ein sehr rares Exemplar eines drei Meter langen Großbasspommers, das mit Doppelrohrblatt und in Querposition zum Solisten gespielt wurde. Außer diesem Original sind weltweit nur noch zwei weitere Pommer vorhanden.

Bach hat während seines Aufenthaltes in Lübeck nicht nur zugehört und zugeschaut, wie die ausgestellten Dokumente vermuten lassen. Die Orgeln in Lübeck hat er mit ziemlicher Sicherheit ausprobiert, im Übrigen auch Georg F. Händel bei seinem Besuch zwei Jahre früher. Händel hatte mit der Organistenstelle bei St. Marien geliebäugelt, doch diese dankend abgelehnt, weil damit wohl die Heirat einer Tochter Buxtehudes verbunden war. (Dessen Tochter Anna heiratete dann der tatsächliche Nachfolger Buxtehudes, Johann C. Schieferdecker.) Auch Bach verließ Lübeck wieder, ohne die begehrte Organistenstelle zu übernehmen. Allerdings hatte er in Lübeck seine Auffassungen vom Orgelspiel so erheblich verändert, dass er später in Arnstadt „die Gemeinde (damit) confundiret“ hatte.

Dokumente zum Bachbesuch in Lübeck sind in einem sorgfältig kommentierten Katalog nachzulesen, zu hören sind Klangbeispiele an der Orgel zu St. Marien auf einer CD mit historischen Aufnahmen. Im Anschluss an diese Ausstellung werden im Behnhaus ungefähr 120 Musikinstrumente aus vier Jahrhunderten „Von Zinken, Serpenten und Giraffenklavieren“ vom 9. Juli bis 15. Oktober 2000 gezeigt. Für die Öffentlichkeit ist dieser einmalige Bestand erstmals zugänglich. Begleitend finden Konzerte im Rahmen des Schleswig-Holstein Musikfestivals und anderswo statt.

Ulrich Althöfer/Arndt Schnoor: Als Bach Buxtehude „behorchte“... – Katalog zur gleichnamigen Ausstellung
Walter Kraft spielt Werke von Bruhns, Buxtehude und eigene Kompositionen an der 1942 zerstörten Totentanzorgel in St. Marien und den beiden Orgeln in St. Jakobi zu Lübeck (Historische Aufnahmen)
Buch und CD sind zu beziehen über Bibliothek der Hansestadt Lübeck, Hundestr. 5–17, 23552 Lübeck oder im Behnhaus –Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Königstr. 9–11, 23552 Lübeck

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