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Georg Kindt (li.) überreicht dem Koblenzer Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig den Wander-Glaspokal „Schulen musizieren“ bei der Eröffnung der Bundesbegegnung. Foto: Jürgen Scholz
Georg Kindt (li.) überreicht dem Koblenzer Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig den Wander-Glaspokal „Schulen musizieren“ bei der Eröffnung der Bundesbegegnung. Foto: Jürgen Scholz
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Auf die Begegnung kommt es an

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Georg Kindt, Bundesvorsitzender des Verbands Deutscher Schulmusiker, im nmz-Gespräch
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In der turnusmäßigen Bundesversammlung, die vom 2. bis 3. November 2012 in Koblenz stattfand, haben die Ländervertreter des Verbandes Deutscher Schulmusiker (VDS) einen neuen Bundesvorstand gewählt. Auf der 17. Bundesbegegnung „Schulen musizieren“ in Koblenz traf sich Andreas Kolb mit dem neuen Bundesvorsitzenden Georg Kindt zu einem Gespräch über die wichtigen Vorhaben des VDS und die geplante Fusion des VDS mit dem Arbeitskreis für Schulmusik (AfS).

neue musikzeitung: Herr Kindt, dass wir uns hier in Koblenz bei der 17. Begegnung „Schulen musizieren“ zu diesem Gespräch treffen ist kein Zufall: Sie leiten dieses bundesweite VDS-Projekt seit vielen Jahren.

Georg Kindt: Ich habe Schulen musizieren 1999 von meinem Vorgänger übernommen, und es war mir von Anfang an ein Herzensanliegen gewesen, das Projekt und insbesondere dessen Begegnungscharakter weiterzuentwickeln.

nmz: Was ist das Besondere an der Koblenzer Bundesbegegnung?

Kindt: Die Lotto Stiftung Rheinland-Pfalz hat derzeit das Motto „Trash“. Für uns Anlass gemeinsam eine ungewöhnliche Komposition, in der Trash zum Klingen gebracht wird, bei dem 15-jährigen Komponisten Valentin Ruckebier in Auftrag zu geben. Auf diesen jungen Komponisten aus Remscheid sind wir durch die Vermittlung der Jeunesses Musicales gestoßen. Die Uraufführung „Trash meets Classic“, gespielt von den „CoolTrashDrummers“ und Mitgliedern der Rheinischen Philharmonie unter Alex Sauerländer, beschließen die diesjährige Begegnung „Schulen musizieren“. Im Mittelpunkt standen dieses Jahr wieder Gruppen aus allen Bundesländern mit einem breiten Spektrum von der Band bis zum Symphonieorchester, von der Klassik, Jazz und Pop bis zur AG Neue Musik. Wichtig ist uns stets, vor Ort zu prüfen, welche regionalen Aspekte und Initiativen mit einbezogen werden können. Wenn ich an die nächste Bundesbegegnung in Lüneburg 2015 denke, dann glaube ich, ich gebe ein gut bestelltes Haus an meine Nachfolgerin Julia Wolf weiter.

nmz: Herr Kindt, was sind eigentlich Ihre Instrumente?

Kindt: Im Hauptfach bin ich Geiger, im Nebenfach studierte ich Klavier. In meiner Freiburger Zeit spielte ich in mehreren Orchestern, unter anderem im „SWF-Muggen-Orchester“. Ich leite seit 25 Jahren den Kammerchor Porta Westfalica und bin Konzertmeister beim Schaumburger Kammerorchester. Neben meinen Tätigkeiten als Schulmusiker und Verbandsfunktionär bin ich also auch praktizierender Musiker.

nmz: Wie erinnern Sie sich an Ihren „Start“ als Schulmusiker?

Georg Kindt: Ich habe, nachdem ich in Detmold Musik und in Freiburg Englisch studiert hatte, sehr früh in meiner ersten Lehramtsstelle in Marl im Ruhrgebiet mit der Ensemblearbeit begonnen, weil ich schon immer ein besonderes Faible dafür hatte. Es gab in Marl eine große Musikschule, und ich konnte da aus dem Vollen schöpfen. Bald hatte ich mehrere Orches-terstufen aufgebaut. Meine damalige Frau war im Chorbereich sehr engagiert, wir haben das sogenannte Doppelgymnasium in Marl sehr schnell zu einem musikalischen Mittelpunkt der Stadt machen können.

nmz: Dann kam der VDS ins Spiel?

Kindt: Ich bin bereits in meiner Zeit in Marl (1973) in den Landesverband NRW eingetreten. Mir ging es darum, meine Arbeit in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Ich kam schnell in den Vorstand: Dort begann meine VDS-Tätigkeit, die bald in den Landesvorsitz führte, und diese dann bald in den Bundesvorstand. Ich bin dem VDS seit damals sehr verbunden, habe vielen Vorsitzenden gedient. Inzwischen konnte ich viel Erfahrung sammeln und bin daher überzeugt, einiges davon gewinnbringend in mein Amt als VDS-Vorsitzender einbringen zu können.

nmz: Sie haben eben die Kooperation zwischen Ihrer Schule in Marl und der dortigen Musikschule beschrieben. Sie haben also bereits damals praktiziert, was heute ganz oben auf der kulturpolitischen Agenda steht.

Kindt: Die Kooperation mit der Musikschule war ein wichtiger Baustein. Wir profitierten von einem großen Spektrum an Instrumentalangeboten und konnten dann an einer Schule mit 2.200 Schülern schnell eine Basis für die Orchesterarbeit aufbauen, Reisen unternehmen et cetera. Auch im Verband habe ich stets Kooperationen angestrebt und war bemüht, das Gegeneinander in ein Miteinander zu überführen.

nmz: Wo waren Sie noch überall tätig?

Kindt: Ich bin seit 1981 in Porta Westfalica und bekam dort die Möglichkeit, ein neues Gymnasium mit aufzubauen. Das fing bei den Räumlichkeiten an: drei komplett ausgestattete Musik-räume, eine große Aula, die auch für die Bedürfnisse der Musik mit konzipiert wurde.

nmz: Das sind Geschichten aus der Zeit des Aufbaus. Heute herrscht eine Zeit des Umbaus und leider auch des Abbaus. In einer Meldung hieß es kürzlich, der niedersächsische Philologenverband wolle das „Turboabitur“ abschaffen.

Kindt: Innerhalb des VDS gibt es kein geschlossenes Meinungsbild zur G8. Es gibt Landesverbände, die stark dazu neigen, dieses so genannte Turboabitur wieder abzuschaffen. Allerdings läuft eine Argumentation, das zu machen, um mehr Zeit für die Musik zu haben, ins Leere. Auf diesen Zug wird kein Kultur- und Bildungspolitiker aufspringen.
Ich persönlich bin ein Verfechter der kürzeren Schulzeit. Denn je früher Schüler in den Berufsweg kommen, desto mehr Chancen haben sie später – vor allem in Anbetracht der Konkurrenz aus dem Ausland. Ich vertrete auch im neuen Bundesvorstand, dass wir versuchen, uns mit den Möglichkeiten, die es jetzt gibt, zu arrangieren. Oft bietet projektorientiertes Arbeiten am Samstag oder am Wochenende mehr als einmal in der Woche 1,5 Stunden Orches-ter- oder Chorarbeit nach dem Unterricht. Schulen und Musikschulen müssen umdenken. Ich glaube nicht, dass wir die Schulpolitik beeinflussen können, mit Vorstellungen, die sich am Gestern orientieren.

nmz: Der VDS hat Bündnispartner gesucht. Welche?

Kindt: Meine Linie ist: Überall dort, wo es um Musik geht, müssen wir mitmachen. Zum Beispiel bin ich dieses Jahr mit der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) in Verbindung getreten. Die DOV macht mit Schulen Kooperationen: Wenn unsere Schulorchester mit Profiorchestern zusammenkommen, dann finde ich das unheimlich spannend. Im Chorbereich gibt es so etwas noch nicht, aber unser Vorbild ist da die Kooperation mit der DOV.
Der VDS ist mit dem Kulturrat im Gespräch: Wir kämpfen gemeinsam dafür, dass der Musikbereich nicht an den Rand gedrängt wird in der bildungspolitischen Debatte. Berlin hat es vorgemacht über eine Senatsvorlage Fächerverbund: Die einzelne Schule kann aufgrund der Lehrersituation entscheiden, welche Fächerkombination sie in den Mittelpunkt stellen will. Das ist eine ganz ungute Entwicklung. In einer Arbeitsgruppe im Kulturrat arbeitet der VDS mit der Theater- und der Kunstsparte zusammen. Da ziehen wir alle an einem Strang: Wir halten ein solches Konglomerat „Ästhetische Erziehung“ für falsch. Es öffnet der Willkür die Tore. So suche ich neue Wege auch mittels neuer Kooperationen. Zu den traditionsreichen zählt etwa die mit dem Verband deutscher Musikschulen (VdM): Wir arbeiten seit vielen Jahren eng zusammen.

nmz: Wie ist der Stand Fusion von VDS und Arbeitskreis für Schulmusik (AfS)?

Kindt: Der Fusionsgedanke wurde zunächst auf Kongressebene umgesetzt: Die Bundesschulmusikwoche und der Bundeskongress für Musikpädagogik sind im Bundeskongress Musikunterricht vereint. 2012 war der Startschuss in Weimar, 2014 wird der nächste gemeinsame Bundeskongress Musikunterricht in Leipzig stattfinden. AfS und VDS haben den gleichen Willen: Wir müssen die Fortbildung, die durch die Schulpolitik ganz an den Rand gedrängt worden ist, mehr in den Fokus stellen auf Landes- und Bundesebene.

nmz: Wie sieht der Fusionsmasterplan aus? Welcher Schritt folgt als nächs-ter?

Kindt: Es gab Ende April 2013 in Göttingen eine Tagung zum Vereinigungsthema. Dort wurde ein umfangreicher Katalog besprochen. Von Seiten des VDS haben wir das Thema ganz bewusst auf die Länderebene gegeben. Macht ihr erst mal. Wir lassen euch da freie Hand und kommen später dazu. Es geht darum, die föderale Struktur des VDS in den neuen Verband zu übernehmen. Denn wir brauchen entsprechend der Kulturhoheit der Länder für die Schulpolitik auch in Zukunft starke Landesverbände. Nicht alle VDS-Landesverbände sind so weit wie der Bundesvorstand, der die Fusion lieber heute als morgen hätte. Es kommt von den großen Landesverbänden Widerstand, den wir Schritt für Schritt abbauen müssen. Der VDS ist der größere Verband mit 5.000 Mitgliedern, der AfS mit 2.800 deutlich kleiner.
Wir können aber unsere Struktur dem zahlenmäßig kleineren Verband nicht einfach überstülpen. Auch dort wäre dann Widerstand zu erwarten. Wir wollen so bald wie möglich einen Weg finden, den alle mitgehen können.

nmz: Noch einmal das Thema Musikschule. Ganztagsschule, Schulzeitverdichtung und G8 verändern die Bildungslandschaft dramatisch. Wäre denn nicht verstärkter Instrumentalunterricht an der allgemeinbildenden Schule gefragt?

Kindt: Lange bevor die aktuelle Diskussion aufkam, haben wir auch diesen Weg beschritten. Um ein Beispiel zu nennen. An meiner Schule, an der ich seit 1981 unterrichte, haben wir im 14. Jahr eine Kooperation mit der Musikschule. Da kommen jede Woche sechs Musikschullehrer zu uns. Im Rahmen unseres regulären Musikunterrichts unterrichten sie Schüler, die ein Instrument lernen wollen. In der 5. Klassenstufe machen das 60 bis 70 Prozent der Schüler aus.

nmz: Außer dem VdM „belagern“ auch andere Interessensgruppen die allgemeinbildenden Schulen. Was für Möglichkeiten der Zusammenarbeit sehen Sie?

Kindt: Es gibt viele Möglichkeiten, die Zusammenarbeit zu intensivieren, es gibt leider immer noch viele Ressentiments auf beiden Seiten. Sobald man versucht, jemand für seine eigenen Zwecke zu vereinnahmen, dann kann das nicht gelingen. Man muss Kooperationen auf Augenhöhe machen: Wir haben etwas zu bieten, ihr habt was zu bieten und jetzt versuchen wir das zusammenzubringen. Diese Idee versuche ich zu befördern.

nmz: Wie sieht in Ihren Augen die Utopie eines Musikunterrichts aus?

Kindt: Wir müssen dahin kommen, dass wir den Musikunterricht öffnen. Wir müssen versuchen, möglichst viel von anderen Partnern zu profitieren. Um unsere Schüler immer stärker mit der Musik zu vernetzen und sie auch darauf aufmerksam machen, was außerhalb der Schule an Musik stattfindet, im Theater einer Stadt, im Orches-ter. Nicht gut finde ich es, den Musikunterricht an und für sich aufzugeben. Projekt oder Modulunterricht kann da kein Ersatz sein, wir wollen keinen Markt der Möglichkeiten: Die Schüler sollen eine umfassende musikalische Bildung erhalten und sich nebenbei musikpraktisch betätigen.

nmz: Die Situation des Musikunterrichts an den Grundschulen ist nach wie vor dramatisch.

Kindt: Das liegt auch daran, dass viele Ausbildungsgänge die Musik gar nicht mehr speziell als Fach haben. Da geht es um ästhetische Bildung. Aber: Ich kenne etliche Studenten, die sich außerhalb ihrer Ausbildung fortbilden, etwa über Fortbildungsgänge bei den Bezirksregierungen und den Landesmusikakademien, um die Defizite auszugleichen, die in der Ausbildung vorhanden sind.

nmz: Noch nie wurde über kulturelle Bildung so viel gesprochen wie heute. Wo bleibt die musikalische Bildung?

Kindt: Letztlich müssen wir uns mit dem Gedanken anfreunden, dass Politiker selten von Musik reden, aber von kultureller Bildung. Diese Denkweise muss man sich aneignen: Wo über Kultur geredet wird, da muss der VDS dabei sein. Denn Musik ist Bestandteil kultureller Bildung. Deswegen brauchen wir eine Lobby – DOV, VdM und JMD sind ganz wichtige Partner für eine gemeinsame Strategie der musikalischen Bildung innerhalb der kulturellen Bildung.

nmz: Welche Projekte sind im Fokus des neuen VDS-Vorstands?

Kindt: Wir haben uns neben der Vorbereitung des Bundeskongresses Musikunterricht in Leipzig 2014 und „Schulen musizieren“ 2015 in Lüneburg die Aufgabe gestellt, die Länder wieder etwas stärker in die Verantwortung zu nehmen. Wir wollen hier neue Initiativen starten, damit die Schulmusik in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen wird.
In den nächsten Monaten werde ich Reisen zu und durch die Bundesländer machen, um die Kontakte zu den Landesvorständen zu intensivieren. Ähnliches gilt für den europäischen Raum, insbesondere für das deutschsprachige Ausland, wo es Wettbewerbe gibt, die nach dem VDS rufen. Mein Stellvertreter Prof. Gero Schmidt-Oberländer aus Thüringen ist hier ausgezeichnet vernetzt. 

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