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Beste Jugendorchester der Welt musizieren in Berlin. Foto: Hufner
Aufbruch aus der Krise? - Die Kultur vor dem nächsten Problem-Jahr. Foto: Hufner
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Aufbruch aus der Krise? - Die Kultur vor dem nächsten Problem-Jahr

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Berlin - Die Pandemie will nicht weichen, die Kulturszene stolpert weiter durch eine schwere Krise. Gerade erst wieder etwas zu sich gekommen, steht das nächste Corona-Desaster bevor. Trübe Aussichten für das neue Kulturjahr.

Es könnte eine Zeit des Aufbruchs sein. Eine neue Kulturstaatsministerin, frische Schwerpunkte einer veränderten Regierungskonstellation wären denkbare Markierungspunkte für Hoffnungsschimmer nach harten Pandemie-Jahren. Doch die aktuelle Corona-Welle trifft eine gerade erst wieder aus dem jüngsten Lockdown erwachende Kulturszene schwer. Bereits nachhaltig geschwächte Akteure in Kinos, Theatern, Museen stehen vor dem nächsten Desaster, für Freischaffende auf Bühnen, in Konzerten oder Clubs ist noch immer kein sicherer Grund in Sicht. Der Kulturszene in Deutschland steht erneut ein schwieriges Jahr im Zeichen der Pandemie bevor.

Mit öffentlichen Förderungen wie Wirtschaftlichkeitshilfe, Ausfallabsicherung und anderen Sonderprogrammen hat die Veranstaltungsbranche den Kulturbetrieb langsam wieder hochgefahren. Theater und Kinos haben Routine in Parkettbesetzung nach Schachbrettmuster, Mund-Nase-Masken auch während der Vorstellungen. In vielen Kulturstätten sind Klimaanlagen für beschleunigten Luftaustausch verbessert, in Museen sind Zeitfenstertickets inzwischen Standard.

Doch in Hochinzidenzgebieten sind die ersten Kultureinrichtungen schon wieder geschlossen. Bei Verbänden und Verantwortlichen wagt niemand eine Prognose. «Hoffentlich müssen wir nicht wieder schließen», ist der meistgehörte Satz bei Fragen nach einem Ausblick. Zumindest sind viele Förderungen und Sonderregelungen erstmal ins neue Jahr verlängert worden.

Der - meist noch verhaltene - Optimismus von Tourmanagern und Bands für einen einigermaßen geregelten Konzertbetrieb in 2022 weicht zunehmend tiefen Sorgenfalten. Eine große Zahl der noch angekündigten Touren und Konzerte ist ohnehin bereits coronabedingt verschoben.

Der erhoffte Neustart brächte nach Einschätzung von Insidern allerdings auch ein Problem: Viele der Menschen im Hintergrund, die lange Jahre ebenso selbstverständlich wie selbstlos zwischen Backstage und Hotelbar verbrachten, haben inzwischen Vorteile eines geregelteren Arbeitslebens entdeckt. Zur Rückkehr der Konzerte droht Facharbeitermangel bei erfahrenen Roadies.

Auch einige Zeit nach der erhofften Verbesserung der pandemischen Lage dürften der Kulturszene noch harte Debatten bevorstehen. Viele Institutionen sind in kommunaler Hand, viele öffentlich organisierte oder unterstütze Festivals und Veranstaltungen spielen in den Regionen und auf lokaler Ebene. Die ohnehin schon finanzschwachen Kommunen werden durch Corona und die Folgen weiter belastet. In ersten Etats gab es bereits schmerzhafte Kürzungen, weitere werden befürchtet.

Auch um das Publikum muss neu gekämpft werden. Bereits nach den vergangenen Lockdowns beobachteten viele Häuser eine nur zögerliche Rückkehr in Säle voller Menschen. Von ähnlichen Unsicherheiten ist auch wegen der Regelungen mit 2G nur für Genese oder Geimpfte oder 3G auch für Getestete aus den Institutionen zu hören.

Mit der Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP ergeben sich neue Schwerpunkte in der Kulturpolitik. Die ist in Deutschland zwar Ländersache, doch haben deren Finanzschwäche, viel Geld vom Bund und nicht zuletzt milliardenschwere Coronahilfen für deutlich mehr Einfluss aus Berlin gesorgt. Die neue Regierung will laut Koalitionsvertrag nicht nur «Kultur in ihrer Vielfalt als Staatsziel verankern», was auch als Symbolpolitik kritisiert wird. In den Mittelpunkt rücken in der Kulturpolitik nun «Barrierefreiheit, Diversität, Geschlechtergerechtigkeit und Nachhaltigkeit».

Alles Punkte, die sich leicht mit der von den Grünen als Kulturstaatsministerin nominierten Claudia Roth in Verbindung bringen lassen. Hilfreich dürfte dabei auch sein, dass die Grünen im Außenministerium ebenfalls den für internationale Kulturpolitik zuständigen Staatssekretärsposten besetzen können. Hier waren die bisher unterschiedlichen Parteifarben von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und Außen-Staatssekretärin Michelle Müntefering (SPD) nicht immer hilfreich.

Das künftige Tandem hat gleich einen mächtigen Brocken deutscher Kulturpolitik mit internationalen Verflechtungen vor sich: im kommenden Jahr sollen in zahlreichen Museen lagernde Benin-Bronzen an Herkunftsgesellschaften übereignet und eine große Zahl von ihnen restituiert werden. Die Kunstwerke stammen größtenteils aus britischen Plünderungen des Jahres 1897, von manchen Experten werden sie als Hehlerware bezeichnet.

Im Berliner Humboldt Forum sollen sie vom kommenden Jahr an gezeigt werden. Als Deutschlands zuletzt wichtigstes Kulturprojekt will die neue Regierung das rund 680 Millionen teure Zentrum für Kultur, Kunst und Forschung zu einem «Ort der demokratischen, weltoffenen Debatte» machen.

 

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