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Zum „UNESCO-Welttag der kulturellen Vielfalt“ protestierten 150 Musiker aus nahezu allen bundesdeutschen Profiorchestern in Hannover unter dem Motto „Orchester? Frisch gestrichen!“ gegen die dramatischen Sparmaßnahmen im Orchesterbereich. Foto: DOV
Zum „UNESCO-Welttag der kulturellen Vielfalt“ protestierten 150 Musiker aus nahezu allen bundesdeutschen Profiorchestern in Hannover unter dem Motto „Orchester? Frisch gestrichen!“ gegen die dramatischen Sparmaßnahmen im Orchesterbereich. Foto: DOV
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Aufbruch zu neuen Wegen

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Zukunftsperspektiven für die deutsche Orchesterlandschaft
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„Frisch gestrichen“: Mit der Parole demonstrierten Orchestermusiker in Hannover am 21. Mai, dem UNESCO-Welttag zur kulturellen Vielfalt, gegen den Orchesterabbau und brachten mit dem Choral „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ die Not der von Sparmaßnahmen bedrohten Orchesterlandschaft zu Gehör. Es war ein dramatischer Auftakt zur diesjährigen Deutschen Orchesterkonferenz am 22. Mai: Der aktuellen Situation verpflichtet, stellte die Deutsche Orchestervereinigung die Leitfrage „Neue Wege, neue Medien, neue Modelle?“. In seiner Begrüßung bedauerte Geschäftsführer Gerald Mertens, anknüpfend an die Aktion am Vortag, dass der Sinn für den Wert der Kultur verloren gegangen sei.

Mögliche Strategien zur Existenzsicherung entwarf Peter Gartiser von der METRUM Unternehmensberatung München in seinem Impulsreferat. Die drei Aspekte Markt, Marke und Struktur stellte er in den Vordergrund. In puncto Markt seien unter anderem eine Kundenbindung und eine entsprechende Vermittlung der Vorteile einer Stammkundschaft wichtig. Als ein hochkomplexes System erweise sich die Markenbildung; so beginne Markenleistung nicht nur bei den Werbemitteln, sondern auch bei der Kommunikation, dem Service und dem Raum, bis zum eigentlichen „Produkt“, dem Klangkörper. Dabei müsse die Markenfindung (als „Selbstfindungsprozess“) immer nach der Relevanz fragen. Den innerbetrieblichen Konfliktherden – gemeinsame Zielsetzungen, Planungsunsicherheit, hohe Arbeitsbelastung – begegnete er mit Vorschlägen für Umstrukturierungen, vor allem sollten eine Geschäftsordnung und die Zuständigkeiten festgelegt werden. Innovation könne letztendlich von „allen“ ausgehen, es komme auf die nötige Kommunikation und Aufmerksamkeit für die Stimmung innerhalb und außerhalb des Betriebs an. Gartiser betonte schließlich, dass auch die Politiker lernen müssten, worum es bei der Kulturarbeit geht, und zwar am besten hautnah. 

Fragen öffentlicher Förderung und der Unterstützung innovativer Maßnahmen standen in einer Podiumsdiskussion zur Debatte. Detlef Lehmbruck vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur Niedersachsen beschrieb die derzeitigen niedersächsischen Maßnahmepläne zur Intensivierung der Arbeit mit Jugendlichen und einem Publikum mit Migrationshintergrund sowie das vorrangige Interesse an der Bewältigung der Folgen des demographischen Wandels. Frank Lefers, Intendant des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie Koblenz setzte dem einen Wunsch nach mehr Verständnis auf allen Ebenen der Politik und Kulturarbeit entgegen: für mehr Vermittlung und Förderung, den kulturellen Bildungsauftrag, mehr Personalbedarf und die aktuelle Situation. Einig waren sich Lefers und Lehmbruck darin, dass bei der Frage nach einer Finanzierung neuer Impulse Evaluationen und Zahlen Gewicht haben, es sei „alles eine Frage der seriösen Argumentation“. Nach Rückfragen aus dem Publikum wurde betont, dass Innovationen nur funktionieren können, wenn das Orchester selbst auch wirklich einbezogen wird. 

Letztes großes Thema des Tages waren die Möglichkeiten des Web 2.0 für die Orchesterarbeit. Als einen großformatigen Sonderfall stellte Tobias Möller das Projekt der Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker vor: Das Projekt bildet einen Ausgangspunkt für die Nutzung von Social Media, da Filmausschnitte als „Appetithappen“ über YouTube, Facebook und Twitter laufen – auch ein Weg, das spezielle Publikum der Digital Concert Hall besser kennenzulernen. Noch zurückhaltend gegenüber der Nutzung von Social Media war Matthias Ilkenhans von der NDR-Radiophilharmonie Hannover, die online bisher unter anderem Konzerttagebücher und Begleitmaterialien veröffentlicht – der Einstieg in Social Media könne nur mit ausreichend Planung und Qualität erfolgen. Für Praxisorientierung sorgte der Wiener Kulturberater Christian Henner-Fehr. Er skizzierte eine gestufte Zielstellung für die Arbeit mit Social Media: Erhöhung des Bekanntheitsgrades, Neugierde wecken, Kundenservice anbieten und Community unterstützen. Entscheidend sei, immer im Dialog zu bleiben, neue Formate zu entwickeln und vor allem „Geschichten“ zu erzählen, um Interesse zu wecken. Er betonte, dass die Web-Vernetzung mit der Reaktion in Echtzeit die schnellste Form des Informationsaustauschs sei. In der offenen Fragerunde herrschte Konsens darüber, dass Möglichkeiten auch für kleinere Orchester bestehen, besonders Videos seien ideal. 

Im Rahmen der Veranstaltung wurde durch Kurt Biedenkopf der „Hermann-Voss-Kulturpreis der deutschen Orchester“ an Irene Schulte-Hillen (Präsidentin Deutsche Stiftung Musikleben) verliehen. Angesichts der derzeitigen Situation überraschte die positiv aufgeschlossene Stimmung. Insgesamt zeichnete sich die Konferenz dadurch aus, dass mehr Perspektiven entworfen als Probleme gewälzt wurden – durchaus angemessen für eine Gegenwart, die ein neues Handeln erfordert, nicht nur der Politiker und Förderer, sondern auch der Orchester selbst. Nur im ständigen Dialog können neue Strukturen und Wege gefunden werden, aber es gibt durchaus viele Möglichkeiten – so der Tenor der Orchesterkonferenz.

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