Berlin - Zum Beginn der Theatersaison zeigt das Berliner Ensemble «Gott ist nicht schüchtern». Die Vorlage bietet Olga Grjasnowas Roman über den Syrienkonflikt. Am Rande der Uraufführung verkündet das Haus zudem eine Absage - mit politischer Begründung.
Das Berliner Ensemble will auf ein Gastspiel in Ungarn verzichten und damit ein Zeichen gegen die Vorgänge an der Budapester Theaterhochschule setzen. «Mit großer Bestürzung schauen wir auf die aktuellen Entwicklungen der Theaterszene in Budapest», teilte Intendant Oliver Reese am Freitagabend mit.
Um die Budapester Universität für Theater- und Filmkunst ist Streit entbrannt. Die Autonomie der Hochschule wurde aufgehoben. Fast alle Leitungsbefugnisse gehen auf ein neues Kuratorium über, das ausschließlich mit Personen besetzt ist, die von der rechtsnationalen Regierung bestellt wurden.
Die Führung der Hochschule trat daraufhin zurück und die besten Lehrkräfte haben angekündigt, die Universität zu verlassen. Dazu gehört die Filmregisseurin Ildiko Enyedi. Sie hatte 2017 mit «Körper und Seele» den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen.
Präsident des neuen Kuratoriums ist Attila Vidnyanszky. Er genießt das Vertrauen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban und ist zugleich Intendant des Nationaltheaters. Ihm schwebt die Schaffung einer neuen nationalen Kunst vor.
Der Berliner Theatermacher Reese sprach von einem weiteren Schritt der Regierung «in Richtung einer Gleichschaltung der Kultur». «Als Zeichen der Solidarität hat das Berliner Ensemble daher heute das Gastspiel von «Medea» beim von Attila Vidnyanszky geleiteten Theaterfestival MITEM im kommenden Jahr abgesagt.»
Das Berliner Ensemble gehört zu den ältesten Theatern der Stadt. Nach monatelanger Zwangspause eröffnete das Haus am Freitagabend seine neue Spielzeit. Um Abstand während der Corona-Pandemie zu halten, waren viele Stühle im Saal ausgebaut worden. Die Bilder des ausgedünnten Zuschauerraums waren in vielen Medien zu sehen.
Zur Wiedereröffnung zeigte das Theater «Gott ist nicht schüchtern» nach dem gleichnamigen Roman von Olga Grjasnowa. Sie thematisiert darin den Syrienkonflikt. Auf der Bühne waren Videoaufnahmen von Politikern zu sehen; eine Handvoll Schauspieler erzählte von Menschen, die in Damaskus leben und ihre Heimat verlassen müssen.
Im Zuschauerraum sind künftig nur rund 200 von 700 Plätzen besetzt. Das Berliner Ensemble setzt auch auf eine spezielle Desinfektion. Zudem mussten Zuschauer auf dem Weg zu ihren Plätzen Masken tragen. Beim Einlass gab es Zeitfenster. Bundesweit hatten Theater geschlossen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Nächsten Donnerstag wird Ferdinand von Schirachs neues Stück gezeigt.