„Musik sollte ja eigentlich verboten sein!“ Mit dieser Antwort hat Musikautorenpreisträger Georg Katzer auf die Nachfrage Dieter Moors, wie man es aushalte, überall von Musik umgeben zu sein, an sich sehr treffend den Zustand der Musikkultur unter den gegenwärtigen Bedingungen produktiv absurd beantwortet. Und er ergänzte: „Als ich richtig jung war, mussten wir Musik selber machen, wenn wir sie haben wollten. Denn es gab nichts. Wenn erst einmal Musik gemacht wird, dann wird sie weiter gemacht.“
Unter dem Motto „Autoren ehren Autoren“ wurde dieses Jahr zum vierten Mal der Deutsche Musikautorenpreis in Berlin im Hotel Ritz-Carlton verliehen. Eine Veranstaltung mit 300 Gästen, darunter politische Prominenz und viele Urheber nebst Anhang. Einmal im Jahr ehrt die GEMA also sich selbst beziehungsweise diejenigen, deren Rechte sie in meist umfassender Weise vertritt. Ihr Vorstandsvorsitzender, Harald Heker, sieht die Vergabe des Preises als ein Symbol für die Ehrung schöpferischer Arbeit in Zeiten, wo manche befürchten, es soll das Urheberrecht abgeschafft werden. Soweit gehen zwar momentan nur Einzelne, aber keine politische Kraft drängt momentan auf dieses Ziel zu. Eher sind es allgemeine Entwicklungen, nicht nur sprachlich, die den Diskurs ums Urheberrecht verzerren. So erwähnte Enjott Schneider, gerade frisch im Amt als Aufsichtsratsvorsitzender der GEMA, dass auf europäischer politischer Ebene der Begriff der Autoren-Rechts (Author’s Right) zugunsten des aus dem angelsächsischen Rechtsverständnis stammenden Begriffs des Copyright verdrängt werde. Der Autor verschwinde auch im Downloadfile, wohingegen der auftretende Künstler nach vorne gestellt werde. Dennoch machte Schneider implizit auf die Problematik dieser Veranstaltung aufmerksam, auch wenn es sicher nicht so gemeint gewesen sein mag. „Den Blick auf die Urheber, also auf die Autoren zu richten, heißt hinter die Dinge zu blicken. Zeitgeist ist aber weit eher in einer Welt der Fassaden, der Oberflächenwahrnehmung zu leben. Design, Marketing, Verpackung sind heute oft gewichtiger geworden als die Inhalte selbst.“ Eine Kritik, der sich auch der Deutsche Musikautorenpreis stellen müsste.
Autoren ehren Autoren heißt, dass eine Jury aus Autoren andere Autoren ehrt. Für ihre Arbeit, die in wechselnde Kategorien aufgesplittet wird. In diesem Jahr gehörte experimentelle Musik, sakrale/geistliche Musik ebenso dazu wie die Kategorie Text Kinderlied oder Komposition Jazz. Auch Filmmusik, Pop- und Rockmusik wird bedacht. Drei Kategorien sind immer dabei: Lebenswerk, erfolgreichstes Werk (ermittelt nicht von den Juroren, sondern von MediaControl) und Nachwuchs.
Trotz des großen Aufgebots dieser Veranstaltung ohne Live-Musik, dafür mit Fleisch- und Fischverköstigung, kommt sie nicht richtig in Fahrt. Die Mischung aus Vereinsfreunde-Treffen und großer Gala dümpelt vor sich hin. Dieter Schnebel oder Georg Katzer, Sarah Nemtsov sind nicht diese musikalischen Rampenstars wie beispielsweise Dieter Bohlen oder Cäthe (Catharina Sieland). Aber sie alle sind eben trotzdem GEMA-Autoren. Auch so ein stiller und bescheidener Gerhard Schöne will da nicht so recht funkeln. Die Gräben zwischen kommerziell erfolgreichen Autoren und lebenslang kontinuierlich experimentell vor sich hin wurstelnden Kollegen schließen sich nicht. Man ist Freund, aber man geht auch aneinander vorbei.
Der Preisträger in der Kategorie sakrale/geistliche Musik, Dieter Schnebel, war etwas unglücklich darüber, dass von den drei pro Kategorie Nominierten nur einer zum Zuge käme. Gewiss, es ist alles in allem ja ein undotierter Ehrenpreis (bis auf die Kategorie Nachwuchs, der mit 10.000 Euro zu Buche schlägt und die nur dem Gewinner zustehende Trophäe), und Katzer bot großzügig an, das Preisgeld unter den in seiner Kategorie nominierten zu teilen. Aber wie will man die Hand umdrehen zwischen Wilfried Jentzsch, Josef Anton Riedl und Georg Katzer, oder zwischen Dieter Schnebel, Robert M. Helmschrott und Theo Brandmüller? Es ist sicher nicht falsch, die musikalisch gesellschaftlichen Leistungen von Katzer und Schnebel in ihrer Autorenschaft zu würdigen – vor allem aber historisch zu würdigen. Und das wirft ein problematisches Licht auf einen weiteren Fehler des Preises. Während die Nominierungen im Bereich Komposition Filmmusik, Komposition Jazz, Text Pop und Komposition Rock eher am aktuellen „Werk“ der Autoren dran sind, gehen die anderen Preise leicht in Richtung Lebenswerk; aber warum?
Autoren ehren Autoren heißt daher auch: Autoren ehren Autoren nicht. Die Form des Wettbewerbs konterkariert die inhaltliche Idee. Gäbe es aber den „Wettbewerb“ nicht, wäre eine solche Veranstaltung rein dramaturgisch sinnlos.
Fast sinnlos, wenn nicht sowieso Erwartbares unerwartet ausschlägt. Den Preis für das erfolgreichste Werk bekam Dieter Bohlen, der leider selbst nicht erschien, aber eine typische Bohlen-Botschaft schickte. Er insbesondere bat die GEMA darum, die Bedeutung der Autoren an die Öffentlichkeit zu bringen: „Man muss auch der Öffentlichkeit klar machen, dass es ohne uns Komponisten, ohne die Texter einfach keine Musik gibt. Die Schallplattenfirmen denken immer, sie sind die Dicksten, alle denken sie sind die Dicksten, die Künstler denken, sie sind die Dicksten. Ohne Komponisten, ohne Texter keine Musik – macht den Leuten das endlich mal klar, damit meine Kollegen, die nachkommen in den nächsten Jahren auch von der Musik leben können.“ Eine Bitte und eine Schützenhilfe, die leicht ungläubige Solidarität unter den staunenden Anwesenden hervorrief: Ja, auch Dieter Bohlen ist die GEMA.
Im Plan auch die sprachlich erwiesene Dankbarkeit der ausgezeichneten Autoren gegenüber der GEMA. Bis auf Dieter Schnebel und Sarah Nemtsov dankten die Preisträger alle der GEMA inständig. Die beiden Außenseiter taten allerdings Recht daran. Den Preis vergibt genau genommen nicht die GEMA, sondern Jury-Mitglieder der GEMA an ihresgleichen.
Der Preisträger in der Kategorie Text Pop, Danny Dziuk, beendete seine Rede mit den wohl schönsten Worten, Martin Betz’ Gedicht „Auskunft“ zitierend und damit anzeigend, dass trotz aller aktueller Probleme im Bereich Urheberschaft der Sprachwitz als Träger einer Idee oft weiter reicht als so manche Kolumne aus Argumenten: „Wenn ich singe, wirft mein Singen / Fragen auf. Vor allen Dingen / mag die Frage sich erheben: / ‚Können Sie vom Singen leben?‘ // Und die Antwort lautet: Nein. / Noch reicht’s Singen ganz allein / nicht. Noch muss ich unterdessen / auch was trinken und was essen.“
Die Preisträger
- Komposition Filmmusik: Ralf Wengenmayr
- Text Kinderlied: Gerhard Schöne
- Komposition Jazz: Tied & Tickled Trio (Markus & Micha Acher, Johannes Enders)
- Komposition experimentelle Musik/Musik mit Live-Elektronik: Georg Katzer
- Komposition geistliche/sakrale Musik: Dieter Schnebel
- Text Pop: Danny Dziuk
- Komposition Rock: Cäthe (Catharina Sieland)
- Nachwuchsförderung: Sarah Nemtsov
- Erfolgreichstes Werk: Dieter Bohlen
- Lebenswerk: James Last