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Berlin - Es war der letzte große Lebenstraum von Christoph Schlingensief: Mit einem Operndorf in Afrika wollte der Theater- und Filmemacher eine kulturelle Begegnungsstätte schaffen, die Leben und Kunst zusammenführt. Nach einer Schule für 300 Kinder wird im bitterarmen Burkina Faso jetzt in einem zweiten Schritt eine Krankenstation eröffnet.
Sie bietet rund 5000 Menschen aus den umliegenden Dörfern Erste Hilfe, bis zu 20 Kinder im Monat sollen hier betreut auf die Welt kommen.
«Wenn ein neugeborenes Baby schreit, dann ist das die wahre Opernmusik», hatte Schlingensief einmal gesagt. Die Grundsteinlegung für das Dorf etwa eine Autostunde von der burkinischen Hauptstadt Quagadougou entfernt hatte der Regisseur im Februar 2010 noch miterlebt - bereits schwer von seiner Krankheit gezeichnet. Einige Monate später starb er mit 49 Jahren an Lungenkrebs.
«Ich freue mich sehr, dass wir nun die Krankenstation eröffnen können», sagt seine Witwe Aino Laberenz (33), die das Projekt nach einer Zeit der Trauer mit großem Elan weiterführte. «Für Christoph war Krankheit und Versorgung etwas Grundsätzliches - existenziell wie eben die Kunst, die sich wieder in der Realität verortet.»
Ein Arzt, ein Zahnarzt, eine Apothekerin, zwei Krankenschwestern und zwei Hauskräfte werden in der Krankenstation arbeiten. Anders als sonst oft in Hilfsprojekten sind es Menschen aus dem Land, die von der heimischen Regierung gestellt und bezahlt werden. Vielen Anwohnerfamilien wird so der beschwerliche Fußmarsch zur vier Kilometer entfernten Kreisklinik erspart.
Das Konzept für das rund 800 Quadratmeter große Haus stammt erneut von dem preisgekrönten Architekten Francis Keré, den Schlingensief früh für das Projekt gewinnen konnte. Der Sohn eines burkinischen Häuptlings hat schon für mehrere Schulen in Afrika ein faszinierendes natürliches Kühlkonzept entwickelt. Auch bei der Krankenstation sind nun die Mauern aus 30 Zentimeter dicken, selbstgebrannten Ziegeln gebaut. Ein ausgeklügeltes Doppeldach mit Kamin-Effekt sorgt dafür, dass die Hitze nach oben abzieht. Selbst bei Temperaturen von 40 Grad bleibt es innen angenehme 25 Grad kühl.
«Die Architektur sieht kompliziert aus, aber alle Materialien werden auf der Baustelle erarbeitet», sagte Keré bei der Einweihung der Schule vor drei Jahren. Im zweiten Bauabschnitt 2013 hatten nach Angaben der von Laberenz geführten gemeinnützigen Festspielhaus Afrika GmbH mehr als 100 Bauarbeiter aus der Region einen festen Job. Die Baukosten von 270 000 Euro kamen vor allem durch Spenden herein, die Hilfsorganisation Grünhelme von Rupert Neudeck beteiligte sich als Partner mit 40 000 Euro.
Mit der Krankenstation, die am 7. Juni offiziell eröffnet wird, hat das Operndorf inzwischen 24 Gebäude - neben der Schule auch Wohnhäuser für Lehrer, Angestellte und Gäste, Werkstätten, ein Tonstudio und eine Kantine. Dort kochen die Stammesfrauen aus der Umgebung 1500 Essen pro Woche. Im monatlichen Kulturprogramm gibt es Konzerte, Film- und Theaterabende, Workshops mit Künstlern aus aller Welt und natürlich die regelmäßigen Besprechungen zum Projekt unter dem großen «Palaverbaum».
Schlingensief hatte als Abschluss und Krönung seines Traums im Zentrum der schneckenförmigen Anlage noch ein Festspielhaus geplant. Inzwischen soll es eher eine Bühne werden. «Wir versuchen im Operndorf, die Kunst nicht an ein Gebäude zu binden», heißt es bei den Initiatoren in Berlin. «Der Bau der Bühne kann sich also die Zeit lassen, die er braucht.»
Nada Weigelt