Ensemble Modern? Auch unter Musikfreunden sind die Reaktionen häufig gleich: Scheu, wie sie sich stets mit Risiko und Experiment verbindet, Zweifel, der unterstellt, dass nichts neu ist in Musik und Kultur, Respekt für Ausdauer und Beharrlichkeit bei der Verfolgung klarer musikalischer Ziele, aber auch hohe Anerkennung für das unbestritten hohe künstlerische Niveau dieses Ensembles.
Zugegeben, Erfolg enthält immer etwas, was selbst dem besten Freund missfällt. Und Erfolg kann dieses Ensemble in der Tat verbuchen: 1980 gegründet, seit 1985 in Frankfurt ansässig, 19 Musiker – international zusammengesetzt, ein bemerkenswert breites Repertoire von Kammermusik, Musiktheater, Tanz- und Videoprojekten, rund 100 Konzerte im In- und Ausland jedes Jahr, darunter allein im vergangenen Jahr 20 Uraufführungen. Die Konzerte: in aller Welt, einschließlich der Teilnahme an Festivals wie dem Festival d’Automne in Paris, dem Lincoln Center Festival in New York, der Ars Musica in Brüssel und so weiter. Aber auch: kritische Stimmen, vielfach neidbestimmt im Verteilungskampf, ignorant und grundlos schadenfreudig. Es gebe, so die Argumentation, zwischenzeitlich weitere und herausragende Ensembles in Deutschland, die sich ebenfalls erfolgreich und mit Niveau der modernen Musik verschrieben hätten. Das hätten Politik und Musik eben gemeinsam: Stets stehe der Nachfolger schon an der Tür. Und: Die öffentliche Förderung eines Ensemble Modern sei Gießkannen-verdächtig und somit abzulehnen; keiner der Avantgarde-Profis aus Frankfurt müsse sich schließlich Sorgen um seine Zukunft machen, handle es sich ja wohl um hochbezahlte Profis, teilweise auch mit Lehraufträgen... Herzlich grüßt die Neidgesellschaft!
Vor der Prüfung tatsächlicher Rahmenbedingungen des Ensemble Modern steht allerdings definitorischer Klärungsbedarf an. Denn um das Ensemble rankt sich ein Kranz institutioneller und organisatorischer Gebilde: die Deutsche Ensemble-Akademie e.V., die Ensemble Modern GbR, das Ensemble Modern Orchestra, der Ensemble Modern Fond bei der Deutschen Ensemble Akademie e.V., eine Internationale Ensemble Modern Akademie und – unser nationales Studentenorchester – die Junge Deutsche Philharmonie.
Über allem steht die Deutsche Ensemble Akademie e.V.; ihre Förderleistungen kommen zum einen dem Ensemble Modern an sich, seit 1987 übrigens eine „Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes“ mit den Musikern als Gesellschaftern, die damit auch das volle wirtschaftliche Risiko ihrer Arbeit tragen, und der Jungen Deutschen Philharmonie zugute. Der Ensemble-Modern-Fonds dient der Spendensammlung und ist bei der Akademie angesiedelt. Das Ensemble-Modern- Orchestra gruppiert sich um die Kernformation des Ensemble Modern und tritt projektbezogen zusammen. Die Internationale Ensemble-Modern- Akademie schließlich soll – so das ehrgeizige Ziel - jungen Instrumentalisten, Komponisten und Dirigenten die Möglichkeit bieten, als Stipendiaten an der Suche nach neuen musikalischen Ausdrucksformen teilzuhaben und sie zu erproben.
An dieser organisatorischen Arbeitsteilung und Ausdifferenzierung hätten wohl auch Soziologen Freude; sie scheint einerseits sachlich begründet und Ergebnis des großen Ensemble-Erfolges zu sein. Die Deutsche Ensemble Akademie schultert andererseits einen Ausgabenblock für Personal und Verwaltung in Höhe von mehreren 100.000 Euro, davon allein rund 600.000.- Euro für Raumkosten in Frankfurt (die von der Stadt getragen werden). Und die Einnahmen-Seite des Ensembles? Es sind die natürlichen drei „Orchester-Füße“, auf denen die Arbeit basiert: In 2002 (1) Zuschüsse der öffentlichen Hand ohne die oben genannten Mietkostenzuschüsse (um die 550.000 Euro), (2) Sponsoren- sowie GEMA/GVL- Mittel (über eine Million Euro) sowie (3) Honorareinnahmen aus eigener Tätigkeit (fast zwei Millionen Euro). Vor allem die letzte Zahl lässt aufhorchen: Zwei Drittel der Einnahmen sind eigenfinanziert, eine respektable Leistung in unserer Orchesterlandschaft.
Und dennoch gibt es ein Problem: Die Basisfinanzierung des Ensemble Modern ist eindeutig zu gering. Vonnöten ist eine nachhaltige, institutionelle Förderung. Den rund 3,5 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr stehen – anstelle der üblichen Honorare- so genannte Abschlagszahlungen an die Ensemble-Mitglieder gegenüber; sie belaufen sich für jedes der rund 260 Dienste/Konzerte pro Jahr auf Minimalbeträge pro Konzert (beziehungsweise Dienst) und Ensemble-Mitglied. Nein, reich wird man damit nicht. Bedenkt man ferner, dass zeitgenössische Musik heute verstärkt mit einer häufig kostengünstigeren „Klassik“ konkurrieren muss, lässt sich eine unbefriedigende finanzielle Situation kaum noch vermeiden. Und: Werden dann auch Kompositionsaufträge rarer, ist moderne Musik immer weniger präsent. Eine Entwicklung, die nicht hinnehmbar ist und erschreckt.
Was bleibt also als Fazit?
1. Das Ensemble Modern bedarf staatlicher oder halbstaatlicher Förderung. Dies nachhaltig, zumindest mittelfristig, zum Beispiel über fünf Jahre hinweg.
2. Diese Förderung ist mit Maßnahmen einer verstärkten Nachwuchsförderung zu begleiten, möglichst im Rahmen einer Internationalen Ensemble-Modern-Akademie.
3. Nicht jede organisatorische und institutionelle Weiterentwicklung oder Ausdifferenzierung musikalischer Einrichtungen trägt zu zusätzlichen Einsparungen bei. Wo Sparpotenzial ausgeschöpft ist, helfen bei künstlerischen Zielen auch strukturelle Veränderungen an sich nur selten weiter.