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Bayerischer TKV legt neuen Unterrichtsvertrag vor

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Andrea Fink, Ute Schmid-Holzmann und Rechtsanwalt Christian Kuntze im nmz-Interview
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„DTKV Vertragsmuster ‚Unterrichtsverträge‘ nicht weiter verwenden!“ hieß es kürzlich von Seiten des DTKV. Die Verbraucherzentrale Baden-Würt-temberg hatte diverse Punkte in unbefristeten beziehungsweise Einzelstunden-Unterrichtsverträgen des DTKV Bundesverbandes beanstandet. Der Bundesverband hat daraufhin seinen Unterrichtsvertrag zurückgezogen. Der DTKV-Bayern folgte und legte zügig einen neuen, revidierten Unterrichtsvertrag vor. nmz-Chefredakteur Andreas Kolb sprach mit Rechtsanwalt Dr. Christian Kuntze, Ute Schmid-Holzmann und Andrea Fink über das Thema.

neue musikzeitung: Was wurde beanstandet?

Andrea Fink: Konkret: Der Tonkünstlerverband Bayern wurde nicht abgemahnt. Eine Abmahnung erging von der Verbraucherzentrale Baden-Würt-temberg an den Deutschen Tonkünstlerverband. Beanstandet wurden einzelne Punkte in den unbefristeten Unterrichtsverträgen beziehungsweise Einzelstunden-Unterrichtsverträgen. Wir haben dies zum Anlass genommen, unseren Unterrichtsvertrag einer aktuellen Überprüfung und Aktualisierung zu unterziehen, da im Vertrag des Tonkünstlerverbandes Bayern drei der im Vertrag des Deutschen Tonkünstlerverbandes enthaltenen Regelungen ähnlich waren. Uns ist wichtig, dass wir unseren Mitgliedern rechtssichere Verträge zur Verfügung stellen. Wir in Bayern wollten nicht warten, bis wir uns mit einer – wenn auch unbegründeten – Abmahnung auseinandersetzen müssen, da dies nur Unruhe bringt und unnötige Zeit und Energie kostet. Wir haben daher die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und den Vertrag zur Überarbeitung an unseren Rechtsanwalt Dr. Christian Kuntze gegeben.

Ute Schmid-Holzmann: Die kritischen Klauseln finden sich bei den Regelungen zum Unterrichtsausfall bei Verhinderung oder Erkrankung der Lehrkraft sowie beim Auftritt des Schülers in der Öffentlichkeit.

nmz: Was waren die konkreten Folgen dieser Beanstandung?

Schmid-Holzmann: Für Bayern gab es keine unmittelbaren Folgen, aber wir wollten eben nicht warten, bis unsere eigenen Unterrichtsverträge ebenfalls beanstandet werden. Wir haben uns daher im Fachausschuss zusammengesetzt, in Zusammenarbeit mit Dr. Kuntze den Unterrichtsvertrag aufzufrischen, anzupassen und zu modernisieren. Im Vordergrund ging es darum, einen ausgewogenen Vertrag für unsere Mitglieder und deren Schüler präsentieren zu können. Da der bisherige Vertrag diese Anforderungen im Wesentlichen bereits erfüllte, waren lediglich kleine Justierungen nötig.

nmz: Die Verträge wurden über viele Jahre benutzt. Warum kamen gerade jetzt Beanstandungen? Was war der Anlass?

Fink: Da die Abmahnung an den Deutschen Tonkünstlerverband ging, können wir dazu nichts sagen.

Christian Kuntze: Manchmal ist das so, dass eine bislang ohne Probleme im Einvernehmen zwischen Schülern und deren Lehrern gelebte Praxis von dritter Seite moniert wird. Dann muss man sich neu orientieren und die Diskussion als Chance nutzen, das bisher Bewährte weiter zu verbessern.

nmz: Waren diese Beanstandungen der Verbraucherzentrale denn bindend? Gab es Präzedenzfälle? Ist tatsächlich eine Anpassung an die Rechtsprechung erforderlich?

Fink: Wir sahen eine Fürsorgepflicht gegenüber unseren Mitgliedern und haben deshalb rein vorsorglich unseren Vertrag aus dem Verkehr gezogen. Ob es Präzedenzfälle gab, müsste man den Deutschen Tonkünstlerverband fragen. Eine Anpassung an die Rechtsprechung sehen wir nicht vordergründig, sondern im Fokus stand eine ausgewogene Modernisierung des Vertrages.

nmz: Können die privaten Musiklehrer hier zufrieden sein? Können Rechtsmittel eingelegt werden?

Kuntze: Die Entscheidung, Rechtsmittel gegen eine Abmahnung einzulegen, ist Sache des abgemahnten Verbandes, wobei es weniger um die Frage von Rechtsmitteln geht, als vielmehr darum, ob die Abmahnung akzeptiert wird oder man sich im Rahmen eines Gerichtsverfahrens damit auseinandersetzt, mit Risiken für beide Parteien. Ich halte die Entscheidung des Verbandes, den Unterrichtsvertrag einzuziehen und zu überarbeiten aus ökonomischen Gründen für richtig; es sollen auch die Mitglieder nicht durch Gerichtsverfahren verunsichert werden. Eine Verunsicherung wäre auch dann gegeben, wenn der Verband das Verfahren gewinnt. Der aktuelle Unterrichtsvertrag in Bayern fasst im Wesentlichen die ohnehin geltende Gesetzeslage zum Unterrichtsverhältnis zusammen. Die Parteien können somit im Vertrag ihre Rechte in verständlicher Weise nachlesen, wie sie grundsätzlich auch im Gesetz geregelt sind, das Gesetz beschreibt die Rechtslage aber meist zu abstrakt und kompliziert.

Schmid-Holzmann: Die neuen Verträge sind wieder wesentlich offener gehalten. Das hat Vorteile, denn die Mitglieder erhalten eine Vorlage, die flexibel gelebt werden und im Einzelfall an die besonderen Wünsche von Lehrer und Schüler angepasst werden kann.

Fink: Wichtig ist uns bei den neuen Verträgen, dass die Mitglieder Unterstützung in der Anwendung erhalten. Es gab nach dem Versand der neuen Vertragsvorlagen nur wenige Anrufe und Fragen. Dennoch glaube ich, dass Bedarf in der Beratung besteht. Deshalb bieten wir auch zum Thema Unterrichtsvertrag einen kostenfreien Workshop am 29. Mai 2017 für unsere Mitglieder in München an. Herr Dr. Kuntze geht an diesem Abend auf alle Fragen zum neuen Unterrichtsvertrag ein und berät die Mitglieder auch, wie sie mit den alten Verträgen umzugehen haben.

nmz: Jetzt hat der TKV Bayern einen neuen Mustervertrag vorgelegt. Frau Schmid-Holzmann, Sie als Sprecherin des Ausschusses freiberufliche Musikpädagogen/innen waren in die Änderungen voll und ganz einbezogen. Der neue Unterrichtsvertrag des Bundesverbandes soll in den nächsten Wochen folgen. Was ist neu im bayerischen  Unterrichtsvertrag?

Schmid-Holzmann: Geändert wurde der Punkt 9 „Unterrichtsausfall“. Im bisherigen Vertrag stand, dass der Unterricht bei Verhinderung der Lehrkraft nachgeholt und vergütet wird. Im neuen Unterrichtsvertrag wird „bei  Verhinderung der Lehrkraft“ der Unterricht weder nachgeholt noch vergütet, es sei denn, die Parteien vereinbaren etwas anderes im Einzelfall. Der Passus über das Einverständnis des Lehrers für einen Auftritt des/der SchülerIn in der Öffentlichkeit wurde ebenfalls aus dem Vertrag genommen.

Fink: Besonders einschneidend ist die Änderung zur Regelung der Erkrankung der Lehrkraft. Bislang endete die Verpflichtung zur Honorarzahlung nach sechs Wochen. Diese Klausel war kritisch, weshalb wir sie ebenfalls gestrichen haben. Geregelt wird künftig nur noch der Fall, wenn der/die Schüler/in nicht zum vereinbarten Unterricht erscheint.

Kuntze: Ergänzend wurde Punkt 12 „Sonstige Vereinbarungen“ in den Vertrag aufgenommen. Dort kann der einzelne FMP besondere Einzelregelungen mit dem Vertragspartner treffen, die im Vertragsmuster nicht abgebildet sind. Individuelle Regelungen bleiben nach wie vor zulässig und ermöglichen den Mitgliedern, das Vertragsmuster an ihre persönlichen Bedürfnisse anzupassen und flexibel zu gestalten.

nmz: Die Änderungen gehen eher zu Lasten des Instrumentalpädagogen und zu Gunsten des Schülers/der Eltern (verbraucherorientiert). Macht es da überhaupt noch Sinn, Musterverträge zu verwenden? Sind Individualvereinbarungen da nicht der bessere Weg?

Schmid-Holzmann: Es ist wichtig, unseren Mitgliedern eine Vorlage an die Hand zu geben.

Fink: Die Beratung zur Anwendung ist ebenfalls sehr wichtig. Vielleicht kommen wir aber in absehbarer Zeit bald soweit, dass wir den Mitgliedern den Unterrichtsvertrag als Text- oder Worddokument zum Downloaden anbieten. Dann kann die Lehrkraft selbst Anpassungen vornehmen und das Formular geht in Richtung Individualvertrag. Wir sehen den Unterrichtsvertrag als „work in progress“. Wir müssen auf ständige Anpassungen eingehen und diese auch möglichst schnell umsetzen.

Workshop
„Rund um den neuen Unterrichtsvertrag“ 29.5.2017, 18–21 Uhr, Tagungszentrum München, Dr. Christian Kuntze, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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