Bayreuth - Sie sehen wie Grabsteine aus, die mannshohen grauen Info-Tafeln vor dem Festspielhaus in Bayreuth. Als Teil der Wanderausstellung "Verstummte Stimmen - Die Bayreuther Festspiele und die 'Juden' 1876 bis 1945", die am Sonntag (22. Juli, 11.00 Uhr) eröffnet wird, sollen sie an das wohl dunkelste Kapitel in der Geschichte des Grünen Hügels erinnern, an die "Säuberung" der Richard-Wagner-Festspiele von jüdischen Künstlern
"Es war höchste Zeit, dass die Ausstellung nach Bayreuth kommt", betont die Oberbürgermeisterin der Stadt, Brigitte Merk-Erbe (Bayreuther Gemeinschaft), bei der Vorstellung der Schau am Donnerstag und ergänzt: "Es ist eine Ausstellung gegen das Vergessen." Wie wichtig dies sei, zeigten nicht zuletzt die jüngsten Umtriebe von Neonazis.
Neben den etwa 30 Tafeln unter freiem Himmel im Festspielpark sind weitere Stellwände der Wanderausstellung im Neuen Rathaus aufgestellt. Sie haben keinen direkten Bezug zu den Festspielen, erinnern aber anhand von 44 Biographien an das Schicksal weiterer verfolgter Stars der deutschen Opernszene im Nationalsozialismus und bilden damit den Kern der Wanderausstellung.
Erstmals gezeigt wurde die Schau 2006 in Hamburg und war seither in vier weiteren Städten in Deutschland zu Gast, darunter in Berlin und Dresden, jeweils ergänzt um einen zweiten Teil mit lokalem Bezug. Bayreuth soll die letzte Station sein.
Dass es so lange dauerte, bis "Verstummte Stimmen" den Weg nach Oberfranken fand, sei vor allem Pech gewesen, erläutert Hannes Heer, Historiker und Kurator der Ausstellung. Denn schon bei der Vorstellung in Hamburg habe sich der Leiter des Richard-Wagner-Museums, Sven Friedrich, mit der Bitte an ihn gewandt, die Ausstellung doch auch in Bayreuth zu zeigen. Dies sei jedoch nach dem Ausstieg eines Sponsors zunächst nicht möglich gewesen. Die lange Wartezeit habe dem Projekt aber genutzt, stellt Heer fest. "Es ist gereift."
Wagner als Stichwortgeber für Hitler
Die Bayreuther Ausstellung präsentiert sich nun in drei Kapiteln, die sie mit sehr viel Lesestoff beleuchtet: den Missbrauch der Festspiele als Mittel der deutschnational-antisemitischen Mobilisierung, die schon lange vor 1933 praktizierte Diffamierung und Ausgrenzung jüdischer Künstler und die Schicksale von 54 Künstlern in Bayreuth, von denen nach Recherchen der Ausstellungsmacher zwölf im Dritten Reich ermordet wurden.
Und sie spricht deutlich an, dass die Behauptung, Richard Wagner sei durch die Nationalsozialisten missbraucht worden, nur bedingt richtig ist. Denn Wagner sei durch seinen Aufsatz "Das Judenthum in der Musik", in dem er unter anderem vor einem "zersetzenden Einfluss" des Judentums auf die deutsche Kultur warnt, ein wichtiger Stichwortgeber für Adolf Hitler gewesen, heißt es auf einer Schautafel.
Wagners Erben hätten dann durch die Diskriminierung jüdischer Künstler einen direkten politischen Zusammenhang hergestellt. Das Aktenstudium habe "den ganzen Wahnsinn" des Antisemitismus auf dem Grünen Hügel ans Tageslicht gebracht, schildert Heer. Er sei entsetzt gewesen über den Judenhass, den er beispielsweise der Korrespondenz von Richard Wagners zweiter Ehefrau Cosima entnehmen konnte, wenn es um die Besetzung von Rollen gegangen sei.
Es seien auch immer wieder Künstler als Juden verpönt worden, die gar keine waren. Und das nur, um sie los zu werden, da sie als unangenehm empfunden wurden, etwa weil sie sich erlaubten, Entscheidungen von Cosima, die die Festspiele von 1885 an leitete, infrage zu stellen.
Um Zugriff zu den benötigten Unterlagen zu erhalten, seien er und seine Mitarbeiter größtenteils zufriedenstellend von der Wagner-Familie unterstützt worden, berichtet Heer. Allerdings sei der Einblick in den in München aufbewahrten Nachlass von Siegfried Wagner und dessen Ehefrau Winifred verwehrt geblieben. "Das ist ein Skandal", kritisiert er.
Bis zum 14. Oktober ist die Ausstellung in Bayreuth zu sehen. Dass sie danach zu einer Dauereinrichtung auf dem Grünen Hügel wird, ist möglich. "Das ist eine interessante Idee", freut sich Heer. Ihn hätten heute schon mehrere darauf angesprochen.