Berlin - Doppelter Zuschlag für Berlin: Die Volksbühne und das Maxim Gorki Theater sind gleichauf zum Theater das Jahres gewählt worden. In der traditionellen Umfrage der Zeitschrift «Theater heute» gaben jeweils sechs von insgesamt 43 Kritikern den beiden recht unterschiedlichen Häusern ihre Stimme.
Die Kür der Volksbühne dürfte vor allem eine Hommage an den langjährigen Intendanten Frank Castorf (65) sein, der sein Amt 2017 an den belgischen Museumsmanager Chris Dercon abgeben muss. Mit dem Gorki Theater wurde der völkerverbindende Ansatz geehrt, den Shermin Langhoff und Jens Hillje dort seit drei Jahren verfolgen.
Zur Darstellerin des Jahres (6 Stimmen) wählten die Kritiker nach der am Donnerstag veröffentlichten Umfrage die 44-jährige Burgschauspielerin Caroline Peters («Mord mit Aussicht») für ihre Rolle als Ella Rentheim in «John Gabriel Borkman». Diese Neuinterpretation des gleichnamigen Ibsen-Stücks unter der Regie von Shootingstar Simon Stone, eine Koproduktion von Wiener Burgtheater und Schauspiel Basel, wurde Inszenierung des Jahres (5 Stimmen).
Als bester Schauspieler (7 Stimmen) setzte sich Edgar Selge (68) mit seinem fulminanten Monolog «Unterwerfung» nach Michel Houellebecq am Hamburger Schauspielhaus durch. Der 24-jährige Marcel Kohler holte mit seinem Auftritt in Daniela Löfflers Turgenjew-Inszenierung «Väter und Söhne» den Titel als bester Nachwuchsschauspieler (8 Stimmen).
Zum Nachwuchsregisseur des Jahres (8 Voten) kürten die Kritiker den türkischstämmigen Berliner Ersan Mondtag mit seinem multimedialen, aber stummen Kammerspiel «Tyrannis», das als Produktion des Staatstheaters Kassel bereits beim Berliner Theatertreffen für Aufsehen gesorgt hatte.
Eine posthume Ehrung als bester Bühnenbildner (8 Stimmen) gab es für Bert Neumann von der Volksbühne - der langjährige Castorf-Begleiter war im vergangenen Jahr mit 54 Jahren gestorben. Auch das Gorki Theater holte eine wichtige zweite Auszeichnung: Yael Ronens Nah-Ost-Lehrstunde «The Situation» überzeugte als Stück des Jahres.
Bei der jährlichen Abstimmung können die Kritiker frei aus allen deutschsprachigen Inszenierungen wählen, es gibt keine engere Nominierungsliste. Die Ergebnisse sind deshalb breit gestreut, der Sieger und die nachfolgenden Plätze liegen oft nur eine Stimme auseinander.
Auch bei den Ärgernissen des Jahres zeigte sich eine große Bandbreite - sie reichen vom Rotstift in den Kulturetats bis zur Bemerkung «Die Wirklichkeit».