Berlin - Die Berliner Philharmoniker werden ab 2013 zu Ostern ein Festival mit dem Schwerpunkt auf szenische Opernaufführungen im Festspielhaus Baden-Baden beginnen. Das bedeutet den Abschied von den Salzburger Osterfestspielen, wie die Stiftung Berliner Philharmoniker am Freitagabend mitteilte.
Auf dem Programm werden neben der Opernproduktion Konzerte, Kammermusik- sowie Education-Projekte stehen. Die künstlerische Leitung der Oper und der Konzerte werde in den Händen der Stiftung Berliner Philharmoniker in Zusammenarbeit mit der Leitung des Festspielhauses Baden-Baden liegen. «Wir hatten seit 1967 eine wundervolle Zeit in Salzburg und freuen uns nun auf die Zukunft in Baden-Baden», sagte Martin Hoffmann, Intendant der Stiftung Berliner Philharmoniker.
Intendanz und Geschäftsführung der Osterfestspiele Salzburg reagierten mit Bedauern auf die Entscheidung: «Ich bedauere diese Entscheidung der Berliner Philharmoniker außerordentlich», sagte der geschäftsführende Intendant der Osterfestspiele, Peter Alward. «Die ursprünglichen Forderungen des Orchesters nach vier Opernaufführungen und einer deutlichen Ausweitung des Kammermusik- und Education-Spektrums konnten wir nach realistischer Betrachtung der finanziellen Verhältnisse leider nicht umsetzen.» Die Entscheidung für einen Umzug nach Baden-Baden habe man sich nicht leicht gemacht und sei nach reiflicher Überlegung im Rahmen einer Orchester-Vollversammlung gefallen.
Die Opernproduktionen für das künftige Festival in Baden-Baden werden jeweils Neuproduktionen sein. Damit soll Baden-Baden zukünftig der Ort sein, an dem die Berliner Philharmoniker Premieren von Opern-Neuproduktionen spielen. Die Kooperation mit dem Teatro Real in Madrid soll auch nach dem Umzug ins Festspielhaus Baden-Baden fortgeführt werden. «Wir brauchen für unsere Opern- und Konzertaktivitäten zu Ostern eine langfristig gesicherte Gesamtsituation, die uns das Festspielhaus Baden-Baden bieten kann. Auf dieser Grundlage wollen wir ein kreatives, lebendiges und für das Publikum erschwingliches Opernfestival entstehen lassen», sagte Olaf Maninger, Mitglied des Stiftungsvorstandes der Stiftung Berliner Philharmoniker.
Die Osterfestspiele Salzburg 2012 werden wie geplant mit zwei Aufführungen der Oper «Carmen» unter der Leitung von Sir Simon Rattle sowie Konzerten und den Kontrapunkten stattfinden. «Das Orchester freut sich, auf diesem Wege musikalisch Abschied von Ostern in Salzburg nehmen zu können», hieß es.
Der Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, Rattle: «Die ganze Stadt Baden-Baden freut sich auf die Berliner Philharmoniker und möchte dem Publikum eine perfekte Gastgeberin sein.»
Update
(Georg Etscheit – dapd) - Die Nachricht, für die Salzburger Osterfestspiele ab 2013 nicht mehr zur Verfügung stehen, kam spät und schlug in der Festspielstadt Salzburg wie eine Bombe ein. Für das traditionsreiche Hochglanzfestival ist damit praktisch die Geschäftsgrundlage entfallen. Hatte Herbert von Karajan die Osterfestspiele 1967 doch einzig zu dem Zweck ins Leben gerufen, seinen Berlinern in seiner österreichischen Geburtsstadt eine Plattform als Opernorchester zu geben.
Mit der Entscheidung der Berliner, Salzburg zu verlassen, stehen die Osterfestspiele möglicherweise vor dem Aus. Zumindest steht eine grundsätzliche Neuausrichtung an. «Ein wunderbares Kapitel Kulturgeschichte geht unter sehr bedauerlichen Umständen zu Ende», sagt die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller. Über die Entscheidung der Philharmoniker, Salzburg zugunsten von Baden-Baden zu verlassen, äußerte die SPÖ-Politikerin «Unverständnis und Enttäuschung». Ökonomische Aspekte hätten offenbar kulturelle Interessen ausgestochen, sagt sie. «Das ist letzten Endes zu akzeptieren, so bitter es auch ist.»
Doch die Osterfestspiele hatten in den vergangenen Jahren massiv an künstlerischer Relevanz eingebüßt. Über vier Spielzeiten hinweg war der gesamte Wagnersche «Ring des Nibelungen» nur als zweiter Aufguss des Festivals von Aix-en-Provence präsentiert worden. Dieses Jahr gab es zwar endlich wieder eine echte Neuinszenierung. Doch Stefan Herheims opulente und etwas aktivistische Deutung von Richard Strauss' «Salome» konnte Publikum und Kritik nicht wirklich überzeugen. Brillant agierten allein die Berliner Philharmoniker unter ihrem Chefdirigenten Sir Simon Rattle.
Peinlicher Finanzskandal
Zum künstlerischen Niedergang kam ein peinlicher Finanzskandal, in den nicht nur der frühere Geschäftsführer Michael Dewitte, sondern auch der Technikchef der Salzburger Festspiele, Klaus Kretschmer, verwickelt waren. Mit dem britischen Musikmanager Peter Alward wurde zwar rasch ein neuer Chef installiert, doch strafrechtlich aufgearbeitet ist der Skandal noch immer nicht.
Landeshauptfrau Burgstaller hatte die Aufarbeitung des Skandals zwar zur Chefsache gemacht und dem Festival eine neue organisatorische und finanzielle Grundlage gegeben. Doch offenbar war das Angebot aus Baden-Baden attraktiver.
Als Ursache für die Trennung wurde die Forderung der Philharmoniker nach einer deutlichen Ausweitung des Programms genannt, die die Osterfestspiele nach den Worten von Musikmanager Alward «nach realistischer Betrachtung der finanziellen Verhältnisse leider nicht umsetzen» konnten.
Künstlerischer Neubeginn
Das Ende der Kooperation mache nach dem organisatorischen nun auch einen künstlerischen Neubeginn der Osterfestspiele notwendig, sagt Burgstaller. Dabei kann sie offenbar auf die Unterstützung von Eliette von Karajan, Witwe des legendären Maestros, setzen, die verspricht, sich «mit aller Kraft und Energie, die mir geblieben ist» für eine Fortsetzung des Festivals «auf höchstem Niveau»
einzusetzen.
Abwanderungsgerüchte der Berliner Philharmoniker in Richtung Baden-Baden hatte es bereits in der Vergangenheit gegeben. Zuletzt stand dies Ende 2009 im Raum. Auch Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden will nicht recht glauben, dass die aktuelle Entscheidung so spontan fiel, wie es nach außen den Anschein hat. «Der Ausstieg war offensichtlich von langer Hand vorbereitet, wir wurden davon in keiner Weise informiert», sagt er.
Freuen kann sich indes der Intendant des renommierten Festspielhauses Baden-Baden, Andreas Mölich-Zebhauser. Er wird mit dem neuen Festival der Berliner Philharmoniker, dessen Schwerpunkt auf szenischen Opernneuproduktionen liegen soll, das Profil seines Hauses auch als Bühne für künstlerische Eigenproduktionen weiter schärfen können. Die Entscheidung sei ein «Meilenstein für die Entwicklung des noch jungen Festspielhauses Baden-Baden», jubiliert der Vorsitzende des Stiftungsvorstandes der Kulturstiftung Festspielhaus Baden-Baden, Horst Weitzmann.
Einstand mit Parsifal
2013 soll Rattle in Baden-Baden mit Richard Wagners «Parsifal» seinen Einstand geben. Olaf Maninger aus dem Stiftungsvorstand der Berliner Philharmoniker wünscht sich in der Kurstadt ein «kreatives, lebendiges und für das Publikum erschwingliches Opernfestival». Es wäre in etwa das Gegenteil dessen, was in den vergangenen Jahren in Salzburg zu beobachten war: Ein künstlerisch auf der Stelle tretendes, programmatisch verarmtes Mini-Festival, das wegen exorbitanter Kartenpreise einer kleinen Schicht von Reichen vorbehalten war und mehr und mehr den Charakter einer geschlossenen Veranstaltung annahm.