Seit 1991 zeichnet die Jeunesses Musicales Deutschland Künstler, Ensembles und Projekte, die Werte und Zielsetzungen des Fachverbandes für Jugendorchester vorbildhaft erfüllen, mit dem Würth-Preis aus. Im zwanzigsten Jahr seines Bestehens ging der Preis an das erste unter den Jugendorchestern, das Bundesjugendorchester, von Insidern seit jeher kurz BJO genannt. Es zählt zu den erfolgreichsten Fördermaßnahmen des Deutschen Musikrats: Mehr als 2.500 Musiker haben seit 1969, dem Gründungsjahr, das BJO durchlaufen, mehr als 600 von ihnen sind Profimusiker geworden. In seiner Laudatio würdigte der Intendant des Kurt Weill Fests Dessau, Michael Kaufmann, das Orchester als das „Aushängeschild der musikalischen Nachwuchsförderung auf höchstem Niveau“.
Jeunesses-Vizepräsidentin Barbara Haack hob darüber hinaus hervor, dass das BJO mehr als eine Talentschmiede für Nachwuchsmusiker sei, sondern den jungen Menschen Werte wie „Begeisterungsfähigkeit, Liebe zu Qualität, authentische Hingabe und individuelle Verantwortung im Kontext einer Teamleistung“ vermittle.
Der amerikanische Dirigent Carl St. Clair hatte die Aufgabe übernommen, mit den jungen Musikern den Festakt zu gestalten, und hatte zu diesem Zweck ein spezielles Sandwich-Programm konzipiert, in dessen Mitte die Preisverleihungszeremonie steckte. Die Eröffnung machte ein kurzweiliges Auftragswerk des Schweizer Komponisten Daniel Schnyder: Dessen „Concerto Grosso for Clarinet, Trumpet, Trombone and Orchestra“ war in seiner Formen- und Stilvielfalt der Versuch einer zeitgenössischen Symphonie Fantastique.
Die drei Solisten, Martin Spangenberg, Wolfgang Bauer und Henning Wiegräbe, bettete Schnyder ganz ein in die symphonische Struktur und machte damit gewissermaßen das Orchester zum Solisten. Viel forte-Schlagwerk, manche Jazz-Synkope sowie Reminiszenzen an Populäres und Folkloristisches hielten das Publikum in gespannter Erwartung, aber letztlich fehlte das entscheidende Quäntchen Fantastik, damit aus Unterhaltsamem Neues wurde. Das Original von Berlioz, die Symphonie Fantastique op. 14, wurde dann zur wahren Demonstration des Könnens und der leidenschaftlichen Hingabe der jungen Musiker an ihr Metier. St. Clair und sein BJO „überwältigten“ in der Kuppel des Konzertsaales der Musikhochschule Stuttgart das Publikum mit feinsten Nuancen, vollem Streicherklang und Ausdruckswillen.
Die Repräsentationspflichten eines derartigen Klangkörpers wie des Bundesjugendorchesters sind gewissermaßen die andere Seite einer kulturpolitisch gewollten Spitzenförderung. Das BJO war als kultureller Botschafter Deutschlands etwa bei der Eröffnung der Generalversammlung des Internationalen Musikrates in Peking tätig, dann im Rahmen des Projektes „20 Jahre Mauerfall und 60 Jahre Grundgesetz“, spielte aber auch im Vorprogramm der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika.
In diesem Jahr ist neben Konzerten mit Sir Simon Rattle noch eine Reise nach Venezuela geplant, wo das BJO auf die Sinfónica de la Juventud Venezolana Simón Bolívar, das staatliche Jugendsinfonieorchester von Venezuela, trifft. Auch in früheren Jahrhunderten galt schon: Ohne Kulturaustausch kein Musikleben. In einer globalisierten Welt ist dieser Austausch wichtiger denn je, und man kann sich wohl kaum geeignetere Diplomaten vorstellen als junge, begabte Menschen, deren Muttersprache die universelle Sprache der Musik ist.