London/Stockholm - Björn Ulvaeus ist ein legendärer Songschreiber und ein erfolgreicher Geschäftsmann. Unter den vielen Projekten des Abba-Stars sind ein «Pippi Langstrumpf»-Musical und eine Software für Musiker. Gespannt beobachtet Ulvaeus die Entwicklung künstlicher Intelligenz.
Als er kürzlich als Keynote-Sprecher bei der Digitalkonferenz DLD in München auftrat, räumte Björn Ulvaeus zuerst einen Verdacht aus der Welt. «Wenn ich solche Dinge heute mache, muss ich dem Publikum versichern, dass ich hier wirklich selbst stehe», scherzte der 77-Jährige. «Jeder sollte einen Abba-tar haben.» Zur Zeit sieht man Ulvaeus nämlich täglich in London mit seiner Band Abba auf der Bühne stehen, allerdings eben nicht wirklich.
In der spektakulären Konzertshow «Abba Voyage», für die eine eigene, hochmoderne Arena gebaut wurde, sind die vier Mitglieder des schwedischen Pop-Phänomens - Björn, Benny, Agnetha und Frida - als voll animierte, digital verjüngte Versionen zu sehen, die Welthits wie «Dancing Queen», «Waterloo» und «Knowing Me, Knowing You» singen. Diese sogenannten «Abba-tare», deren Gesang vom Band kommt und die von einer echten Liveband begleitet werden, wirken täuschend echt.
Ulvaeus interessiert sich leidenschaftlich für neue Technologien. «Ich verfolge das alles sehr genau», sagt er im Zoom-Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in London. Besonders ChatGPT, eine Chatsoftware, in der eine künstliche Intelligenz Fragen der Nutzer beantwortet, fasziniert ihn. Zumal das auch Auswirkungen auf die Musikindustrie haben werde. «Künstliche Intelligenz wird Lieder schreiben, die besser sind, als einige der rund 100 000 Songs, die jeden Tag neu bei Spotify erscheinen. Da bin ich mir absolut sicher.»
Kaum vorzustellen, dass ein Computer einen Song wie «The Winner Takes It All» oder «Chiquitita» schreibt, oder? «Es könnte so unglaublich gut werden, dass es eine Bedrohung (für Songwriter) wird. So gut, dass die Leute gar nicht merken, dass es künstlich ist», sagt Ulvaeus, der allerdings nicht erwartet, dass künstlich erzeugte Songs das Niveau der besten Songwriter erreichen können.
«Andererseits kann es nur etwas Durchschnittliches werden», fügt er hinzu. Das bedeute, Künstler müssten sicherstellen, dass ihre Musik heraussticht, und etwas Unerwartetes wagen. «Und das ist vielleicht gut», meint Ulvaeus. «Denn wenn man sich jetzt die neuen Songs auf Spotify und so anhört, dann klingen die doch alle ziemlich ähnlich.»
In München war der Abba-Star aufgetreten, um eine Software vorzustellen, die sicherstellen soll, dass Songwriter die ihnen zustehenden Tantiemen und damit eine gerechte Bezahlung bekommen. Wegen fehlender oder fehlerhafter Daten sei das oft nicht der Fall. «Ich möchte, dass zukünftige Songwriter dieselbe Chance haben wie Benny und ich damals», so Ulvaeus. «Da ich von Herzen Songwriter bin, ist das etwas, wo ich sehr engagiert bin.»
Als er vor rund 50 Jahren mit Benny Andersson die Musik für Abba schrieb, sei alles einfacher gewesen. Nur dank Tantiemen hätten sie als Komponisten reifen können. Dass die Musik von Abba dann allerdings so populär wurde und noch immer so viele Menschen begeistert, ist Björn Ulvaeus ein Rätsel. Er lacht. «Ich werde oft gefragt, woran das liegt, aber ich weiß es wirklich nicht.»
Natürlich helfen Projekte wie «Abba Voyage», die Musik am Leben zu halten. Mehrere Jahre Arbeit flossen in die revolutionäre Show, bevor im vergangenen Mai in Anwesenheit der vier echten Abba-Stars die umjubelte Weltpremiere in London stattfand - rund 40 Jahre, nachdem das Quartett zuletzt gemeinsam ein Konzert gegeben hatte.
Trotzdem sei er nicht nervös gewesen, sagt Ulvaeus gut gelaunt im dpa-Gespräch. «Zu dem Zeitpunkt hatte ich die Show schon einige Male mit (Test-)Publikum gesehen und wusste, dass es funktioniert. Ich war also ziemlich entspannt für einen Eröffnungsabend, habe da gesessen und es genossen.»
Die Premiere war ein voller Erfolg. Einige Menschen im Publikum hatten Tränen in den Augen. Das schwedische Königspaar - König Carl Gustaf und Königin Silvia waren privat dort - tanzte auf der Tribüne. «Es war eine nette Geste, dass sie gekommen sind», sagt der Musiker. «Ich habe ein bisschen mit ihnen geplaudert und sie waren sehr begeistert. Sie haben den Abend genossen.»
Mit der Zeit soll «Abba Voyage» ein wenig verändert und manche Songs sollen ausgetauscht werden. London ist laut Ulvaeus nur der Anfang. Der 77-Jährige arbeitet gegenwärtig daran, dass es das Konzertspektakel bald auch in Las Vegas und Singapur gibt. «Vielleicht noch in Südamerika. Mal sehen.»
Abba-Fans in Deutschland dürfen sich auf «Mamma Mia! The Party» freuen. Die von Ulvaeus kreierte Dinner-Show, die auf dem Musical «Mamma Mia!» basiert, läuft schon seit einer Weile in Göteborg und London - und soll nun nach Deutschland kommen. «Es könnte in Köln sein, es könnte in Hamburg sein oder in Berlin», sagt er. «Wir haben nur noch nicht die richtige Location dafür gefunden.»
Abba ist derzeit nicht das einzige Projekt des legendären Songwriters und vielbeschäftigten Geschäftsmanns. Das von ihm geschriebene «Pippi Langstrumpf»-Musical «Pippi på cirkus» (Pippi im Zirkus), das auf einer Geschichte von Astrid Lindgren basiert, soll im Sommer wieder in Stockholm gezeigt werden - und langfristig nicht nur dort. «Definitiv in Deutschland», versichert Ulvaeus. «Ich habe dort schon mit Leuten gesprochen und es gibt echtes Interesse.»
Langweilig wird der schwedischen Popikone in nächster Zeit also nicht werden. Am Ende seines DLD-Vortrags scherzte Björn Ulvaeus, er habe sich die besten Anekdoten aus seiner Zeit als Popstar und seiner Ehe mit Agnetha für seine Memoiren aufgespart. «Ich mache es wie Prinz Harry», sagte er unter dem Gelächter der Anwesenden. «Als ob!» Ein Enthüllungsbuch ist von ihm bis auf Weiteres wohl nicht zu erwarten.