Berlin - Nach der Bundestagswahl stellen sich alle Parteien auf einen langwierigen Machtpoker ein. Auch in der Kulturpolitik wird es bis zur Regierungsbildung eine Hängepartie geben. Dennoch beginnen hinter den Kulissen bereits die Personalspekulationen. Wer könnte in der künftigen Koalition von Bundeskanzlerin Angela Merkel für Kultur und Medien verantwortlich zeichnen? Und was bedeutet das Ausscheiden der FDP für die Kreativszene?
Sicher ist nur: Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) bleibt im Amt, bis die neue Regierung steht. Der 71-jährige Bremer hat es sich vor der Wahl offen gehalten, ob er nach acht Jahren als «Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien», so sein offizieller Titel, für eine weitere Legislaturperiode zur Verfügung steht.
Merkel weiß den guten Ruf zu schätzen, den der erfahrene Strippenzieher bei vielen Kulturschaffenden hat. Das würde für eine Verlängerung seines Dienstvertrags sprechen. Allerdings hat Neumann auf eine neuerliche Kandidatur für den Bundestag verzichtet. Wie seine Vorgänger gezeigt haben, ist ein Parlamentsmandat für das Amt zwar kein Muss. Es kann aber zusätzliches Gewicht verleihen. Zugleich gibt es in der Fraktion auch jüngere ambitionierte Kulturpolitiker. Und die Zahl der Posten ist begrenzt.
In den Startlöchern steht schon seit längerem Monika Grütters, die als Vorsitzende des Kulturausschusses mit den anstehenden Themen bestens vertraut ist. Die 51-Jährige war Spitzenkandidatin der CDU in Berlin und hatte wegen ihres fest von den Linken abonnierten Wahlkreises im Osten der Stadt (Marzahn-Hellersdorf) lange um den Wiedereinzug ins Parlament gezittert. Mit dem brillanten CDU-Ergebnis schaffte sie den Sprung dann aber locker über die Liste.
Sollte es - was zunächst ja als wahrscheinlichere Lösung gilt – zu einer großen Koalition kommen, stünde mit der derzeitigen Bildungsministerin Johanna Wanka (62) möglicherweise jedoch eine zweite ausgewiesene CDU-Fachfrau im Ring. Denn die SPD würde sich nach Einschätzung von Beobachtern wohl um Wankas Ministerium bewerben - ihr traditionelles Lieblingsressort. Die bisherige Amtschefin Wanka, Nachfolgerin von Annette Schavan, verlöre schon nach wenigen Monaten wieder ihr Ministeramt.
Die Verantwortung für die Bundeskultur wäre dann, wenn auch im Staatssekretärsrang, zumindest ein Ersatz - immerhin hat Wanka insgesamt 13 Jahre Erfahrung als Landeskulturministerin, zunächst in Brandenburg und dann in Niedersachsen. Weiterer Pluspunkt fürs Kabinettspuzzle: Sie ist eine Frau aus dem Osten.
Der Deutsche Kulturrat, die Dachorganisation von mehr als 200 Kulturverbänden, hofft allerdings auf eine andere Lösung. «DieKulturpolitik muss auf Bundesebene endlich mit einem richtigen Ministerium vertreten sein», sagte Geschäftsführer Olaf Zimmermann der Nachrichtenagentur dpa. Er hofft, dass sich die SPD in einem Bündnis mit der CDU diese Forderung des Kulturrats auf die Fahnen schreibt.
Der Mann dafür stünde schon bereit. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hatte für diesen Bereich den 55-jährigen Kulturmanager Oliver Scheytt aus Essen in sein Schattenkabinett berufen. Natürlich könnte der rote Gefolgsmann kaum in Merkels Kanzleramt wechseln - dort ist das Amt des Kulturstaatsministers bisher angesiedelt. Gäbe es jedoch ein eigenständiges Haus, würden die Karten neu gemischt.
In jedem Fall erwarten sich viele Kulturschaffende nach dem spektakulären Scheitern der FDP neue Bewegung in Sachfragen. Die Liberalen hatten in der schwarz-gelben Koalition bei wichtigen Anliegen wie der Sicherung der Künstlersozialkasse und der Reform des Urheberrechts erheblich auf die Bremse getreten. Sowohl mit der SPD wie auch mit den Grünen hätte die Union hier deutlich mehr Gemeinsamkeiten. Aber wie gesagt: Bis zur Partnerkür kann es noch ein recht langer Weg sein.
Nada Weigelt