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Böse Composer, gute Komponisten?

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Vorsicht: Composers Club – vom Leben nach der GEMA-Aufsichtsratswahl
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Bei der Lektüre einiger aktueller Beiträge über die neue Zusammensetzung des GEMA-Aufsichtsrats mag den einen oder anderen Leser das mulmige Gefühl beschlichen haben, das Ende der abendländischen Kultur – und zwar insbesondere der E-Musik – stünde unmittelbar bevor.

W as ist passiert? Bei den Wahlen zum GEMA-Aufsichtsrat im vergangenen Sommer hat sich die Versammlung der Komponisten mehrheitlich für sechs Vertreter entschieden, von denen fünf Mitglied im „Composers Club“ (CC), dem Verband der deutschen Auftragskomponisten, sind. Eine weitere, wesentliche Änderung besteht darin, dass die E-Musik erstmalig nur noch durch einen Komponisten vertreten ist (sowie einen weiteren als Stellvertreter). Nur eines scheint beim Alten geblieben: Alle sechs Vertreter der Komponistenkurie im GEMA-Aufsichtsrat sind wie seit jeher – unabhängig davon, ob nun im Composers Club oder nicht – Mitglied im Deutschen Komponistenverband (DKV).

Obwohl der neue Aufsichtsrat ganz offensichtlich in keiner Weise eine wie auch immer geartete Benachteiligung der E-Musik verfolgt, sitzt der Schock bei einigen offenbar tief: E-Komponist Moritz Eggert spricht in seinem Beitrag in der neuen musikzeitung von einem „Thronsturz zu Ungunsten der E-Musik“ durch „die perfekt vorbereitete Inszenierung der Wahl durch den Composers Club“. Karl Heinz Wahren, E-Komponist, seines Zeichens DKV-Präsident und ehemaliger (weil nicht wiedergewählter) GEMA-Aufsichtsrat warnt seine Mitglieder in seinem aktuellen Leitartikel in der DKV-Verbandszeitschrift „Informationen“ wie folgt: „Mit dem vom Composers Club kollektiv vertretenen neoliberalen Marktfundamentalismus, der alles ausschließlich produktorientiert aus dem Blickwinkel der eigenen Gewinnmöglichkeiten sieht, werden von diesen Gentlemen die immerhin noch teilweise funktionierenden solidarischen Strukturen der GEMA völlig zerstört, vom totalen Fehlen eines künstlerisch-humanistischen Denkens nicht zu reden.“

Starker Tobak. Unter den so Gescholtenen finden sich immerhin so klangvolle Namen wie Klaus Doldinger, Enjott Schneider, Manfred Schoof oder Martin Böttcher. Auch Dieter Schleip, Preisträger des Deutschen Fernsehpreises 2003, ist „CC“-Mitglied. Die gerade einmal 185 Mitglieder (Tendenz allerdings stark steigend) leisten einen nicht unwesentlichen kulturellen Beitrag zum musikalischen Erscheinungsbild unserer Film-, Funk- und Fernsehlandschaft. Die meisten von ihnen sind übrigens schon seit langem ebenso Mitglied im Deutschen Komponistenverband (einige sogar im Vorstand) und es steht zu vermuten, dass sich der Composers Club Anfang der 90er-Jahre gar nicht erst gegründet hätte, wenn sich der „große Bruder“ DKV stärker auch um die Interessen der jungen, kritischen Kollegen in den neuen, stark wachsenden Musiksparten gekümmert hätte.

Seit seiner Gründung ist von verschiedenen Seiten immer wieder versucht worden, den Composers Club mit teilweise absurden Behauptungen und Verschwörungstheorien zu diskreditieren, ohne sich hierbei ernsthaft mit dessen berechtigten Anliegen zu befassen. So haben sich in dem knapp 400-seitigen Werk „Musik hat ihren Wert“ zum hundertjährigen Bestehen der GEMA zahlreiche Gegner des CC zu Wort melden dürfen – eine Stellungnahme von Seiten des Composers Club sucht man allerdings vergeblich. „Der CC – ein Verein von Spitzbuben?“ – zu diesem Schluss mag aufgrund der sehr einseitigen Darstellungen manch ein Leser des Buches gelangt sein. Zum Festakt anlässlich des runden GEMA-Jubiläums fand sich auch folgerichtig unter den 900 Geladenen kein einziger offizieller Vertreter des Composers Club. Lange hat es gedauert, bis der CC als ernst zu nehmender Gesprächs- und Verhandlungspartner überhaupt wahrgenommen wurde.

Festzuhalten bleibt: Bei der Wahl zum GEMA-Aufsichtsrat am 24. Juni 2003 ging alles mit rechten Dingen zu. Die Komponisten wählten die sechs Kandidaten mit den meisten Stimmen ins Amt, und zwar schlicht gemäß GEMA-Satzung und jener neuen Wahlordnung, die sie noch im Vorjahr mit großer Mehrheit, also auch mit den Stimmen der E-Komponisten, beschlossen hatten. Ganz einfach – und übrigens ganz im Gegensatz zum bisher „gewohnheitsmäßig“ angewendeten (wenngleich nie von der Mitgliederversammlung beschlossenen) Wahlverfahren der vergangenen Jahre, das von vornherein ein Verhältnis von je drei U- und drei E-Komponisten unabhängig von der auf sie entfallenden Stimmanzahl vorsah.

Den Ausgang der Wahlen ausschließlich auf das Stimmverhalten der CC-Mitglieder zurückzuführen wäre eine starke Übertreibung, denn diese waren in der Versammlung klar in der Minderzahl. Das Wahlergebnis mag vielmehr Ausdruck dafür gewesen sein, dass sich die überwiegende Mehrheit der Komponisten unabhängig von ihrer Verbandszugehörigkeit eine personelle Veränderung ihrer Interessenvertretung im Aufsichtsrat gewünscht hat. Dies zu akzeptieren fällt offenbar nicht jedem leicht. Und so verdächtigt manch einer auf der Suche nach möglichen Drahtziehern einmal mehr die im Composers Club vertretenen Werbekomponisten, die, so wird gemunkelt, den Wechsel im Aufsichtsrat herbeigeführt hätten, um drohende Kürzungen ihrer vermeintlich phantastischen GEMA-Tantiemen zu verhindern. Das ist jedoch schwer nachvollziehbar, hat doch ausgerechnet der CC den aktuellen Beschluss der GEMA-Mitgliederversammlung mit dem Inhalt einer so genannten „Deckelung“ der Verrechnungshöhe für TV-Werbespots mit vorbereitet und mehrheitlich unterstützt. Exorbitante GEMA-Ausschüttungen für ausgesprochene „Werbe-Hits“ sind seitdem nicht mehr möglich.

Im Übrigen ist von den amtierenden sechs Aufsichtsräten kein einziger in erster Linie Werbekomponist. Wozu also die Aufregung?

Der Versuch, E-Musik und Composers Club als zwei gegnerische Lager zu positionieren, ist durchsichtig und wenig hilfreich. Der CC als natürlicher Feind der E-Musik? Wohl kaum. Ob die Gegner der E-Musik nun wirklich so zahlreich sind, wie von einigen befürchtet, sei dahingestellt. Der Composers Club zählt zumindest nicht dazu und steht demnach als Feindbild nicht zur Verfügung.

Hier wünscht man sich vielmehr, dass sich die Gemeinschaft der Komponisten endlich auf die Suche nach Lösungen tatsächlicher Probleme machte. Eine möglichst umfassend legitimierte und respektierte Komponistenvertretung im GEMA-Aufsichtsrat wäre hierbei von großem Nutzen. Schon aus diesem Grund stünde es allen Beteiligten gut an, das mehrheitliche Votum nun endlich zu akzeptieren und den neuen Aufsichtsräten ihr Vertrauen zu schenken. Ganz gleich, ob E oder U.

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