Der Deutsche Bühnenverein hat sich in seiner Hauptversammlung 2014, die vom 13. bis zum 14. Juni 2014 in Mannheim stattgefunden hat, mit dem Verhältnis zwischen „Ökonomie und Kunst“ befasst. Anlass dafür sind politische Vorgänge, die Kunst und Kultur zunehmend ökonomischen Zwängen zu unterwerfen drohen.
Zu nennen sind die Verhandlungen des geplanten Handels- und Investitionsabkommens TTIP zwischen der USA und Europa, die Erfassung der öffentlichen Kulturfinanzierung der Länder und Kommunen in Deutschland durch die Subventionsregelungen der EU, die stark kulturwirtschaftliche Ausrichtung des EU-Kulturförderprogramms „Creative Europe“ sowie die Neigungen insbesondere der Bundespolitik, die Kunst in den Zusammenhang mit der Kulturwirtschaft zu stellen. All diesen Tendenzen tritt der Deutsche Bühnenverein entschieden entgegen.
Autonomie der Kunst
In einem Einführungsvortrag stellte der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Klaus Zehelein, die Autonomie der Kunst in den Vordergrund und hob hervor, dass es in der Kultur – anders als in der Ökonomie – nicht um Effizienzsteigerung und Nützlichkeitserwägungen gehe. Er unterstrich: „Die Kunst ist ein experimentelles Spiel jenseits der eingeübten Praxis von der Ökonomie gesteuerten menschlichen Verhaltens. Sie diene dem wechselseitigen Verstehen des jeweils anderen und so dem sozialen Zusammenhalt.“ Bühnenvereins-Direktor Rolf Bolwin ergänzte dies mit der Forderung nach einer klaren Abgrenzung zwischen der Kulturwirtschaft und den Künsten. Alles, was dem Erhalt der kulturellen Vielfalt diene – von der öffentlichen Kulturförderung bis zur Buchpreisbindung –, müsse vor einem rein ökonomischen Zugriff bewahrt werden. Aus seiner Sicht sei es widersprüchlich, dass die EU einerseits versuche, die öffentliche Kulturfinanzierung in die Nähe von Staatssubventionen zu rücken, andererseits aber selbst nicht die Künste fördern wolle, sondern die Kulturwirtschaft. „Von der EU erwarten wir ein klares Bekenntnis zu den künstlerischen Leistungen, die in allen Ländern Europas erbracht werden“, sagte Bolwin.
Ökonomie und Kunst
In zwei Referaten befassten sich Philipp Holzheid, Beauftragter des Bundesrates im Kulturausschuss der EU, und Christoph Backes, Geschäftsführender Vorstand des u-instituts mit dem zentralen Thema der Hauptversammlung „Ökonomie und Kunst“. Das u-institut ist ein Netzwerk von Experten, das sich der Entwicklung des unternehmerischen Denkens und Handelns in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur widmet.
Holzheid analysierte das „Kulturverständnis auf EU-Ebene“. Er machte deutlich, wie sehr sich insbesondere Frankreich und Deutschland um die Wahrung kultureller Interessen in der EU bemühten. Dabei werde das Ziel verfolgt, einer zunehmenden Verquickung von Zielen klassischer Kulturpolitik mit Zwecken der Wirtschaftspolitik entgegenzuwirken.
In seinem Vortrag „Das Spannungsverhältnis zwischen Kreativwirtschaft und Kunst“ bekannte sich Backes eindeutig zur öffentlichen Kulturfinanzierung. Er hob hervor, dass die Kulturwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sei, plädierte aber für mehr Offenheit der Künste bezogen auf die kreative Entwicklung neuer Produkte der Wirtschaft. „Kunst und neue Ökonomie brauchen sich“, so Backes.
TTIP
In einer anschließenden lebhaften Diskussion wurde von den Teilnehmern der Hauptversammlung unmissverständlich das Primat der Kunst bei allen kulturpolitischen Aktivitäten der EU und des Bundes gefordert. Dass in Zukunft Kulturzuschüsse der öffentlichen Hand über 50 Millionen Euro an ein Theater oder Orchester in Brüssel einem Notifizierungsverfahren unterworfen werden sollen, in dem geprüft werde, ob sie subventionsrechtlich unbedenklich seien, zeige, wie sehr sich einerseits das wirtschaftliche Denken in der Kulturpolitik der EU durchsetze. Andererseits bemühe sich auch die EU, die öffentliche Kulturförderung in den Ländern der EU zu sichern. Umso mehr müsse die EU die Verhandlungen über das US-amerikanisch-europäische Handels- und Investitionsabkommen TTIP solange aussetzen, bis die USA mit einer Ausnahmeregelung für die Kultur einverstanden sind.
„Dass Kultur in diesem Abkommen als Ware behandelt wird und darüber die europäische Kultur ins Wanken gerät, muss für uns alle ausgeschlossen werden“, stellte Zehelein klar.