Berlin/Düsseldorf - Am Düsseldorfer Schauspielhaus wird über Rassismus diskutiert, an der Berliner Volksbühne ging es um #MeToo-Vorwürfe. Auch an anderen Häusern gibt es Debatten. Wie groß sind die Probleme in der Theaterszene?
Der Deutsche Bühnenverein sieht einen Bewusstseinswandel in der Theaterlandschaft. In der Öffentlichkeit war zuletzt mehrfach über Diskriminierung an Theatern diskutiert worden. «Ich habe den Eindruck: Da kommt eine Menge in Gang», sagte der Geschäftsführende Direktor Marc Grandmontagne der Deutschen Presse-Agentur. Das habe sicherlich auch mit einem Generationenwechsel zu tun.
Es komme eine neue Generation von Künstlerinnen und Künstlern in die Häuser, sagte Grandmontagne. Sie hätten ein anderes Hinterfragen von Strukturen und Hierarchien, vielleicht auch eine größere Bereitschaft ins Risiko zu gehen. Zudem sei eine Sensibilisierung zu verzeichnen, etwa im Hinblick auf Diversität, Rassismus, Genderfragen.
Am Düsseldorfer Schauspielhaus sollen Rassismusvorwürfe mit externer Hilfe aufgearbeitet werden. Das Ensemblemitglied Ron Iyamu hatte kritisiert, rassistische und sexistische Strukturen seien am Schauspielhaus ein Dauerzustand. Auch am Berliner Staatsballett hatte eine Tänzerin Rassismus beklagt. An der Berliner Volksbühne war der Intendant nach Vorwürfen mehrerer Frauen zurückgetreten. Auch am Maxim Gorki Theater wird über das Arbeitsklima diskutiert.
Grandmontagne sieht eine Verschiebung an Theatern und hofft auf einen offeneren Umgang. «Was uns immer wieder begegnet, ist die Äußerung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sagen, es gebe eine große Angst, solche Dinge anzusprechen.» Es gebe auch das große Wort vom «Klima der Angst». Er habe den Eindruck, dass es nun eine größere Bereitschaft gebe, Unmut und Kritik auch zu äußern.
Zuletzt wurde öfter über Strukturen an Theatern, befristete Verträge und die Macht von Intendanten gesprochen. Seit der #MeToo-Bewegung, die sexuelle Gewalt und Machtmissbrauch thematisiert hat, gibt es in Deutschland die Vertrauensstelle Themis. Dort können sich Menschen melden, die sexuelle Belästigung etwa beim Film oder Theater erleben.
Nach Angaben der Berliner Senatskulturverwaltung sind in der Bühnen- und Orchesterszene der Hauptstadt in den vergangenen Jahren fünf Fälle oder Vorwürfe bekanntgeworden, bei denen Machtmissbrauch beziehungsweise diskriminierendes Verhalten im Raum standen. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage des Grünen-Politikers Daniel Wesener im Abgeordnetenhaus hervor, die der dpa vorliegt.
Gemeinsam sei fast allen unterschiedlichen Fällen, die in den letzten Jahren in Berlin öffentlich geworden seien, das «System Stadttheater», sagte Wesener dem «Tagesspiegel». Das Problem sei eine Betriebsstruktur, in der große individuelle Machtfülle, persönliche Abhängigkeitsverhältnisse und ein extremer Leistungsdruck zusammenkämen.
Beim Bühnenverein melden sich nach Angaben Grandmontagnes immer mal wieder Betroffene, obwohl sie als Arbeitgeberverband nicht die erste Adresse seien. «Da begreifen wir uns natürlich als einen Teil», sagte Grandmontagne. Auch im Bühnenverein gebe es Debatten, etwa zur Frage, wer bisher Teil der Diskussion sei und wer nicht.
Die meisten Diskussionen würden sich derzeit an Intendantinnen und Intendanten abarbeiten. «Aber es gibt natürlich noch mehrere Ebenen im Theater. Es gibt noch Geschäftsführer, Verwaltungsleiter und ganz wichtig auch für uns als Bühnenverein - es gibt natürlich die Politik und die Rechtsträger», sagte Grandmontagne. Da könne man schauen, wie man Vorschläge zusammen ausarbeite.
Die Themen beschäftigten ja nicht exklusiv Theater, sondern seien gesamtgesellschaftliche Themen. «Wir kriegen es ja nur gelöst, wenn jeder Einzelne und jede Einzelne auch eine Rolle spielt», sagte Grandmontagne. Vom Pförtner über künstlerische Mitarbeiterinnen bis hin zu Aufsichtsräten und Kommunalpolitik.
«Denn viele Dinge, die man gesellschaftspolitisch gerne ändern würde, sowas wie Familienfreundlichkeit, das kriegen sie niemals alleine in einem Theater durch. Das kostet Geld, das kostet Kapazitäten. Es braucht auch einen inneren Kulturwandel.» Da brauche man eine Bewegung - «und ich glaube, die kommt in Gang an vielen Fronten».
«Ich hoffe, dass man aus den Dingen, die da jetzt passieren, lernt. Dass wir an jedem Haus, an jedem Theater in eine Kultur des Dialogs reinkommen», sagte Grandmontagne. «Dass - wenn es Probleme gibt im gegenseitigen Umgang - auch die Bereitschaft besteht, von Seiten der der Leitung diese auch anzusprechen, anzugehen und sich dabei natürlich nicht selber auszusparen.»