Lübeck - Sexuelle Gewalt, Digitalisierung, mehr Frauen in Führungspositionen: Diese Themen stehen zur Jahreshauptversammlung des Deutschen Bühnenvereins im Fokus. 300 Teilnehmer aus ganz Deutschland treffen sich vom 7.-9. Juni in Lübeck, wo ein Wertekodex gegen sexuelle Belästigung und Gewalt beschlossen werden soll.
Der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Ulrich Khuon, hat an die Theater appelliert, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. «Ob Geschlechtergerechtigkeit, #MeToo-Debatte, Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder die Auswirkungen der Digitalität auf unsere Häuser - es geht um einen Kulturwandel, den wir alle mitgestalten müssen», sagte Khuon am Freitag bei der Eröffnung der Jahreshauptversammlung des Bühnenvereins im Lübecker Theater.
300 Teilnehmer aus ganz Deutschland - Intendanten, Verwaltungsdirektoren und Kulturpolitiker - sind dabei, «so viele wie noch nie», sagte Khuon. «Das ist eine gute Basis für die zahlreichen Aufgaben, die die Theater und Orchester nur gemeinsam bewältigen können.» Dem Bühnenverein gehören rund 100 Orchester und 217 Theater an, davon 74 Privattheater. Nach Angaben des Bühnenvereins liegen die Besucherzahlen der öffentlich getragenen Theater seit Jahren nahezu unverändert bei rund 21 Millionen im Jahr.
Schleswig-Holsteins Kulturministerin Karin Prien (CDU) lobte den Bühnenverein für seine Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung und Gewalt im Kulturbereich. Der Wertekodex, der in Lübeck verabschiedet werden soll, sei «ein wichtiges Signal», sagte Prien bei der Eröffnung.
Ebenso richtig sei es, mit der bereits auf den Weg gebrachten unabhängigen Beratungsstelle auch ein konkretes Angebot zu schaffen. Verbände und Gewerkschaften der Film- und Fernsehbranche hatten Ende Mai gemeinsam mit Vertretungen der Produzenten, Sender, Theater und Orchester in Deutschland einen Verein als Träger für eine unabhängige Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt gegründet. Die Vertrauensstelle solle bereits in einigen Wochen in Berlin errichtet werden, sagte eine Bühnenvereinssprecherin. Im Zusammenhang mit der #Me too-Bewegung seien auch in einigen Theatern Belästigungsvorwürfe bekanntgeworden, hatte der Geschäftsführende Direktor des Bühnenvereins, Marc Grandmontagne, kürzlich berichtet. Mit dem Kodex und der Vertrauensstelle wolle man für alle Beteiligten Vertrauen schaffen.
Auf der Tagung spielt auch das Thema Geschlechtergerechtigkeit eine große Rolle - nur rund 20 Prozent der Führungspositionen in Theatern und Orchestern sind mit Frauen besetzt. Prien forderte den Bühnenverein auf, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen: «Da gibt es eindeutig etwas aufzuholen, setzen Sie es um!»
Ein weiterer Schwerpunkt der Jahreshauptversammlung, die zum zweiten Mal nach 1961 in Lübeck stattfindet, ist die Digitalisierung. Dieser gesellschaftlicher Prozess wird nach Ansicht Grandmontagnes die Arbeit der Theater und Orchester nachhaltig verändern. So sei es denkbar, dass künftig Orchester statt aus gedruckten Noten aus elektronischen Partituren spielten. Die Digitalisierung biete auch neue Möglichkeiten, das Publikum durch interaktive Elemente einzubeziehen - eine Chance, gerade jüngeres Publikum zu erreichen.
Prien warnte davor, den digitalen Wandel mit einem Mode-Schlagwort wie «Kultur 4.0» abzuhaken. «Das lenkt ab von der enorm wichtigen Funktion der Kultur, nämlich der Reflexion.» Sie sollte Zusammenhänge bilden, Kritik artikulieren und Werte diskutieren. «Kunst und Kultur, ganz vorne das Theater, haben die Kraft, eine Gesellschaft zu hinterfragen.» Die «klassischen Künste» spielten in der Digitalwelt eine fundamentale Rolle. Prien forderte einen «Digitalen Masterplan» Kultur, der Perspektiven aufzeige - zum Beispiel, wie sich die Akteure besser vernetzen.