Berlin - Trotz massiven Widerstands von Händlern und Kunstsammlern hat der Bundestag das Gesetz zum Schutz von Kulturgütern mit klarer Mehrheit beschlossen. Nach letzten Änderungen im Ausschuss stimmten Union und SPD am Donnerstag im Plenum dem Vorschlag von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) zu. Die Opposition enthielt sich.
Das Gesetz soll die Abwanderung von national wertvollem Kulturgut aus Deutschland verhindern. Der Kunsthandel, aber auch viele private Sammler hatten hartnäckig Front dagegen gemacht. Sie fühlen sich in ihren Eigentumsrechten beschränkt.
Nach dem Gesetz muss künftig auch für die Ausfuhr wertvoller Kunst in ein EU-Land eine Genehmigung eingeholt werden. Bisher war das nur für Länder außerhalb der Europäischen Union nötig. Betroffen sind Gemälde, die älter als 75 Jahre und teurer als 300 000 Euro sind.
Bei der abschließenden Lesung hatte Grütters ihre Vorschläge zuvor nochmals verteidigt. Die Regelung stelle sowohl Museen als auch Eigentümer, Sammler und Leihgeber in vielen Punkten deutlich besser als bisher. «Mit dem neuen Kulturgutschutzgesetz erkennt Deutschland - wenn auch mit jahrzehntelanger Verspätung - endlich internationale Unesco- und europäische Standards an, die in fast allen Staaten Europa bereits gelten», sagte Grütters.
Schutz oder Enteignung? Fragen zum neuen Kulturgutschutzgesetz
Nada Weigelt, dpa
Starkünstler Georg Baselitz ließ aus Protest seine Leihgaben abhängen, der Kunsthandel ist auf den Barrikaden. Jetzt kommt das neue Kulturgutschutzgesetz trotzdem. Was bringt es?
Berlin (dpa) - Ein klares Votum, aber sicher kein Friedensschluss: Der Bundestag hat am Donnerstag das seit mehr als einem Jahr umkämpfte Gesetz zum Schutz von Kulturgütern beschlossen. Union und SPD nahmen den Vorschlag von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) an, die Opposition enthielt sich. Fragen und Antworten zum neuen Gesetz:
Was ist die umstrittenste Regelung?
Wer ein wertvolles Kunstwerk ins Ausland bringen oder dort verkaufen will, braucht dafür künftig immer eine Genehmigung. Bisher galt das nur bei Exporten in Länder außerhalb der Europäischen Union und für Bilder, die älter als 50 Jahre und teurer als 150 000 Euro sind. Jetzt gibt es die Genehmigungspflicht auch für den EU-Binnenmarkt - allerdings deutlich abgemildert: Betroffen sind nur Werke, die älter als 75 Jahre und wertvoller als 300 000 Euro sind. Zeitgenössische Werke sind nicht betroffen.
In welchen Fällen wird die Ausfuhr verboten?
Das Gesetz stellt alle Kulturgüter unter Schutz, die als national wertvoll gelten. Dafür gibt es erstmals eine Definition: So muss ein Bild oder Kunstwerk «identitätsstiftend für die Kultur Deutschlands» sein, seine Abwanderung müsste einen «wesentlichen Verlust» bedeuten. «Es geht uns um die Himmelsscheibe von Nebra und nicht um Arbeiten von Georg Baselitz», hatte Grütters einmal gesagt.
Wer entscheidet, was auf die Liste national wertvollen Kulturguts kommt?
In jedem Bundesland wird ein fünfköpfiger Sachverständigenausschuss berufen; auch Händler und Sammler sollen vertreten sein. Das jeweilige Land darf ein Kulturgut dann nur «im Benehmen» mit diesem Expertengremium unter Schutz stellen. Die Listen werden länderübergreifend in einem gemeinsamen Internetportal veröffentlicht. Übrigens: Sammler, die sich besondere Sorgen um ihre Kunstschätze machen, können auch vorsorglich eine Beurteilung beantragen - und bekommen gegebenenfalls einen Persilschein.
Steht nicht ein gewaltiger bürokratischer Aufwand ins Haus?
Dass es Mehraufwand gibt, bestreitet niemand. Zuletzt klagten die Länder Baden-Württemberg und Hessen in einem Brief an Grütters über eine «unabsehbare finanzielle und organisatorische Belastung». Die Staatsministerin rechnet dagegen nur «mit einigen tausend Anträgen jährlich». Zudem seien die Museen, die bisher fast 90 Prozent der Genehmigungsverfahren ausmachten, künftig pauschal von der Antragsfrist befreit, argumentiert sie. Der Kulturausschuss hat vorsorglich festgeschrieben, dass der Verwaltungsaufwand in zwei Jahren überprüft werden muss.
Der Besitzer eines geschützten Werks darf es also nicht mehr ins Ausland verkaufen. Kommt das nicht wirklich einer «kalten Enteignung» gleich?
Das ist genau das, was viele Kunstsammler angeprangert haben. Als Signal der Versöhnung hat der Kulturausschuss des Bundestags deshalb am Mittwoch in letzter Minute noch Regeln eingeführt, die den Ankauf eines so «blockierten» Werks durch den Staat vereinfachen sollen. Die Sachverständigenausschüsse sollen für diesen Fall einen fairen Preis vorschlagen. Die Abwicklung könnte über die Kulturstiftung der Länder laufen.
Warum hat sich die Debatte so aufgeschaukelt?
Darüber sind viele Beteiligte selbst erstaunt - und wahrscheinlich liegt es wie meist an beiden Seiten. Staatsministerin Grütters hat mit einer beispiellosen Verve für dieses Projekt gekämpft («Das sind wir einer Kulturnation wie Deutschland schuldig!») Vor allem am Anfang fühlten sich die Betroffenen zu wenig von ihr eingebunden. Zugleich geht es bei Händlern und Sammlern wirklich ums Eingemachte - um die Frage nach der freien Verfügung über ihr Privateigentum. Da prallen zwei Fronten aufeinander.
Hat das der Sache geschadet?
Ja, eindeutig. Landauf, landab berichten Experten von einer großen Verunsicherung bei den Sammlern. Medienberichten zufolge haben viele ihre Schätze aus den Museen abgezogen und vorsorglich ins Ausland gebracht. Bernd Schultz vom renommierten Berliner Auktionshaus Grisebach ging schon Ende 2015 davon aus, dass Deutschland innerhalb der ersten vier Monate Kunstwerke im Wert von mehr als einer Milliarde Euro verloren gingen.
Was ist eigentlich aus dem zweiten Teil des Gesetzentwurfs geworden?
Er ist im Eifer des Gefechts mehr oder weniger in Vergessenheit geraten, obwohl das Anliegen so wichtig ist. Das neue Gesetz soll nämlich nicht nur deutsches Kulturgut vor der Abwanderung ins Ausland schützen. Es soll auch schwerer werden, Raubkunst aus Kriegs- und Krisengebieten zu uns zu bringen. Schließlich ist bekannt, dass Organisationen wie der IS ihre Terrorherrschaft teilweise über den illegalen Kunsthandel finanzieren. Jetzt werden Händler und Käufer zu größerer Sorgfalt verpflichtet. Auch die Vorschriften zur Rückgabe an die Herkunftsländer wurden verschärft.