Mainz - Ein großer Teil der Chöre in Rheinland-Pfalz hat die Corona-Pandemie gut hinter sich gelassen. «Das Bild ist aber uneinheitlich», sagte Tobias Hellmann vom Chorverband Rheinland-Pfalz der Deutschen Presse-Agentur in Mainz.
Unter dem Motto «Musik vereint» wirbt Rheinland-Pfalz mit Plakaten, Flyern und Bannern für die Amateurmusik. Herzstück der rund 88 000 Euro teuren Kampagne ist eine Internet-Webseite (www.musik-vereint.de), auf der sich alle Musikvereine und Gruppen präsentieren können. Interessenten finden dort zugleich für sie attraktive Angebote in ihrer Nähe.
Mehr als 3500 Chöre und Musikvereine gibt es im Land, dazu ungezählte Bands, Ensembles und kleinere Gruppen, wie der Landesmusikrat und Kulturministerin Katharina Binz (Grüne) bei der Vorstellung der Kampagne am Freitag in Mainz sagten. Sie gehen von rund einer halben Million Freizeitmusikern und -sängern aus.
«Die Amateurmusik ist nach dem Sport die zweitgrößte zivilgesellschaftliche Bewegung im Land», stellte der Präsident des Landesmusikrats Peter Stieber fest. «Die Pandemie hat in der Amateurmusik aber großen Schaden angerichtet.» Live-Singen sei weitgehend eingestellt worden, Chöre seien «zum Schweigen oder zu Online-Proben verdammt gewesen» und die Ensemble-Musik zum Stillstand. Für viele Kinder und Jugendliche sei es schwer, nach diesen Pausen beim Üben eines Instruments dran zu bleiben. Aber auch der demografische Wandel, die Verdichtung des Alltags und die stärkere Individualisierung machten es den Ensembles, Spielmannszügen, Orchestern, Jazz- und Popbands schwer.
Die Musikschulen sind nach Darstellung des Landesverbands «ohne großen Substanzverlust» aus der Corona-Krise hervorgegangen, haben aber an mehreren Stellen zu kämpfen. Bei den Chören ist «das Bild uneinheitlich», sagt Tobias Hellmann vom Chorverband Rheinland-Pfalz.
Vor allem die Kooperation mit den Kitas und Schulen habe gelitten und werde wohl erst wieder im Schuljahr 2023/24 wieder den Stand vor Corona erreichen, sagte müsse sich noch erholen, sagt der Vorsitzende des Landesverbands der Musikschulen, Christoph Utz. Je jünger die Kinder waren, umso schwieriger sei es gewesen, auf digitale Formate umzusteigen. «Die Ensembles sind wieder da.»
Die 41 Musikschulen im Verband seien aber nicht am Digital-Pakt des Bundes beteiligt gewesen und die Lehrkräfte hätten daher oft private Endgeräte anschaffen und finanzieren müssen. «Sie sind auch jetzt noch auf sich gestellt», kritisierte Utz. Ohnehin arbeiteten nach wie vor etwa die Hälfte der Lehrkräfte in prekären Arbeitsverhältnissen.
Bei der Finanzierung steige der kommunale Anteil immer weiter, auf im Durchschnitt mehr als die Hälfte, weil die Gebühren nicht mehr angehoben werden könnten, sagte Utz. Der Landeszuschuss rangiere dagegen bei nur etwa sieben bis acht Prozent, auch wenn sie nach den Worten von Ministerin Binz auf je 3,6 Millionen Euro für 2023 und 2024 erhöht wurde. Wünschenswert sei eine Drittel-Finanzierung: Gebühren, kommunale Förderung und Landesförderung, sagt Utz. Etwa ein Viertel der Musikschulen habe zudem keinen kommunalen Träger, sondern andere wie etwa Vereine.
Zwar gebe es mit 895 Chorvereinen im laufenden Jahr 30 weniger als noch im Pandemiejahr 2022, die Zahl der Sänger und Sängerinnen sei aber recht stabil, berichtete Hellmann vom Chorverband Rheinland-Pfalz, in dem die Chöre von Worms ab nördlich zusammengeschlossen sind. Rund 27 000 Sänger sind aktuell in dem Verband zusammengeschlossen, nur fünf bis sechs Prozent weniger als 2022. Einige Sänger hätten den Chor gewechselt, berichtet Hellmann.
«Konzerte und Auftritte nehmen wieder sehr stark Fahrt auf», sagte Hellmann. Beim Publikum sei es unterschiedlich: Einige Säle platzten aus allen Nähten, andere blieben weitestgehend leer. Seinem Eindruck zufolge seien dies meist bei Auftritten von Chören, «die nach der Pandemie dasselbe machen wie vorher».
Bei anderen hätten etwa mit den Online-Proben während der Corona-Zeit Kreativität und Zusammenhalt einen deutlichen Schub erhalten. Sie hätten ganz andere Konzertformate mit neuer Licht-, Tontechnik und Bildprojektionen entwickelt. «Sie stehen nicht nur stocksteif vor dem Publikum, sondern nutzen verschiedene Orte im Saal», berichtete Hellmann. Die Proben- und Auftrittsverbote hätte nicht nur wie ein Turbo bei der Kreativität gewirkt. Die Chöre seien auch einen Schritt zurückgetreten, hätten sich überlegt, was sie eigentlich wollten und was ihnen das Singen und die Auftritte gäben.