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Laut der Umfrage des Allensbach Instituts im Auftrag des MIZ ist die Volksmusik der große Verlierer. Im Zuge eines Revivals entwickelt sich die Blasmusik in Richtung Pop und ist somit auch bei jüngeren wieder attraktiv. Grafik: miz.org

Laut der Umfrage des Allensbach Instituts im Auftrag des MIZ ist die Volksmusik der große Verlierer. Im Zuge eines Revivals entwickelt sich die Blasmusik in Richtung Pop und ist somit auch bei jüngeren wieder attraktiv. Grafik: miz.org 

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„Das Virus wird uns nie wieder verlassen“

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Kulturförderung Post-Corona im Feld der Amateurmusik
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Am 6. Mai 2022 machte der damalige Vorsitzende des Robert Koch-Instituts Lothar Wieler mit diesem Satz klar: Corona wird bleiben. Und er sollte recht behalten, denn die Folgen der Pandemie sind teilweise noch heute zu spüren – auch in der Kulturlandschaft. Als im Frühjahr 2020 die ersten Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus erlassen wurden, schränkten diese auch Amateurmusiker stark ein. 

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Vereine wurden plötzlich auf die Bewährungsprobe gestellt und mussten kreativ werden, wenn es um die Finanzierung ihrer Projekte ging – mit Onlinemeetings, Volksfesten „to-go“ oder durch Spendenaufrufe. Der musikalische Leiter des Blasmusikverbands Rhein-Neckar (BVRN) Dominik Koch erinnert sich noch genau: „Corona hat die Vereine des BVRN hart getroffen. 

Die Veranstaltungen und Auftritte, durch die sich unsere Vereine sonst finanzieren, fielen größtenteils aus. Und noch schlimmer: Proben und die Gemeinschaft unter den Musikern waren nicht möglich.“ Wer Coronatauglich war, zeigte sich schnell. Denn nach drei Jahren Pandemie war bei einigen Vereinen die Luft raus: Kein Geld, kein Personal. „Viele Vereine hatten während oder nach Corona mit Mitgliedermangel und Vereinsaustritten zu kämpfen. Dirigenten konnten nicht mehr bezahlt werden, weil es an Geld mangelte“, berichtet Dominik Koch. Auch der Geschäftsführer des Wendland-Sinfonieorchesters Jochen Rall blickt zurück: „Finanziell wurde unser Verein durch die Pandemie sehr belastet – für die ausgefallenen Orchesterwerkstätten sind Kosten entstanden. Und für die erste stattfindende Arbeitsphase nach Corona hatten wir erhöhte Kosten und weniger Einnahmen, weil ein Konzert mit Gage abgesagt wurde.“ 

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Laut der Umfrage des Allensbach Instituts im Auftrag des MIZ ist die Volksmusik der große Verlierer. Im Zuge eines Revivals entwickelt sich die Blasmusik in Richtung Pop und ist somit auch bei jüngeren wieder attraktiv. Grafik: miz.org

Laut der Umfrage des Allensbach Instituts im Auftrag des MIZ ist die Volksmusik der große Verlierer. Im Zuge eines Revivals entwickelt sich die Blasmusik in Richtung Pop und ist somit auch bei jüngeren wieder attraktiv. Grafik: miz.org 

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In dieser schwierigen Zeit waren es zum Großteil Hilfsprojekte und Spenden, die vielen Vereinen das Leben retteten. Insbesondere das Förderprogramm „Impuls“ des Bundesmusikverbands Chor & Orchester half in ländlichen Regionen während und auch nach Corona. Profitiert hat davon auch die Thüringer STÜBA-Philharmonie: „Nach der Pandemie gab es über den Bundesverband Chor und Orchester e.V. Mittel vom Bund. Über diesen Topf haben wir etwas beantragt und bekommen. Diese Mittel flossen aber gleich wieder in Projektarbeit“, erklärt Jens Kobe, der Vereinsvorsitzende der STÜBA-Philharmonie. Auch vom Blasmusikverband Rhein-Neckar wurden Hilfsgelder des BMCO beantragt. Doch nicht nur diese: „Wer ein Jubiläum in den Coronajahren feiern wollte und schon größere Beträge für sein Jubiläum ausgegeben hatte konnte beim Blasmusikverband Baden-Württemberg (BVBW) Hilfe beantragen“, erinnert sich Helmut Span­nagel, der Vorsitzende des BVRN. 

Wer die Fördergelder von Bund oder Land nicht bekam war jedoch, vor allem während Corona, auf Spenden angewiesen: „Vereinsmitglieder wurden aufgerufen, freiwillig zu spenden. Manche Vereinsmitglieder haben auch für unsere Unterkunft gespendet, die von der Schließung hart getroffen war.“ Hilfen wie diese haben dazu geführt, dass Amateurvereine ohne größere Schäden durch die Pandemie geleitet wurden. Die Amateurmusikszene steht auch nach der Coronapandemie noch gut da – es hätte zu wesentlich mehr Vereinsauflösungen und anderem Unheil kommen können. 

Dass es überhaupt Fördergelder und Unterstützer der Amateure gab, ist durchaus positiv zu sehen. Durch den BMCO und die „Impuls“-Projekte wurde eine positive Entwicklung angestoßen, die bis heute anhält. Mit Seminaren und Schulungen für Amateurmusiker konnte auch während Corona Schadensbegrenzung betrieben werden. Die Förderung der Amateurmusik ist bundesweit ein Dauerprojekt. Jedoch fördert jedes Land anders, mit eigenen Etats und Summen. Baden-Württemberg verfügt mit mehr als 6.000 aktiven Vereinen im Bereich der Amateurmusik über eine besonders reiche Szene – ein Blick auf die Kulturförderungsprogramme lohnt sich hier also. 

Erste Karriereschritte

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) hebt auf Anfrage die Wichtigkeit bestehender Fördermaßnahmen hervor: „In zahlreichen Musikvereinen und Chören engagieren sich Menschen ehrenamtlich für Kulturaktivitäten vor Ort. Sie gestalten das gesellschaftliche Leben und fördern den Zusammenhalt, in dem sie die Menschen Gemeinsamkeit erleben lassen. Darüber hinaus betreiben sie eine hervorragende Jugendarbeit. Die fortlaufende Förderung der Amateurmusik ist uns deshalb ein überaus wichtiges Anliegen.“ In diesem Jahr steigt der Förderetat laut dem MWK sogar: „Insgesamt stehen für die Förderung der Amateurmusik seit 2024 7,3 Mio. Euro zur Verfügung. Die Förderung wurde in diesem Jahr um 3,1 Mio. Euro erhöht, um eine Erhöhung und Anpassung der Chorleiter- und Dirigentenpauschale zu ermöglichen. 

Die entsprechend angepassten Förderrichtlinien für die Amateurmusik sind bereits in Kraft getreten und sehen künftig eine Ausweitung der Förderung pro aktivem Ensemble vor. Von dieser Probenpauschale werden zudem auch die Heimat- und Trachtenvereine profitieren, die ihrerseits ebenso einen Probenbetrieb finanzieren“. Auch aufgrund der fortlaufenden Fördermaßnahmen blüht die Szene noch immer, Konzerte finden statt und Besucher füllen die Säle von Amateurorches­tern – das ist überaus wichtig. Denn es geht um nichts geringeres, als musikalischen Nachwuchs. 

Egal ob Blas-, Kammer oder Sinfonieorchester: Für alle ist die Amateurmusik der erste Schritt in Richtung Musikkarriere. Es sind die Profis von morgen, die ohne Finanzspritzen durch Bund, Länder oder Gemeinden während und nach Corona auf der Strecke geblieben wären. Dass die Amateurszene auch nach der Pandemie in Großteilen besteht, ist ein Beweis für gelungene Kulturförderung. 

Doch nach wie vor gibt es die, die auf der Strecke geblieben sind: Vereine, die sich auflösen mussten oder starke Einbuße an aktiven Mitgliedern zu verzeichnen haben. Grund dafür: Die Beantragung von Fördergeldern dauert, ist stellenweise kompliziert und ermüdend – viele Vereine haben das Personal und die Mittel nicht, sich durch diese Geldtöpfe zu retten. „Die Qualitäts- und Imageförderung braucht, vor allem in der Amateurmusik, noch mehr Optionen. Es gibt Programme vom Land und für einige auch städtische Zuschüsse – in Summe dürfte es jedoch mehr sein“, meint Dominik Koch. Kulturförderung ist somit eine Aufgabe, die bleibt – auch nach Corona.

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