„Die Zukunft einer Landeshauptstadt in Deutschland ohne Opernhaus kann ich mir eigentlich nicht denken“, sagt Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel. Und da Erfurts Theatergebäude baufällig ist, wird ein repräsentatives neues Haus hochgezogen. Die auch für Kunst zuständige Ministerin Dagmar Schipanski wünscht sich wenigstens „ein anspruchsvolles Theater in der Mitte unseres Landes“, „das sich an den guten Häusern in der oberen Klasse in Deutschland messen lassen kann“. Pech für Weimar, dass es, 21 Kilometer östlich von Erfurt liegend, offenbar nicht mehr zur Mitte des Landes gehört.
Die Zukunft einer Landeshauptstadt in Deutschland ohne Opernhaus kann ich mir eigentlich nicht denken“, sagt Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel. Und da Erfurts Theatergebäude baufällig ist, wird ein repräsentatives neues Haus hochgezogen. Die auch für Kunst zuständige Ministerin Dagmar Schipanski wünscht sich wenigstens „ein anspruchsvolles Theater in der Mitte unseres Landes“, „das sich an den guten Häusern in der oberen Klasse in Deutschland messen lassen kann“. Pech für Weimar, dass es, 21 Kilometer östlich von Erfurt liegend, offenbar nicht mehr zur Mitte des Landes gehört. Auch der Thüringer Finanzminister und der Haushaltsausschuss des Landtages haben zur Theaterpolitik ihre Meinung. Da der Freistaat die bundesweit höchsten Einwohner-bezogenen Zuschüsse für Theater und Orchester von allen Flächenländern leistet (bei niedrigen Einspielquoten), da gleichzeitig Land und Kommunen tiefrote Zahlen schreiben, sollen die staatlichen Betriebskostenzuschüsse für die Haushaltsjahre 2004 bis 2008 mit jährlich 59,82 Millionen Euro auf dem Stand der Haushaltsjahre 2001 bis 2003 eingefroren werden. Darüber, wie die vom selben Finanzminister zum Beispiel durch Tarifabschlüsse mit den Gewerkschaften mitverursachten Personalkosten aufzufangen sind, die – summiert – bis 2008 auf rund 22 Millionen Euro geschätzt werden, macht sich dieser keinen Kopf: das ist schließlich Sache der Kunstministerin und der kommunalen Rechtsträger. Denn alle sechs Thüringer Dreispartentheater (Erfurt, Meiningen und Weimar sowie die bereits fusionierten Theater in Altenburg/Gera, Eisenach/Rudolstadt/Saalfeld und Nordhausen/Sondershausen) werden ebenso von den Kommunen betrieben wie die drei eigenständigen Kulturorchester in Jena, Gotha/Suhl und Greiz/Reichenbach.Da die von Sozialhilfezahlungen, Wirtschaftsflaute und Steuerreform gebeutelten Kommunen – mit Ausnahme von Eisenach, Erfurt und Jena – nicht in der Lage sind, die Betriebsdefizite zu decken, ist guter Rat buchstäblich teuer. Einnahmesteigerungen gekoppelt mit der Umstellung des Spielbetriebes auch auf die Bedürfnisse des Tourismuslandes Thüringen sind nur langfristig möglich. Sechshundert Beschäftigte entlassen, sparen, abbauen, alle Theater in Thüringen außer Erfurt, Meiningen und Weimar schließen, wie es Erfurt und Weimar vorgeschlagen haben? Die Kunstministerin bewies, dass guter Rat auch billig sein kann, wenn er denn nicht mehr gut ist. Das Auge starr auf die künftige Bundesliga-reife Oper der Landeshauptstadt gerichtet, legte sie im Mai vergangenen Jahres einen Vorschlag „zur künftigen Gestaltung der Theater- und Orchesterfinanzierung“ vor, der den Erhalt nur der Bühnen in Altenburg/Gera und Meiningen (bei weiterem Stellenabbau), die Fusion aller Westthüringer Theater und Orchester zu einem Landestheater sowie als Kernpunkt, die Verschmelzung des Erfurter Theaters mit dem Deutschen Nationaltheater Weimar zu einem „Staatstheater Thüringen“ vorsieht. Dabei soll der Juniorpartner Weimar sich auf das Schauspiel beschränken, seine – bundesweit gerühmte – Staatskapelle aber mit Dienstsitz in Erfurt im dortigen Musiktheater aufspielen.
Das ist keine verantwortbare Kulturpolitik, sondern McKinsey-Einmaleins: Aus neun mach fünf, aus zwei mach eins. Doch selbst die ihm zu- grunde liegenden Berechnungen sind spekulativ: Addiert Schipanskis Strukturvorschlag bei Erfurt/Weimar schlicht die bisherigen Landeszuschüsse für Erfurt und Weimar (23 Millionen Euro) und die städtischen Zuschüsse (Erfurt 12 Millionen Euro, Weimar 3 Millionen Euro), um auf die beeindruckende Summe von 38 Millionen Euro zu kommen, mit der das „Oberklassen-Theater“ zu finanzieren sei, so vergisst sie, dass Erfurt im Falle der Fusion seinen Zuschuss auf 10 Millionen Euro absenken wird, dass weder die Abfindungen für den Personalabbau noch die Betriebskosten für den Erfurter Neubau, geschweige denn die Einnahmeausfälle in Weimar in ihrer Rechnung enthalten sind.
Die Bürgerinnen und Bürger Erfurts und Weimars wollen die Fusion ihrer Theater nicht. Sinnvolle, auch institutionalisierte Kooperation: Ja – Verschmelzung: Nein. Vor allem in Weimar formiert sich der Widerstand, geht es dort, in der kleinen 62.000-Einwohner-Stadt, doch nicht nur um Infrastruktur und Standort, sondern auch um den drohenden Verlust eines ihrer kulturhauptstädtischen Symbole. Das „preußische“ Erfurt als Landeshauptstadt zu akzeptieren, fällt noch immer schwer. Eine Bürgerinitiative gründete sich, eine „Stiftung Deutsches Nationaltheater und Staatskapelle Weimar“ wurde eingerichtet und als Stephan Märki, Weimars Generalintendant, am Vorabend der entscheidenden Abstimmung im Stadtrat zu einer Bürgerversammlung einlud, war das Theater bis auf den letzten Platz gefüllt. „Verrät der Stadtrat unser Weimar?“ war auf einem blutroten Transparent zu lesen. Er verriet nicht. Bürgerwiderstand siegte über zuletzt handfeste finanzielle Drohungen der ministeriellen Obrigkeit. Mit 37 Stimmen bei zwei Enthaltungen lehnte der Weimarer Stadtrat die mit Unterstützung des Deutschen Bühnenvereins von Vertretern des Landes und der beiden Städte geschmiedeten Fusionsverträge ab. Als ein Wunder könnte der Vorgang bezeichnet werden, wäre er nicht mit einer schweren Hypothek belastet.
Denn der Stadtrat forderte im gleichen Atemzug, ihm bis zum 1. Mai 2002 einen Struktur- und Finanzierungsplan für das DNT vorzulegen, den ihm Stephan Märki als „Weimarer Modell“ angekündigt hatte. Er sieht die Umwandlung des städtischen Betriebes in eine privatwirtschaftliche gemeinnützige GmbH vor, die, weder dem kommunalen Arbeitgeberverband noch dem Deutschen Bühnenverein angehörend, sich mit dem Betriebsrat auf Haus-Tarifvereinbarungen verständigen solle. Rund vier Millionen Euro könne man auf diesem Wege sparen. Doch dieses „Modell“ ist weder ein „Weimarer“ noch ein „neues“ – mag Märki auch eine renommierte Berliner Kanzlei zurate gezogen haben. Es spukt in vielen Theaterträger-Köpfen und ist schon beim Versuch der Einführung zum Beispiel in Frankfurt/Main, Greifswald/Stralsund und Kiel gescheitert: Rechtsordnung und Tarifautonomie stehen ihm entgegen. Statt Gesetze aushebeln zu wollen, sollte Weimar sich mit den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen ins Benehmen setzen. Die stehen, sicherem Vernehmen nach, zu Verhandlungen zur Verfügung, um ihn bei seinen Anstrengungen zu unterstützen, Kulturpolitik für eine Stadt und nicht für ein Ministerium zu machen. Dieses, ebenso sicherem Vernehmen nach, grollt.