Hamburg/Berlin - Wegen steigender Infektionszahlen rät der RKI-Chef zu mehr Vorsicht bei Großveranstaltungen. In der Kultur können sich viele mit dem 2G-Modell arrangieren - es kämen ohnehin eher wenige Menschen mit Tests. Aber reicht das?
Angesichts steigender Infektionszahlen mit dem Coronavirus befürchtet die Kulturbranche weitere Einschränkungen. Die Konzertwirtschaft reagierte mit Unverständnis auf die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, größere Veranstaltungen zu meiden oder gar abzusagen. «Natürlich ist auch uns an allererster Stelle am Infektionsschutz unserer Besucher gelegen», sagte Jens Michow, Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV), am Freitag.
Aber die Konzert- und Veranstaltungswirtschaft habe sich auf die Umsetzung des 2G-Modells konzentriert und Veranstaltungen nur noch unter 2G geplant. Das bedeutet, dass nur noch geimpfte und genesene Menschen Zutritt zu solchen Veranstaltung bekommen sollen. Ein Schnelltest reicht dann nicht mehr aus.
«Wir sind imstande, die Einhaltung dieser Regel ausnahmslos sicherzustellen. Dass nun auch das 2G-Modell wieder nicht ausreichen soll, ist für uns schwer nachvollziehbar», sagte Michow der Deutschen Presse-Agentur. Die Veranstaltungsbranche habe gehofft, endlich weniger von staatlichen Hilfen abhängig zu sein. «Aber wenn wir größere Veranstaltungen jetzt wieder absagen müssen, ist es umso erforderlicher, dass die Überbrückungshilfe 3 mindestens bis Ende Juni und dann auch noch in erweitertem Umfang verlängert wird.»
Der Präsident des Deutschen Bühnenvereins und Hamburger Kultursenator, Carsten Brosda (SPD), sprach sich für ein striktes 2G-Regime bei Kulturveranstaltungen aus. «Natürlich ist die Entwicklung alarmierend und müssen wir weiter vorsichtig sein», sagte Brosda. «Wenn die Inzidenzwerte unter den Ungeimpften 20mal so hoch sind wie unter den Geimpften, dann ist doch klar erkennbar, wo wir ansetzen müssen. Deshalb ist es sinnvoll, dass jetzt vielerorts auf ein striktes 2G-Regime gesetzt wird. Damit sind Kulturveranstaltungen derzeit angemessen sicher durchführbar.»
In Berlin zum Beispiel haben an vielen Stellen bald nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt. Auch für Kinos und Theater gilt dann 2G. Kinobetreiber Christian Bräuer sieht daran keine allzu großen Veränderungen. In ihre Kinos kämen ohnehin nur noch wenige Getestete, sagte Bräuer, der auch Chef des Programmkinoverbands AG Kino ist. «Die Impfkampagne - befürchte ich - werden wir so nicht weiter voranbringen.» Die Politik müsse schauen, wie sie aufkläre und Menschen von der Impfung überzeuge.
Bräuer forderte eine differenzierte Debatte. Der Anstieg der Infektionszahlen sei besorgniserregend, sagte er. «Dass alle Möglichkeiten geprüft werden, ist nachvollziehbar.» Was ihn störe, sei die pauschale Gleichsetzung von Innenräumen. «Kino ist nicht gleich Bar.» Es werde nicht berücksichtigt, ob ein Raum zum Beispiel Lüftungssysteme habe. In Kinos verhielten sich Menschen auch anders als etwa in Kneipen.
Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte Bürger zu weniger Kontakten aufgerufen. Für eine stärkere Eindämmung solle etwa bei Großveranstaltungen die Personenzahl reduziert oder ein Verbot erwogen werden, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. Eine konkrete Obergrenze nannte er nicht. «Wir wissen, dass insbesondere in Innenräumen sogenannte Superspreader-Events stattfinden.» Man solle auch erwägen, in belasteten Regionen Bars oder Clubs zu schließen.
Nach Ansicht des Theaterintendanten Oliver Reese vom Berliner Ensemble könnten damit zum Beispiel größere Popkonzerte gemeint sein. Er verwies in der Debatte über mögliche Einschränkungen auf unterschiedliche Standards in unterschiedlichen Branchen. Theaterbesuche fänden unter anderen Voraussetzungen statt als zum Beispiel Flug- und Zugreisen - dort gebe es weder 3G noch 2G. Auch in Restaurants bestehe am Platz keine Maskenpflicht.
«Insofern fände ich es nicht richtig, wenn damit indirekt von einem Theaterbesuch abgeraten würde», sagte er. «Wir fühlen uns davon auch nicht alle angesprochen, sondern denken, dass Großveranstaltungen wie Popkonzerte gemeint sind, bei denen man nicht am Platz sitzt.»
Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach sich auch dafür aus, für öffentliche Veranstaltungen das Prinzip «2G plus» einzuführen - also Zugang nur für Geimpfte und Genesene, die zusätzlich noch einen aktuellen Test vorweisen müssen. Notfalls könne die Branche auch mit «2G plus» leben, sagte Michow von der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft. Der Programmkinoverband dagegen ist skeptisch - ihm bereite die Vorstellung Sorgen, sagte Bräuer. Kinobesuche seien oft spontaner als beispielsweise ein Besuch in der Oper. «Das würden wir massiv spüren.» Was es aber auf keinen Fall nochmal geben dürfe, sei ein neuer Lockdown.