Pro Klassik versteht sich als ein Forum, das allen im Bereich Kunstmusik tätigen Komponisten, Verlegern und Musikern eine Plattform zur Verfügung stellt, um sich zu informieren, Meinungen auszutauschen und Aktivitäten zu koordinieren. Rechtzeitig vor der nächsten GEMA-Mitgliederversammlung vom 7. bis 9. April meldet sich die Initiative Pro Klassik zu Wort. Die neue musikzeitung traf sich mit dem Sprecher von Pro Klassik, Winfried Jacobs, Geschäftsführer bei Boosey & Hawkes auf der Fankfurter Musikmesse zum Gespräch.
neue musikzeitung: Jedes Pro hat auch ein Contra. Gegen welche musik- und kulturpolitischen Entwicklungen beziehen Sie Position?
Winfried Jacobs: Zentrales Anliegen – und deshalb die Bezeichnung Pro Klassik – ist das Eintreten für den Erhalt der Vielfalt in der klassischen Musikszene. Nichts Neues – so könnte man einwenden, wenn man bedenkt, wie viele engagierte Stimmen von Verbänden, Institutionen, Interessengruppen und Einzelpersonen sich in den Medien bereits stark machen für ein lebendiges, vielfältiges Musikleben und sich gegen den Abbau von Kultursubventionen stemmen. Gerade die Reaktion auf die Ankündigung des SWR, die beiden Rundfunkorchester zu fusionieren, hat gezeigt, dass es eine wachsende Gruppe von „Wutbürgern“ gibt, die sich nicht mehr damit zufrieden geben, gravierende Einschnitte im Musikangebot einfach hinzunehmen. Sie artikulieren ihre Befürchtungen, dass solche Einsparungsmaßnahmen der Beginn einer Entwicklung sein könnte, die der weiteren Reduzierung eines noch immer reichhaltigen Angebots an klassischer Musik in den öffentlich-rechtlichen Sendern Tür und Tor öffnet. Reaktionen auf Entwicklungen dieser Art im Rundfunk, aber auch andere heftig geführten Debatten – etwa über die schwieriger werdende finanzielle Situation der Orchester und Opernhäuser in Deutschland – machen deutlich, dass es eine nicht zu unterschätzende Zahl an Musikbegeisterten gibt, die sich der Auswirkungen solcher Entwicklungen auf die Vielfalt der Musikkultur in Deutschland bewusst sind.
Pro Klassik ist eine von vielen Initiativen, die sich für den Erhalt unserer Musikkultur stark macht, sich aber vor allem darin von den anderen unterscheidet, dass sich hier zwei Berufsgruppen, nämlich Autoren und Musikverleger, zusammengefunden haben, um über Verbandsstrukturen hinweg gemeinsam zu aktuellen Entwicklungen Stellung zu beziehen und da zusammen zu arbeiten, wo Schnittmengen beim Urheberrecht, bei Verwertungsgesellschaften und anderen musikkulturellen Fragen dies nahelegen.
nmz: Mit welchen Mitteln wollen Sie den „Stellenwert geschützter klassischer Musik“ verbessern?
Jacobs: Vielleicht sollten wir eher über den Erhalt des Stellenwerts der klassischen, auch der geschützten klassischen Musik sprechen, da Vieles darauf hin weist, dass auf Förderstrukturen und finanzielle Spielräume, wie sie der Musikwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten zur Verfügung standen, so nicht mehr zurückgegriffen werden können.
Kulturpolitische Grundsatzdebatten mögen ihren Sinn haben, aber Themen, mit denen sich die Vereinsmitglieder von Pro Klassik – im Moment Komponisten und Verleger – beschäftigen, sind eher handfester Natur und betreffen beide Gruppen gleichermaßen: urheberrechtliche Fragen, Angemessenheit der Vergütung, neue Formen der digitalen Vermarktung … Entwicklungen also, die unmittelbar eingreifen in Lebens- und Arbeitsbedingungen von Autoren und Verlagen und die es deshalb umso dringlicher erscheinen lassen, gemeinsam diskutiert und der Öffentlichkeit mit Nachdruck ins Bewusstsein gebracht zu werden. Pro Klassik will also bündeln – will nicht als Beschwerdevertreter einer einzigen Interessengruppe auftreten, sondern auf Zusammenhänge hinweisen und deutlich machen, welche negativen Auswirkungen Einsparungen in Kulturetats, kleinste Veränderungen des Urheberrechts oder ein ins Rechtsvakuum driftendes Internet nicht nur auf eine einzelne Gruppe von Betroffenen, sondern auf den klassischen Musikbetrieb insgesamt haben können.
Diese gesamtkausale Betrachtungsweise war für Pro Klassik auch der Grund, den Blick auf die Situation der klassischen Musik eben nicht auf einen Teilaspekt, also auf zeitgenössische oder nur geschützte klassische Musik einzuengen. Förderstrukturen zeitgenössischer Musik entstehen oder verändern sich nicht im kontextlosen Raum, sondern stehen in einem Bedingungszusammenhang von Aufführungs- und Rezeptionsgegebenheiten eines Musikbetriebs. Sicher, es gibt Orte, die sich ausschließlich der Präsentation der Neuen Musik verschrieben haben. Aber irgendwann wird auch eine Neue Musik älter und benötigt zum Überleben genau die Voraussetzungen, die erforderlich sind, sie zu Bestandteilen eines Aufführungskontinuums, also Repertoires, werden zu lassen. Ähnliches gilt für geschützte beziehungsweise ungeschützte Musik. Bei Klassik denken wir vor allem an die Musik der Wiener Klassik, aber auch an die Klassik der Moderne des frühen 20. Jahrhunderts, von der noch viele Werke geschützt sind. All diesen Kompositionen ist eigen, dass sie Eingang ins Konzert- und Opernrepertoire gefunden haben und, unabhängig davon ob sie noch geschützt sind oder nicht, in ihrer musikgeschichtlichen Bedeutung gleichermaßen rezipiert und gewürdigt werden. Solange die gemeinfreie Musik in all ihrer Vielfalt gespielt und gesendet wird, bestehen auch gute Voraussetzungen für die Wiedergabe von geschützten Werken.
Und für die zeitgenössische Musik gilt dies erst recht. Damit die Werke von Boulez, Chin, Lachenmann und anderen in Rundfunk und Konzert erklingen können, braucht es die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen eines strukturell und finanziell gut aufgestellten, aber weiterhin auf Fördermaßnahmen angewiesenen Musikbetriebs. Für die Initiatoren von Pro Klassik ist die zeitgenössische Musik zwar ein zentraler Faktor ihres Engagements, weil sie für Komponisten und Musikverleger aus nachvollziehbaren Gründen von größerer wirtschaftlicher Bedeutung ist als die gemeinfreie Musik. Sie aber ausschließlich in den Fokus des Engagements von Pro Klassik zu stellen, hätte den Blick – anstatt auf die Gesamtproblematik – auf lediglich einen Einzelaspekt eingeengt, nämlich auf den der zeitgenössischen Musik.
nmz: Welche Fördermaßnahmen plant Pro Klassik in der nächsten Zeit?
Jacobs: Über konkrete Fördermaßnahmen von Pro Klassik wird im Moment noch nicht nachgedacht. Dafür ist die Finanzausstattung und der personelle Radius noch zu klein. Im Mittelpunkt unserer Arbeit sollen zunächst Erfahrungsaustausch, Beratung und Koordination von Lobby-Aktivitäten stehen.
nmz: Sie haben derzeit zwölf Mitglieder. Wen möchten Sie gerne ins Boot holen?
Jacobs: Wir sind froh, mit Enjott Schneider und Moritz Eggert zwei sehr engagierte Komponisten als Mitglieder bei Pro Klassik zu haben, denen es immer schon wichtig war, sich integrativ für die Interessen der Rechteinhaber einzusetzen. Aber auch alle anderen Mitglieder, Komponisten wie Musikverleger, stellen eine gute Kernmannschaft dar, die dafür bereit steht, für die Idee von Pro Klassik zu werben und weitere Mitglieder, auch vielleicht renommierte Interpreten, für Pro Klassik zu gewinnen.
nmz: Worum geht es ihnen vorrangig, um die musikalische Ökonomie oder um die musikalische Kultur?
Jacobs: Von Kultursubventionen profitieren beide, die Schönen Künste (in diesem Fall die Musik) auf der einen und die Musiker und Rechteinhaber, die mit ihren Leistungen Musikaufführungen ermöglichen, auf der anderen Seite. Beides kann man nicht trennen, und jede Debatte über Kultursubventionen wäre unehrlich, wenn sie diesen Zusammenhang von Ökonomie und Qualität des Musikangebots außer Acht lassen würde. In Pro Klassik sitzen Autoren und Verlage zusammen, die darauf angewiesen sind, dass ihre Werke aufgeführt und gesendet werden. Davon leben sie oder sie versuchen davon zu leben, was im Falle vieler Komponisten das vorherrschende Problem sein dürfte. Deshalb ist es besonders für sie als Musikschaffende elementar wichtig zu wissen, welche Faktoren darüber entscheiden, ob ihre Werke aufgeführt werden und wie die Vergütung aussieht. Pro Klassik kann dabei helfen, diese Zusammenhänge deutlich zu machen und mit den Autoren gemeinsam darüber nachdenken, wie man bei wichtigen Fragen, hier vor allem GEMA-Fragen und urheberrechtliche Entwicklungen, Schnittmengen definiert, die ein gemeinsames Vorgehen nahelegen. Der Aktionsradius einer solch kleinen Einrichtung wie Pro Klassik ist natürlich begrenzt, aber der Zuspruch, den wir von Komponisten für diese Form des gemeinsamen Lobbyings erhalten, bestätigt uns in der Annahme, dass sich Pro Klassik durchaus als ein sinnvolles, effizientes Instrument zur Bündelung von Lobby-Aktivitäten erwiesen hat. Ob und wie sich dieser Aktionsradius vergrößern wird, hängt auch davon ab, wie sehr es Pro Klassik gelingt, in der breiteren Öffentlichkeit und bei der Politik Gehör zu finden.
nmz: Die nächste GEMA-Mitgliederversammlung steht vor der Tür (7. bis 9.4.2014). Unter anderem geht es dort um die Neugestaltung der Verteilung im Rundfunkbereich. Wie will sich die Initiative Pro Klassik dort zu Wort melden?
Jacobs: Die jährliche GEMA-Mitgliederversammlung ist immer ein wichtiges Ereignis für Komponisten, Textdichter und Musikverleger. Sie allein entscheiden über Änderungen im Verteilungsplan, so in diesem Jahr, wie von Ihnen erwähnt, die Neugestaltung der Verteilung im Rundfunk- und Fernsehbereich. Anders als dies oft in der Öffentlichkeit verstanden wird, ist die GEMA eben keine nach Gutdünken verteilende Verwertungsgesellschaft, sondern es sind die Mitglieder, die als Souverän mehrheitlich darüber entscheiden, ob und wie Verteilungspläne geändert werden oder nicht. Daher kommt den Mitgliedern die besondere Verantwortung zu, sich eingehend mit den Verteilungsmechanismen der GEMA zu beschäftigen, die Änderungsanträge zu verstehen und das Stimmrecht bei der Abstimmung in der Mitgliederversammlung auszuüben. Da dies alle Mitglieder, also Komponisten, Textdichter und Verleger, gleichermaßen betrifft, sieht sich Pro Klassik auch im Hinblick auf die größte Gruppe, die der Komponisten, in der Verantwortung, dafür zu werben, dass sich möglichst viele an der Abstimmung beteiligen. Erst mit der Teilnahme an der Mitgliederversammlung macht ein Mitglied Gebrauch von seinem Recht, mit seiner Stimme den Entscheidungsprozess über ihn direkt betreffende Verteilungssachverhalte zu beeinflussen. Eine Chance, die sich nach Auffassung von Pro Klassik kein GEMA-Mitglied entgehen lassen sollte.
nmz: Der Rundfunk wird trimedial, es entsteht quasi ein öffentlich-subventionierter „Streaming Dienst“. Goldene Zeiten für Verlage und Kreative?
Jacobs: Weder goldene noch silberne Zeiten – die grundsätzliche Frage müsste lauten, wie viele Sendungen mit klassischer Musik in Zukunft weiterhin über Kabel und/oder Satellit ausgestrahlt oder in Form von Streamings abrufbar sein werden. Denn mit der zunehmenden Verlagerung von Ausstrahlungen ins Internet rückt die Beantwortung der Frage nach der „Wertigkeit“ von geschützter Musik im Internet in den Mittelpunkt der Überlegungen, was Angemessenheit der Vergütung von Nutzungen im Internet bedeutet. Gemeinhin wird das Internet als ein Medium angesehen, das nicht nur technisch, sondern auch rechtlich neue Normen schafft. Alte Vergütungsstrukturen werden in vielen Fällen nicht übernommen, allgemeinverbindliche Kriterien zur Definition von „Leistung“ im Internet gibt es nicht. Anbieter und Rechteinhaber werden sich darüber neu verständigen müssen. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass dies ein mühseliger und ein für Autoren wie Musikverleger keinesfalls leichter Weg sein wird.