München - Nach der spektakulären Neubesetzung des Chefpostens an der Wiener Oper kommt auch an der Bayerischen Staatsoper das Personalkarussell in Schwung. 2021 nämlich verabschiedet sich das Erfolgsduo Nikolaus Bachler und Kirill Petrenko. Zeit für Experimente auch in München?
Die Berufung von Bogdan Roscic zum künftigen Intendanten der Wiener Staatsoper war ein kulturpolitischerPaukenschlag. Ein ehemaliger Popkritiker, Radio-Programmchef und Schallplattenmanager, der noch nie ein Theater geleitet hat, soll 2020 eines der bedeutendsten Opernhäuser der Welt in eine neue Ära führen.
Die Auswirkungen dieser spektakulären Personalie sind bis München zu spüren. Dort heizen sie die Diskussion an, wer 2021 in die Chefetage der Bayerischen Staatsoper einziehen wird. Denn auch das renommierteHaus am Max-Joseph-Platz, das derzeit unter seinem Intendanten Nikolaus Bachler und Generalmusikdirektor (GMD) Kirill Petrenko einen Höhenflug erlebt, steht vor einem gewaltigen Umbruch.
Ein wenig mehr Experimentierfreude bei der Besetzung der künftigen Opern-Doppelspitze hält Isabell Zacharias, kulturpolitische Sprecherin der bayerischen SPD-Landtagsfraktion, für wünschenswert. Bei allem berechtigten Lob für das Haus gebe es auch Reformbedarf an der Staatsoper. Das Publikum könne jünger und weiblicher werden.
Bis Petrenko und Bachler sich tatsächlich verabschieden, dauert es zwar noch ein paar Jahre, doch die langfristigen Planungen in der internationalen Musikszene erfordern eine rasche Entscheidung. Die könnte in diesem Jahr fallen, schreibt der «Münchner Merkur».
Toni Schmid will diesen Zeitplan nicht bestätigen. «Wir sehen uns nicht unter Zeitdruck», sagt der Ministerialdirigent im Bayerischen Kunstministerium, der als eine Art Headhunter fungiert. «Derzeit führen wir erste Gespräche mit möglichen Kandidaten. Wir sind aber noch ganz am Anfang», sagt die graue Eminenz im Ministerium von Kunstminister Ludwig Spaenle (CSU). «Kein Stress!»
In den Münchner Medien wird freilich längst heftig spekuliert. Was die Intendanz der Staatsoper anbelangt, gilt Andreas Homoki als heißer Kandidat. Der Chef der Züricher Oper ist nicht nur ein grundsolider Opernregisseur, er soll auch mit Geld umgehen können.
Möglicherweise käme Homoki gleich im Doppelpack, zusammen mit seinem Generalmusikdirektor Fabio Luisi. Der Italiener ist ein erfahrener Handwerker und Spezialist für das - in München wichtige - italienische und spätromantische Repertoire. Freilich geht ihm der Glamourfaktor ab. Über die Aura des grenzgenialischen Ausnahmekünstlers, wie sie Petrenko umgibt, verfügt Luisi schon gar nicht. Petrenko wird 2019 neuer Chef der Berliner Philharmoniker und verlässt München schrittweise bis 2021. Dann geht auch Bachler.
Als Intendant käme unter Umständen auch der Belgier Serge Dorny in Frage, aktueller Chef der Oper in Lyon, der 2013 schon bei der Dresdner Semperoper unterschrieben hatte, dessen Vertrag jedoch wieder gelöst wurde. Dorny kehrte nach Lyon zurück und könnte vielleicht einen neuen Anlauf in Deutschland wagen. Weitere Passagiere des Kandidatenkarussells: Barry Kosky, Chef der Komischen Oper in Berlin, der Frankfurter Opernintendant Bernd Loebe sowie Roland Geyser, Leiter des Theaters an der Wien.
Mindestens genauso wichtig wie die Intendanz ist die Frage, wer neuer GMD der Staatsoper wird. Nach Zubin Mehta, Kent Nagano und Petrenko liegt die Latte hoch. «Neben reichlich Opernerfahrung und einem passenden Repertoire ist das Verhältnis des Kandidaten zum Bayerischen Staatsorchester extrem wichtig», sagt Schmid.
Und nicht zuletzt: Er (oder sie) sollte mit dem Intendanten in spe harmonieren. Ein Personaldebakel wie nach dem Weggang von Bachlers Vorgänger Sir Peter Jonas gilt es zu verhindern. Damals konnte Nagano nicht mit dem designierten Staatsopernchef Christoph Albrecht, der noch vor Amtsantritt das Handtuch warf. Nagano selbst wurde von Bachler abserviert, weil der Opernchef unbedingt Petrenko wollte. Eine für die Oper goldrichtige Entscheidung, wie sich herausstellen sollte.
Am ehesten wird Antonio Pappano vom Royal Opera House Covent Garden in London zugetraut, in Petrenkos Fußstapfen zu treten. Der italienisch-britische Dirigent gilt als grandioser Musiker, erfahrener Operndirigent und umtriebiger Musikvermittler. Dann wären da noch der aktuell etwas unterbeschäftigte österreichische Pultstar Franz Welser-Möst sowie der Schweizer Philipp Jordan, Musikchef der Pariser Bastille-Oper, dessen akribischer, dabei nicht unemotionaler Dirigierstil dem von Petrenko ähnelt.
Die «Süddeutsche Zeitung» bringt die beiden jungen Dirigentinnen Oksana Lyniv und Mirga Grazinyte-Tyla ins Spiel. Bei der Ukrainerin Lyniv handelt es sich um Petrenkos begabte Assistentin, während sich die in Kritikerkreisen hoch gehandelte Litauerin gerade als Musikdirektorin vom Salzburger Landestheater verabschiedet und zum City of Birmingham Symphony Orchestra geht. Ob die Beiden einem Hochglanzhaus wie München schon gewachsen sind, ist aber zumindest fraglich.
«Ich fände es großartig, wenn mindestens einer dieser Posten mal mit einer Frau besetzt würde», sagt Zacharias. «Frauen machen es immer anders als Männer.» Das Haus sei derzeit glänzend aufgestellt. Da könne man schon mal etwas ausprobieren. «Wer nicht wagt, der nichtgewinnt.»