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Der Domspatzenskandal: Prügel, Angst und gebrochene Kinderherzen

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Regensburg - Nach außen war bei den Regensburger Domspatzen alles bestens: brave Buben im Messgewand, die wunderschön singen. Der Ruf der Schule war jahrzehntelang untadelig. Schließlich steht die ehrwürdige katholische Kirche dahinter. Bei den Regensburger Domspatzen singen die Knaben gemeinsam, sie lernen in der Schule und im Internat, verbringen dort auch ihre Freizeit. Doch die Disziplin des Chores war teuer erkauft: mit einem System aus Angst und Gewalt.

Doch während die einen Schüler gute Erinnerungen haben, war es für andere die schlimmste Zeit ihres Lebens mit Demütigungen, Gewalt und sexuellen Übergriffen. 547 Opfer listet der Abschlussbericht auf, den das Bistum Regensburg in Auftrag gegeben hat, um vor allem die Fälle zwischen 1945 und Anfang der 1990er Jahre aufzuklären.

Am Dienstag stellte der Anwalt Ulrich Weber sein Werk in Regensburg vor. Ein wichtiger Schritt, um die Vergangenheit aufzuarbeiten - und um den Ruf der Schule wiederherzustellen, die ihre Strukturen verändert hat und nun wieder viele Anmeldungen hat. Der Bericht macht klar, was verkehrt lief: Sadismus und Gewaltneigung bei Erwachsenen. Fehlende Kontrolle und übermächtiges Vertrauen in die Kirche. Dazu eine Kultur des Verschweigens und Wegschauens.

Besonders schlimm war es wohl bei den Grundschülern in der Vorschule in den 60er und 70er Jahren. «Die Kindheit im Sinne einer schönen, glücklichen Zeit war mit dem Eintritt bei den Domspatzen vorbei. Ein regelrechter Alptraum hatte begonnen. Es war die Hölle», wird ein Betroffener zitiert. Prügel, harte Ohrfeigen und Demütigungen waren an der Tagesordnung.

«Das Schlimmste war die Hilflosigkeit, das Ausgeliefertsein und die totale Schutzlosigkeit in einem Alter, in dem man eigentlich Zuwendung braucht», formuliert es ein anderer. Vorne dabei der damalige Direktor, der die Buben drangsalierte und etwa beim Duschen das Wasser auf eiskalt oder brühend heiß stellte.

«Der Dreiklang aus Gewalt, Angst und Hilflosigkeit sollte dazu dienen, den Willen der Schüler zu brechen und ihnen Persönlichkeit und Individualität zu nehmen», resümiert Rechtsanwalt Weber. Das Ziel: maximale Disziplin und Leistungsfähigkeit, alles für den größtmöglichen Erfolg des Chores.

Wie das aussah, beschrieb ein Vorschüler aus den 1960er Jahren: «Mehrere Male am Tage hieß es Antreten in Zweierreihen, oft unter einer Normaluhr im Flur, um dann zur Kapelle oder in den Speisesaal zu marschieren. Damit dieser Vorgang rasch ging, erhielten die letzten beiden einen festen Schlag mit der zischenden Weidengerte.» Eine schmerzhafte Erinnerung: «Es gibt immer zwei Letzte und bei circa 80 Knaben kommt dann wohl mal jeder dran. Aber selbst wenn man nicht drankommt, es ist das System der Angst, welches Tag für Tag und Stunde für Stunde herrscht, mit der grauenvollen Gewissheit, dass sich nichts ändert und es kein Entkommen gibt und auch keine Gnade.»

Der Grund sei oft nichtig gewesen, ungewaschene Hände oder kindlich ungestümes Verhalten. Die Folge: «gebrochene Menschen mit gebrochenen Herzen ohne Hoffnung und Vertrauen», wird ein Schüler zitiert. Am Gymnasium wurde es dem Bericht zufolge besser. «Die Zeit in Regensburg im Gymnasium schien mir nach dieser fast «paradiesisch»; ich kann mich nur noch an Ohrfeigen und Kopfnüsse (.) erinnern», beschrieb es ein Ehemaliger.

Doch auch hier setzten sich Gewalt und Missbrauch fort, vor allem durch einen Internatsleiter. Ein Bub beschreibt, wie sich der Mann zu ihm ins Bett legte und zudringlich wurde: «Die Tatsache, dass wir beide am nächsten Morgen zu Beginn der Frühmesse, er als Priester, ich als Ministrant, gemeinsam sprachen, so als wäre nichts geschehen (.), hat schon damals mein Verständnis von einer heiligen katholischen Kirche tief erschüttert. An meinem tiefen Glauben an Gott hat dies nichts geändert, denn allein dieser Glaube hat mir geholfen, das ganze Leid durchzuhalten und zu überstehen.»

Doch warum bekam das niemand mit? Eltern, andere Lehrer oder die staatliche Aufsicht. Weber spricht von einem ausgereiften System der Isolation und Kommunikationsverhinderung. Wer etwas sagte, musste mit harten Konsequenzen rechnen - deshalb hielten viele lieber den Mund.

Außerdem wollten viele Eltern nicht so recht glauben, was ihre Söhne ihnen anvertrauten. Ihr Glaube an die Integrität der Kirche war offenbar stärker als an die Ehrlichkeit ihrer Kinder. Vielen galten Ohrfeigen damals ohnehin als probates Erziehungsmittel. Dem hält Weber entgegen: Mit wenigen Ausnahmen seien die Vorfälle körperlicher Gewalt auch damals verboten und strafbar gewesen.

Die Verantwortung tragen in Webers Augen nicht nur die eigentlichen Täter. Alle Verantwortungsträger hätten ein Halbwissen über Gewaltvorfälle gehabt, aber wenig Interesse daran gezeigt, konstatiert der Jurist. Das galt auch für den ehemaligen Chorleiter Georg Ratzinger. Der Bericht wirft ihm Wegschauen und fehlendes Einschreiten trotz Kenntnis vor.

Der Bruder des späteren Papstes Benedikt XVI. bereute seine Passivität und entschuldigte sich. Eine Genugtuung für die Opfer, die sich 2010 formierten. Für sie ist der Bericht ein wichtiger Schritt, so auch für Alexander Probst, eine prominente Stimme der Betroffenen. Er klagt über den Verlust von sechs Jahren Kindheit, sexuelle Gewalt und tägliche Prügel. Als die Erinnerungen vor einigen Jahren hochkamen, versagte die Stimme des Sängers, er wurde hochgradig depressiv. Nun ist er froh, dass er am Ziel ist und viele sogar einen finanziellen Ausgleich bekommen: «Es wird Zeit, dass wir auch Frieden machen».

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