Veranstaltet wird das Festival vom Deutschen Freundeskreis Europäischer Jugendorchester in Zusammenarbeit mit Jeunesses Musicales und dem Konzerthaus Berlin. Alle Fäden laufen seit dem Start im Jahre 2000 in den Händen von Gabriele Minz, der Projektleiterin, zusammen. Die nmz traf sich mit ihr inmitten der Vorbereitungen.
Wenn Sie in den Festival-Annalen blättern – welches war in den bisherigen Jahren die schwierigste Situation, die Sie zu meistern hatten?
Gabriele Minz: Mein schrecklichstes Erlebnis war gleich im ersten Jahr, als die Belgier ganz kurz vor dem Festival ihre Teilnahme absagten, weil sie nicht genügend qualifizierte Geiger zusammenbrachten. Sie hatten zunächst eifrig geprobt, aber dann für sich beschlossen: So können wir nicht nach Berlin fahren! Als sie mich anriefen, habe ich ihnen geantwortet: „Das akzeptieren wir nicht. Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Ihr kommt!“ Und es fand sich natürlich eine Lösung, sogar eine sehr einfache: Wir haben fünf Geiger aus einem anderen Jugendorchester ausgeliehen. Und es wurde ein sehr schönes Konzert. Besonders spannend finde ich, wenn Musiker eines Orchesters, das am folgenden Tag spielt, einem anderen am Vorabend zuhören. Daraus ergibt sich im Konzertsaal eine ganz eigentümliche Atmosphäre. So hatten wir bei den Norwegern plötzlich La-Ola-Wellen im Publikum – auf dem Rang saßen die französischen Musiker.
: Die Idee, ein Festival zu gründen, kommt einem ja nicht alle Tage. Was gab den Ausschlag bei Ihnen?
: Angefangen hatte es mit einem ehrenamtlichen Engagement für das RIAS-Jugendorchester, das Anfang 1998 abgeschafft werden sollte. Damals überlegten Willi Steul, seinerzeit noch Chefredakteur für DeutschlandRadio, und ich, wie das zu verhindern sei, denn uns faszinierte die Grundidee dieses Orchesters: Gut ausgebildete jungen Leute erhalten die Gelegenheit, sich in professionellem Rahmen, sprich: in einem wunderbaren Haus mit einem renommierten Dirigenten, gegebenenfalls auch mit renommierten Solisten zu erproben. Erste Schritte in die Wirklichkeit des Berufslebens unter so optimalen Bedingungen zu machen – das ist ein Modell, das man jedem Auszubildenden, jedem, der studiert hat, einrichten müsste.
Der zweite Impuls für dieses Festival war ein Erlebnis der etwas anderen Art: ein Zusammentreffen mit Managern europäischer Jugendorchester. Ich hatte das zuvor so noch nicht erlebt. Die waren jeden Alters von Mitte zwanzig bis über sechzig – sie brannten für die Musik, waren voller Leidenschaft für ihre jungen Orchester. In diesem Rahmen kam das Thema eines Festivals der europäischen Jugendorchester erstmals auf. Die Initiative geht auf Arthur van Dijk zurück, den Manager des Niederländischen Jugendorchesters, der sehr kompetente und sehr innovative Konzepte entwickelt hat. Er war damals zugleich Vorsitzender der „Federation of National Youth Orchestras“ mit Sitz in Amsterdam. Es war seine Idee, europäische sinfonische Variationen überall in Europa erklingen zu lassen.
: Wie haben Sie sich motiviert, zu einem solchen Unterfangen den ersten Schritt zu wagen?
: Es hörte sich tatsächlich zunächst mal ganz abgehoben an. Wissen Sie, ich selbst spinne auch gern, bin immer für abgehobene Ideen. Aber zu meinen Fähigkeiten gehört genauso, dass ich solche abgehobenen Ideen vom Kopf auf die Füße stellen kann. Ich kann sie so sortieren, dass die Flügel bleiben, aber ohne die Gefahr, die Bodenhaftung zu verlieren. Projekte müssen zunächst einmal Interessenten finden. Wo kein Bedarf ist, muss man ihn wecken. Ein einzelnes Jugendorchester wird meist als „nett“ wahrgenommen, als Laienspielgruppe. Dass es sich dabei oft um ein höchst professionelles Unternehmen handelt, weiß kaum jemand.
: Der „Deutsche Freundeskreis europäischer Jugendorchester“ ist Organisator, zugleich stehen hinter so einem Festival ja immer konkrete Menschen – wie beispielsweise Sie als einer der Initiatoren und Motor zugleich…
: „Freundeskreis“ haben wir uns genannt, weil da wirklich Freunde zusammen gekommen sind. Wir haben die Idee eines Festivals sehr pragmatisch in Angriff genommen. Es ging ja zunächst darum, ihr auf die Füße zu helfen. Wir haben zum Beispiel den großartigen Dieter Rexroth als Künstlerischen Leiter – ein Fundus mit enormer Kompetenz und Kreativität. Es gehört sicher auch zu den Fähigkeiten unseres Festival-Büros, Kompetenzen zu bündeln. Anfangs machten uns insbesondere einige Orchestermanager den Vorwurf, wir hätten doch gar keine Ahnung von Musik. In gewissem Sinne hatten sie Recht – wir haben schließlich nicht Musikwissenschaft studiert. Aber wie viele Orchestermanager gibt es, die nicht wissen, wie man managt!
: Das Festival ist institutionell weder durch das Land Berlin oder den Bund noch durch eine andere öffentliche Instanz getragen. Das liest sich wie: „Es ist ganz und gar unabhängig!“ Ist das von Vorteil oder wäre es nicht besser, es fände Platz unter einem Dach, wo ihm regelmäßige Fürsorge zuteil würde?
: Da wohnen zwei Seelen in meiner Brust, und ich bin, offen gestanden, da auch nicht festgelegt. Es sollte ja zunächst eine einmalige Angelegenheit werden, aber durch den überraschenden Erfolg wird man natürlich trunken und sagt sich: Das machen wir gleich noch mal. Wir haben daraufhin viele gescheite Leute angesprochen – schließlich hatten wir ja etwas mitzubringen: eine Organisationseinheit und private Sponsoren. Uns ging es jetzt um die öffentliche Seite. Unser Motto war immer: für eine private Mark eine öffentliche. Letztendlich ist diese Förderung am Geld gescheitert – weil sich niemand in der Lage sah, für die öffentlichen Gelder einzutreten. Also haben wir bei der EU gefragt. Die Verbindung dorthin kam mit Hilfe von „Jeunesses musicales“ zustande. Drei Jahre lang – in diesem Jahr wahrscheinlich zum letzten Mal – haben wir durch die EU eine formidable Unterstützung erfahren. Wir sind in dieser Hinsicht tatsächlich das größte Projekt, das in Deutschland jemals gefördert wurde. Wir finden das angemessen – und sind zugleich ganz stolz darauf.
: Die Dirigentenliste weist ja auch eine Reihe sehr prominenter Namen auf, wie etwa Lothar Zagrosek, Ingo Metzmacher oder Jukka-Pekka Saraste. Da liegt die Vermutung nahe, dass dies ein nicht unerheblicher Kostenfaktor für das Festival ist…
: Theoretisch schon. Aber unser Budget ist insgesamt nicht so ausgestattet, dass wir uns Honorare wie sonst üblich leisten können. Da reden wir eher über Kostenerstattung. So ist es ja auch bei den Orchestermusikern, da geht es höchstens einmal um ein Taschengeld. Wir haben aber festgestellt, dass man mit allen Dirigenten und Solisten reden kann. Das sind Menschen, die ihr Können, die reichen Gaben, die das Leben ihnen zur Verfügung gestellt hat, auch ganz bewusst in den Dienst der jungen Musiker stellen.