Im April vergangenen Jahres war beschlossen worden, dass der Bundesverband der Musikindustrie keinen Musikpreis mehr vergibt. Die Phono-Akademie als Kulturinstitut des Verbandes hatte bis dahin die Echo-Veranstaltungen in den Bereichen Pop, Klassik und Jazz ausgerichtet. Nach dem „Aus“ für den „Echo“ in allen Sparten stand die Frage nach einem neuen Preis und einer Institution im Raum, der man das Bemühen um einen Neuanfang tatsächlich abnahm.
Der im Juli 2018 gegründete „Verein zur Förderung der Klassischen Musik“ generierte binnen kurzem einen neuen Preis, den OPUS KLASSIK, schuf eine Jury, die die Preisträger künftig ermitteln soll und kündigte als weiteres wichtiges Vorhaben an, dem Klassikpreis ein neues Profil zu verleihen. Dabei werde es auch um die Definition neuer Kategorien gehen, die außerhalb des Tonträgerbereiches liegen, etwa die Förderung herausragender Projekte der Musikvermittlung. Darüber hinaus kündigte Burkhardt Glashof, der damalige Vorsitzende des Vereins weitere Vorhaben, etwa im Bereich der Musikvermittlung, vor allem auch für junge Leute an. Wir verabredeten damals ein weiteres Treffen. Nach gut einem Jahr also fragt die nmz nach, was aus den Plänen und Vorhaben geworden ist. Thomas Otto sprach mit Clemens Trautmann, der die Leitung des Vorsitzes übernommen hat, sowie mit den Vorstandsmitgliedern Burkhardt Glashof und Benedikt Stampa.
neue musikzeitung: Den eigentlichen neuen Preis OPUS KLASSIK mit einem neuen Profil, mit neuen Kategorien, die außerhalb des Tonträgerbereiches liegen, wird es 2019 geben, hieß es vor einem Jahr. Gibt es tatsächlich einen neuen Preis?
Clemens Trautmann: Erfreulicherweise hat der „Verein zur Förderung der Klassischen Musik“ als Trägerverein des OPUS KLASSIK in allen Punkten und Bereichen klare und greifbare Fortschritte erzielen können. Zu den Neuerungen gehören Preiskategorien für Komponistinnen und Komponisten sowie für das innovativste Konzertformat. Damit setzt der OPUS KLASSIK das Signal, für die gesamte Breite und Vielfalt der klassischen Musik zu stehen, eben auch für Musikverlage und Live-Veranstalter, nicht nur für Tonträgerunternehmen.
Burkhardt Glashof: Gleichzeitig haben wir Bewährtes beibehalten und gestärkt, wie zum Beispiel die Preise für Nachwuchsmusikerinnen und -musiker und den OPUS für Individuen beziehungsweise Institutionen, die sich besonders um Nachwuchsförderung verdient gemacht haben. Der OPUS KLASSIK steht insgesamt für eine entschiedene Evolution hin zu mehr Vielfalt und Partizipation.
nmz: Die Preisträger 2019 sollten von einer neu zusammengesetzten Jury ermittelt werden. Wie sieht sie aus, die neue Jury, und nach welchen Kriterien wurden die Mitglieder ausgewählt?
Benedikt Stampa: Die neue Jury wurde von der Mitgliederversammlung auf zunächst zwei Jahre bestellt. Die Vorschläge kamen aus dem Kreis der Mitglieder, quer über alle Bereiche des Musiklebens. Die Jury umfasst Journalisten und Medienvertreter genauso, wie Vertreter der Bereiche Live, Verlagswesen und Tonträger. Neu ist die Rolle der Jurysprecher, die als erste die Juroren Dr. Kerstin Schüssler-Bach (Boosey & Hawkes) und Michael Becker (Tonhalle Düsseldorf) wahrnehmen. Die beiden haben auch die Bekanntgabe der Preisträger 2019 übernommen. Damit agiert die Jury autonom und ist unabhängig in ihrer Kommunikation.
nmz: Die Zusammensetzung des neu gegründeten Vereins zur Förderung der Klassischen Musik sollte auch als Signal für eine Ausweitung des Preises über die Tonträgerindustrie hinaus gelten...
Stampa: Entsprechend hat sich auch die Struktur des Trägervereins erweitert, die ja auch schon im letzten Jahr übergreifend über Tonträgerunternehmen, Verlage und Veranstalter angelegt war. Es konnten weitere Institutionen der klassischen Musik als Beiräte und Fördermitglieder gewonnen werden, darunter Veranstalter, Künstleragenturen und Festivals. Dazu zählen unter anderem MünchenMusik, IMG und das Rheingau Musik Festival. Aus deren Engagement ergeben sich insbesondere auch für Nachwuchsmusiker spannende Möglichkeiten und Kontakte.
nmz: Zu einem allseits bewegenden Thema war letztlich die Glaubwürdigkeit des Musikpreises geworden. Er sah sich zum Schluss immer häufiger dem Verdacht ausgesetzt, die großen Plattenfirmen würden sich die Preise selbst zuschieben. Immerhin haben sie die Finanzierung des Preises zu größten Teilen übernommen. Wie unabhängig können Juroren tatsächlich arbeiten? Hat der Neustart in dieser Frage Klarheit geschaffen?
Trautmann: Lassen Sie mich hier ganz offen sein: Im ersten Jahr 2018 wurde die Finanzierung nahezu ausschließlich von den Gründungsmitgliedern getragen, darunter wiederum der Löwenanteil von den Major Labels: Sony Classical, Warner Classics und der Deutschen Grammophon. Aus unserer Sicht war es wichtig, dass die in der klassischen Musik erbrachten außerordentlichen Leistungen auch weithin sichtbar gewürdigt werden. Sie dürfen unser Engagement daher gerne als Investition in das gesamte Genre verstehen oder – wenn man so will – auch so etwas wie „Corporate Social Responsibility“. Angesichts der kulturellen Ausrichtung des Preises könnte man sich außerdem fragen, ob die Politik oder staatliche Kulturinstitutionen sich hier stärker engagieren könnten.
Glashof: Um den OPUS KLASSIK erfolgreich in das zweite Jahr und die Zukunft zu tragen, ist eine gehörige Portion Idealismus vonnöten. Alle Verantwortlichen des OPUS KLASSIK mit Ausnahme einer Projektmanagerin, die seit Mai 2019 tätig ist, arbeiten neben ihren eigentlichen Berufen ehrenamtlich. Diese Doppelbelastung ist übrigens auch der Grund, warum der Vorstandsvorsitz an Clemens Trautmann gewechselt ist und Benedikt Stampa den Vorstand ergänzt. Zugleich bildet der Vorstand ebenfalls eine Bandbreite der Klassikbranche ab. Ich würde mir wünschen, dass die Öffentlichkeit dieses Engagement wahrnimmt und die Träger des OPUS KLASSIK kritisch, aber konstruktiv bei der Entwicklung des Preises begleitet.
nmz: Wie wird die Finanzierung künftig ablaufen?
Stampa: Im zweiten Jahr ist es uns als Vorstand gelungen, den OPUS KLASSIK auch finanziell auf breitere Füße zu stellen. So freuen wir uns, dass IDAGIO und Mercedes Benz unsere Partner sind und die Lebendigkeit und Werte klassischer Musik zusammen mit uns und dem Publikum feiern. Wir begrüßen auch sehr, dass die GVL eine kulturpolitische Zuwendung über zwei Jahre bewilligt hat. Zudem können wir durch den längeren Vorlauf die Kosten des OPUS KLASSIK besser als im Vorjahr aus Kartenverkäufen für die Preisverleihung gegenfinanzieren. Dennoch werden die Gründungsmitglieder auch dieses Jahr eine Deckungslücke schließen müssen.
nmz: Übers Jahr wollte der Verein im Bereich Musikvermittlung begleitend aktiv werden. Zugleich sollten bestimmte Projekte der Musikvermittlung, die als herausragend befunden wurden, gefördert und begleitet werden. Konzertsäle wollte man auch für junge Leute öffnen, um ihnen die Klassik zugänglicher zu machen.
Trautmann: Im Hinblick auf Musikvermittlung arbeiten wir inzwischen mit Partnern zusammen, die eine ausgewiesene Expertise auf diesem Feld haben. In diesem Jahr haben wir ein Pilotprojekt mit TONALi gestartet. Schüler werden ein Tandem mit OPUS-Preisträgern bilden, das in beide Richtungen arbeiten wird: Einerseits werden einzelne Preisträger Sessions an Schulen gestalten, die inhaltlich und organisatorisch von Schülern vorbereitet werden, andererseits werden Schüler die Preisträger bei der Vorbereitung, den TV-Proben und der Preisverleihung begleiten. Ihre Beobachtungen spielen sie dann wiederum mit Videos und Texten an ihre Mitschüler und Lehrer zurück. Wir streben an, diese Zusammenarbeit mit TONALi zu verstetigen, und sind auch offen für eine Kooperation mit weiteren Partnern.
nmz: Welche Höhepunkte wird es bei der diesjährigen Preisverleihung geben?
Glashof: Einer der Höhepunkte des diesjährigen OPUS KLASSIK liegt bereits hinter uns. Wir haben in diesem Jahr erstmals den über 450 Nominierten eine Bühne bereitet. Über die letzten Wochen wurden alle Nominierten auf den Social-Media-Kanälen des OPUS KLASSIK und über unseren Streaming-Partner Idagio vorgestellt. Die Resonanz ist überwältigend. Für die Künstler ist allein eine Nominierung eine Auszeichnung.
Stampa: Ich persönlich freue mich, dass sehr viele junge Künstlerinnen und Künstler die Gelegenheit haben werden, ihr Können und Schaffen einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren, in der TV-Gala wie auch am Vorabend beim Konzert „Klassik XL“.
Trautmann: Und dass die steigende Bedeutung der kreativen visuellen Komponente für klassische Musik gewürdigt wird, indem wir zum ersten Mal einen Preis für das Musikvideo des Jahres verleihen und zusätzlich zum Jurypreis auch das Publikum in Kooperation mit unserem Medienpartner Welt am Sonntag seinen Favoriten wählen kann.