„Der Deutsche Musikrat strebt, gemäß eines Beschlusses der Mitgliederversammlung, die strukturelle Zusammenführung von DMR e.V. und DMR gProjektGmbH an. (…) Allerdings zeichnet sich für den einstimmigen Beschluss der Mitgliederversammlung des Deutschen Musikrates und der Konferenz der Landesmusikräte, diese Stärkung durch eine Zusammenführung in der e.V.-Struktur zu erreichen, derzeit keine tragfähige Mehrheit bei Politik und öffentlichen Geldgebern ab.“ So hieß es in einer Pressemitteilung des Deutschen Musikrates von Anfang Juli. Für die neue musikzeitung hat deren Herausgeber Theo Geißler diese Entwicklung in der Juli/August-Ausgabe unter der Überschrift „Wiedervereinigung wurde erst mal verboten“ kommentiert. Der Artikel löste manche Nachfrage, Kritik und Zustimmung unter unseren Lesern aus. Daher entschied sich die nmz-Redaktion dafür, die im Deutschen Musikrat vetretenen Verbände darum zu bitten, die Entwicklung zu kommentieren. Lesen Sie im Folgenden Ausschnitte aus diesen Kommentaren, die in voller Länge unter www.nmz.de nachzulesen sei werden.
Von der Notwendigkeit überzeugender Ergebnisse
(…) Seit der Insolvenz des DMR von 2002 gibt es nun den DMR e.V. und die DMR gProjektGmbH. Beide DMR-Teile leisten in sehr eigener Art wichtige Beitrage zur Musikalischen Bildung, die bei stringenterer Vernetzung noch wesentlich bessere Synergieeffekte erreichen könnten. Dies war auch der Grund, dass die KMPWH einer Wiedervereinigung dieser beiden Teilinstitutionen bei der Mitgliederversammlung im letzten Jahr zugestimmt hat. Es ist müßig, Außenstehenden immer wieder erklären zu müssen, warum die Projekte z.B. „Jugend musiziert“ und die starke Kraft der musikpädagogischen Verbände im DMR in zwei Teilinstitutionen organisiert sind, was lange Informations- und Kommunikationswege bedeutet. Das gemeinsame Entwickeln von musikpädagogischer Strategie, künstlerischer Initiative und bildungspolitischer Initiative liegt so auf der Hand und wird zum Teil durch die gleichen Personen getragen. (…) Eine faktische Verschränkung beider DMR-Teile ist also vom Denken und Realisieren vieler Sachlagen her bereits gegeben. Was ist sinnvoller, nun auch Nägel mit Köpfen zu machen oder besser die Notenlinien und die Noten nicht weiter auf getrennten Blättern zu notieren. Das entsprechende Prozedere einer sinnvollen Vernetzung und eines Aneinanderrückens sollte jedoch weiterhin vom Deutschen Musikrat selbst in die Hand genommen werden, möglicherweise entdecken bei entsprechenden überzeugenden Ergebnissen auch Politiker Gefallen daran.
Prof. Birgit Jank, Konferenz Musikpädagogik an Wissenschaftlichen Hochschulen
Pragmatische, praktikable und intelligente Lösung
(…) Es grenzt schon an Erpressung, wenn die öffentliche Hand – und zwar Bund und Länder – damit droht, im Falle einer Veränderung des Status quo ohne ihre Zustimmung alle Fördermaßnahmen zu stoppen und auf diese Weise eine vernünftige Weiterarbeit der in unserer Kulturlandschaft einmaligen und unersetzbaren Projekte des Deutschen Musikrates unmöglich zu machen. Dies erinnert stark an das Verhalten vor und während der Insolvenz. Auch hier wurde eine Fortsetzung der Fördermaßnahmen davon abhängig gemacht, dass die Projekte in Form einer Projekt gGmbH weitergeführt werden. So blieb dem Deutschen Musikrat damals nur, diese Forderung zu erfüllen. Und jetzt soll an dieser Konstruktion wieder etwas geändert werden? Die maßgeblichen politischen Stellen halten dieses Ansinnen für verfrüht und wehren sich sehr heftig gegen eine Veränderung zum jetzigen Zeitpunkt. Da sind auch der Präsident, die Vizepräsidenten, der Generalsekretär sowie das ganze Präsidium des Deutschen Musikrates machtlos. Nochmals: Schwäche ist dem Präsidium in diesem Falle nicht zu unterstellen. Schließlich hat dieses nur umzusetzen versucht, was die Mitgliederversammlung und die Landesmusikräte als Auftrag erteilt hatten.
Auch der Landesmusikrat Rheinland-Pfalz hat sich mit diesen Beschlüssen konform erklärt. Er hat allerdings von Anfang an Zweifel gehegt, ob dieser Wunsch nach Vereinigung der beiden Hälften des Deutschen Musikrates derzeit zu realisieren ist. Aus diesem Grunde hatte er vorgeschlagen, aus den Mitteln der derzeit nicht gesondert besetzten Stelle des künstlerischen Leiters der Projekt gGmbH eine Stelle als Verbindungsstelle zwischen Deutschem Musikrat e.V. in Berlin und Deutschem Musikrat Projektgesellschaft gGmbH in Bonn mit Sitz in Berlin einzurichten. Auf diese Weise könnte vieles besser und direkter koordiniert werden. Außerdem wäre der Generalsekretär des e.V. entsprechend entlastet.
In diesem Zusammenhang wendet sich der Landesmusikrat Rheinland-Pfalz zugleich auch gegen Überlegungen, die bei der gemeinnützigen Projekt gGmbH angesiedelte Stelle eines künstlerischen Leiters in Personalunion mit dem Geschäftsführer des e.V. zu besetzen. Die Arbeit, die der derzeitige Generalsekretär des e.V. in Berlin leistet, ist hervorragend und es ist beachtlich, welches Beziehungsgeflecht auch zu den Gremien der Politik hergestellt werden konnte. Allerdings lassen die Aufgaben, die hier zu erfüllen sind, allein schon wegen der räumlichen Distanz keinerlei Spielraum für eine weitere – und wenn man es ernst nimmt – ebenfalls sehr umfangreiche Tätigkeit. Im Moment wurde bei der gGmbH eine sehr pragmatische, praktikable und wirtschaftlich intelligente Lösung gefunden, gegen deren Fortschreibung wir nichts einzuwenden haben. Hinzu kommt, dass die bei der gGmbH tätigen Projektleiter weitgehend in Eigenverantwortlichkeit unter der Aufsicht der beiden Geschäftsführer arbeiten. Und für eine weitere Kontrolle dieser Projektleiter sind letztlich auch die entsprechenden Gremien der gGmbH zuständig. (…)
Prof. Dr. Chr.-H. Mahling, Präsident des Landesmusikrates Rheinland-Pfalz
Geeinte Organisation des Musiklebens
Aus Sicht des Landesmusikrats NRW ergibt eine Trennung des Deutschen Musikrats in eine Interessenvertretung des Musiklebens und eine Organisation zur Durchführung von Projekten wenig Sinn. Die Interessenvertretung droht den Kontakt zur Basisarbeit zu verlieren. Auch fehlt ihr ein Teil des Fundaments, das für das Gewicht ihrer Argumentationen mit Politik und Medien sorgt. Die Projekt GmbH hingegen wird sich ständig neu fragen lassen müssen, ob sie die Gesamtziele des Musikrats hinreichend im Auge hat.
Die Landesmusikräte müssen sich zuweilen bei Fragen, die die Bundesebene betreffen, auf eine irritierende Suche nach Ansprechpartnern begeben. Das Netz an Gremien, das beide Akteure, Interessenvertretung und Projektgesellschaft des Deutschen Musikrats, geflochten haben, vereinfacht diese Suche nicht unbedingt. Die Idee des Zusammenschlusses sollte im konstruktiven Dialog mit den Geldgebern weiter verfolgt werden.
Prof. Dr. Werner Lohmann, Präsident des Landesmusikrats NRW
Dr. Robert v. Zahn, Generalsekretär des Landesmusikrats NRW
Optimierung der Vereinsarbeit vonnöten
Die beabsichtigte Aufhebung der Trennung zwischen dem DMR-Verein und der Projekt GmbH wird von der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) mit einer gewissen Skepsis gesehen. Die nach der Insolvenz des alten Musikrats mit der Aufspaltung von Verein und Projekt GmbH von den öffentlichen Geldgebern beabsichtigte Transparenz bei der Finanzierung und Wirtschaftsführung der einzelnen Projekte innerhalb der GmbH ist voll aufgegangen und hat sich insoweit im Grundsatz bewährt. Die DOV kann als bislang größter Beitragszahler des Vereins Deutscher Musikrat lediglich erneut anmahnen, dass sich der DMR auf eine Optimierung seiner Vereinsarbeit und das Verfolgen wesentlicher musik- und kulturpolitische Zielsetzungen konzentriert. Dies sind vor allen Dingen auch Fragen der musikalischen Breitenbildung, der musikalischen Ausbildung, der Früh- und Spitzenförderung sowie der nachhaltigen öffentlichen Finanzierung der Institutionen des Musiklebens in Deutschland.
Gerald Mertens, Geschäftsführer Deutsche Orchestervereinigung e.V.
Kein Anlass für Skandal
Natürlich ist es vor allem aus Sicht der Mitglieder wünschenswert, durch eine Wiedervereinigung der GmbH mit dem e.V. mittelfristig wieder eine größere Reaktionsfreudigkeit zwischen den Projekten und der Politik des Deutschen Musikrats herzustellen. Hinzu kommt, dass die den e.V. ja korporierenden Mitglieder in der gegenwärtigen Konstruktion formal abgekoppelt von den Projekten sind, in denen sie mitwirken und daher auch mitgestalten sollten. Immerhin gibt es die Beiräte, über die – gelungene Berufungen und einen engagierten Vorsitzenden vorausgesetzt – fachliche Kompetenz des Mitgliederspektrums eingebracht werden kann.
Aber mal ehrlich: Was entsteht denn für ein Schaden, wenn die Fusion jetzt – aus welchen Gründen auch immer – eben noch nicht durchsetzbar ist? Das ist doch fürwahr kein Anlass, Skandal zu machen. Es werden dadurch die Projekte nicht schlechter, es gibt deswegen nicht weniger Geld, es leidet darunter keiner, zumal seit der überwundenen Insolvenz tatsächlich vieles auch viel besser läuft. Und wenn es gilt, darüber hinaus ein höheres Ziel zu erreichen, ist es doch – bei einigem Nachdenken – umso angesagter, seine Sprungstange nicht zu verschleißen, sondern die Kräfte solidarisch zu konzentrieren, und zwar fokussiert auf inhaltlichem Gebiet. Denn der Musikrat ist uns, die wir neben hundert Anderen seine „Anteilseigner“ sind, zu gut und zu wertvoll, um als Tummelplatz persönlicher Rangeleien und partikularistischer Rankünen zu dienen.
Ulrich Wüster, Generalsekretär Jeunesses Musicales Deutschland
Eigentlich …
Eigentlich ist es egal. Eigentlich lohnt es gar nicht, die Situation zu kommentieren. Eigentlich passiert ja hier beim DMR nur das, was die grauen Männer bei Michael Endes Momo immer schon vorhatten: vermeintliche Staatsvertreter geben eigentlich nur ihre eigene Meinung als die des Auftrags ihrer politischen Führung aus – wobei diese wiederum ihre (eigentliche?) Meinung hinsichtlich der Stärkung und Förderung staatsfernen und bürgerschaftsnahen Kulturengagements stets und mit Nachdruck und sonntags und in Kolumnen und in Debatten und (wie man im Rheinland sagt:) „öwwerhaupts“ ausspricht. Und diese beiden Meinungen haben eins gemeinsam: sie erschöpfen sich meist angestrengt darin, zu sagen, was man nicht will, nicht aber, was man will. Damit dienen Politikspitze wie ihre Bürokratie eigentlich nur sich selbst und eigenen Interessen. So läuft der Musikrat eigentlich stets in einem Hamsterrad und glaubt, zumindest der aus seiner Perspektive begehrenswerten Rückansicht der Politik hinterherzulaufen. Dass eine solche Bewegungsart mehr Luft als Fortkommen erzeugen muss, liegt auf der Hand. So ist der Musikrat in dieser Situation eigentlich zu bedauern, da seinen gut gemeinten Absichten leider der notwendige politische Erfolg vorerst versagt bleibt. Aber eigentlich gibt es ja auch so genug zu tun. Man darf eigentlich davon ausgehen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Martin K. den Vereinspräsidenten Maria K. im Zuge der verständnisvollen Vermittlung der Gründe der Politik für das Fusions-Njet darauf aufmerksam gemacht hat, dass es ja eigentlich jetzt auch gut wäre, wenn der Verein hierdurch etwas mehr Zeit hätte und sich solider seiner inhaltlichen Arbeit zuwenden könnte. Da wären doch die Bundesfachausschüsse, von denen einige schon lange nicht oder auch gar nicht tagen würden – ob es da nicht eigentlich nach mehreren Jahren an der Zeit wäre, ein Arbeitsprogramm zu entwickeln? Tja, eigentlich …
Matthias Pannes, Bundesgeschäftsführer des Verbandes deutscher
Musikschulen
Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit
Nach eingehender Diskussion in der Konferenz der Landesmusikräte haben sich die Vertreter dieser Institution 2007 einstimmig für eine Zusammenführung des Deutschen Musikrates und seiner gProjektGmbH ausgesprochen, da sie der Überzeugung sind, dass dies eine der Voraussetzungen für die Zukunftsfähigkeit des DMR ist. Die Landesmusikräte artikulieren diesen Beschluss auch mit der Tatsache, dass ein großer Teil der DMR-Projekte in den Bundesländern seine Grundlagen und seinen Aufbau erfährt. Diese Position gilt bis heute unverändert.
Prof. Kapt. Ernst Folz, Vorsitzender der Konferenz der Landesmusikräte Prof. Dr. Eckart Lange, stellvertr. Vorsitzender
Tiefer hängen
Angesichts des Desasters, das wir als Mitgliederverbände in der Vergangenheit mit der musikpolitischen Arbeit des DMR erleben „durften“ ist ein gesundes Misstrauen auf jeden Fall angebracht und sozusagen erste Bürgerpflicht sämtlicher Mitgliederverbände. Insofern ist es erfreulich, dass Theo Geißler den Finger ziemlich tief in die Wunde bohrt. Die Frage bleibt, ob er ihn auch noch zweimal drin herumdrehen müsste... Sicherlich wäre ein immerhin einstimmig von den Mitgliedern gewünschter „wiedervereinigter“ Musikrat eine Chance zum Neuanfang gewesen, aber weder geht nun die Welt unter, noch wird der „Hauptsache Musik“ geschadet.
(…) Der Bund ist selbstverständlich darauf erpicht, die von ihm finanzierten Zuwendungsnehmer zu kontrollieren – was uns als Steuern zahlende Menschen wiederum erfreuen sollte – und dies gelingt ihm sicherlich in einer GmbH-Form juristisch einfacher und transparenter als in einem vorerst gescheiterten fusionierten DMR. Was dem Geldgeber zu empfehlen bleibt, ist der Griff an die eigene Nase – Theo Geißler erwähnt neben dem Druck in Richtung Kameralistik sehr zu Recht das „Abrechnungsmonster Fehlbedarfs-Finanzierung“ – auch hier ließe sich manches effektiver und zugleich transparenter gestalten!
Warum Geißler die „verbandspolitische Ehrenrunde“ des DMR nun jedoch zum Anlass für eine Pauschalkritik am Dachverband der Musikpolitik nutzt, wird nicht wirklich deutlich und erweckt den Eindruck, ihm passe schlechthin die ganze Richtung nicht. Immerhin hat der „neue“ Musikrat in Präsidium und Ausschüssen ungeheuer viel angestoßen und bewegt: Hier sind nicht nur die zahlreichen musikpädagogischen Initiativen hervorzuheben, in denen – durchaus im Gegensatz zu früheren Zeiten – ein echtes Interesse an musikpädagogischen Fragestellungen und jede Menge Fachkompetenz deutlich wird, sondern auch der engagierte Einsatz für interkulturelle Themen und nicht zuletzt die ernsthafte und glaubwürdige Integration der Populären Musik in die Arbeits- und Förderstrukturen des DMR. Ohne dass man erkennt, was genau hinter der grundsätzlichen Kritik Geißlers am DMR e.V. steckt, möchte man den Dank für seinen kritischen und sehr feuilletonistisch geschriebenen Kommentar zur verbotenen Wiedervereinigung mit einem kumpelhaften „Häng’s tiefer, Theo!“ verbinden.
Prof. Dr. Jürgen Terhag, Bundesvorsitzender des Arbeitskreises für Schulmusik