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Die Fusion von AfS und VDS lässt Fragen offen

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Kooperation, Föderation und partnerschaftliche Zusammenarbeit anstelle von Fusion
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Es ist ganz klar, wenn man ein neues Produkt anbietet und vorstellt, muss man sämtliche Register der Werbestrategien ziehen, alle nur erdenklichen positiven Seiten aufzählen und diese groß- und weiträumig plakativ darstellen. Und so lesen sich die Aufsätze zur Neugründung eines BMU (Bundesverband Musikunterricht) beziehungsweise zur Fusion der beiden Verbände AfS und VDS angenehm leicht und eingängig. Gleiches gilt für die Interviews mit den jeweiligen Bundesvorsitzenden in dieser Ausgabe der nmz. Alles bestens, alles unproblematisch. Auch werden umfangreiche Lösungen hinsichtlich der Weiterentwicklung des Faches Musik angeboten: Alles, so die Fusionsbefürworter, wird besser mit einem neuen Verband, einem BMU. Dann wird „professionell“ gearbeitet, dann wird das Fach durch „Intensivierung der Interessenvertretung für den allgemeinbildenden Musikunterricht“ rundum gestärkt.

Die bereits für diesen September angekündigte Gründung des neuen Verbandes erscheint zumindest mutig: Noch vor einem Jahr hatte der Bundesvorstand des VDS durch seinen inzwischen völlig überraschend zurückgetretenen Vorsitzenden Georg Kind erklärt, ein eventueller Fusionsprozess werde sich einige Jahre hinziehen. Also, die Gründung im September wird von vielen als übereilt betrachtet, zumal der bayerische Schulmusikerverband die Fusion für sich abgelehnt hat und andere Landesverbände sich noch im Entscheidungsprozess befinden.

  1. Es lohnt ein Blick in die Satzung des BMU. An Gremien mangelt es wahrlich nicht: Da gibt es neben der Bundesmitgliederversammlung einen Bundesvorstand, ein Bundespräsidium, eine Bund-Länder-Versammlung, einen Verbandsrat, eine Bundesgeschäftsstelle und die entsprechenden Einrichtungen nochmal auf Länderebene – „schlanke Strukturen“ und „flache Hierarchien“ heißt es dazu an anderer Stelle. Ferner Ausschüsse, Arbeitskreise, Projektgruppen etcetera. Und für die meisten Gremien ist eine üppige personelle Ausstattung vorgesehen. Wer bezahlt das eigentlich alles? Sind derartige kom-plexe und noch dazu unübersichtliche Strukturen wirklich erforderlich? Werden jetzt schon Konflikte zwischen der Bund-Länder-Ebene prognostiziert, so dass dazu schon heute eine extra Arbeitsgruppe eingerichtet werden muss?
  2. Die größten Probleme dürften sich jedoch aus dem Widerspruch entwickeln, dass wir in Deutschland ein dezentrales föderalistisches Bildungssystem in einer Ebene von Bundesländern haben, der neue BMU jedoch ausgeprägt zentralistisch strukturiert und organisiert ist. Selbst wenn von Seiten der Fusionsbefürwortern in letzter Zeit auffallend deutlich von „starken Landesverbänden“ die Rede ist, der vorliegende Satzungsentwurf spricht eine andere Sprache: Die relevanten Entscheidungen fallen im Bund! Das bezieht sich auf inhaltliche Weiterentwicklungen, vor allem aber auch auf die Finanzmittelverwendung. Die entscheidende Satzung ist die Bundessatzung, die Landesverbände haben sich in aufgezwungenen Mustersatzungen unterzuordnen. Jegliche Änderungen von Landessatzungen müssen vom Bund genehmigt werden. Ferner müssen die Länder die im Bund getroffenen Entscheidungen umsetzen. Damit wird jegliche Entscheidungsfreiheit und Autonomie der Länder aufgehoben. Unvorstellbar und entwürdigend! (vgl. dazu auch den Artikel „Bund sind schon die Länder“ von Bernhard Hofmann, S. 37 dieser Ausgabe)
  3. Ungeklärt ist die Frage, wie ein Zentralverband eine Position zu einer Thematik entwickeln und überzeugend vertreten will, die zwischen und sogar innerhalb der Landesverbände verschieden beziehungsweise kontrovers diskutiert wird. Wenn es beispielsweise um die Bedeutung verschiedener Schulformen oder aber um G8 und G9 geht. Hier muss es zu Reibungen zwischen dem Bund und einzelnen Ländern kommen.   
  4. Klageverzicht: Es sind also Konflikte innerhalb des BMU zwischen Länderebene und Bundesebene vorprogrammiert. Um diese a priori abzumildern oder auszuschließen, sollen die Landesverbände bereits jetzt einen dauerhaften Klageverzicht erklären. Dieser Begriff klingt nicht unbedingt nach Harmonie, deswegen wird er auch in den letzten Monaten von den Fusionsbefürwortern nicht mehr verwendet.

Das grundlegende Problem

Michael Pabst-Krueger geht in seinem Aufsatz „Gründung des Bundesverbandes Musikunterricht“ gleich im ersten Absatz auf das „Spannungsfeld zwischen der föderalen Struktur des deutschen Bildungssystems und den vielen nur auf Bundesebene stattfindenden Meinungsbildungen und Entscheidungen“ ein und versucht, daraus Konsequenzen für Verbandsstrukturen herzuleiten. Allerdings ist seine zweite Prämisse unzutreffend: Die Meinungsbildung und die Entscheidungsprozesse liegen in einem föderalen Bildungssystem ja gerade nicht auf einer Bundesebene, sondern nahezu ausschließlich in den Ländern! Dort finden die kontroversen Diskussionen statt: innerhalb und zwischen den Landtagsparteien, innerhalb der Länderministerien, innerhalb der Landesmusikräte, innerhalb der Fachverbände auf Länderebene, innerhalb der Landeselternvertretungen. Und in den Ländern fallen die Entscheidungen, deswegen gibt es ja den bunten Flickenteppich der Bildungspolitik in Deutschland. Das heißt aber auch, Einflussnahme durch pädagogische Fachverbände geschieht im Wesentlichen vor Ort, in den Ländern, und deswegen muss ein pädagogischer Fachverband, wenn er erfolgreich arbeiten will, vornehmlich länderbezogen strukturiert sein, so wie es zum Beispiel auch der Philologenverband ist. Die KMK-Vereinbarungen sind letztlich die Summe der in den Ländern –und nur dort – getroffenen Entscheidungen.

Nach dem heutigen Stand werden sich Bayern und Niedersachsen nicht an einer Fusion beteiligen. Da diese beiden Länder allein ein Drittel der VDS- beziehungsweise VbS-Mitglieder stellen, wird der VDS mit höchstens zwei Dritteln seiner Mitglieder an den Start gehen, wobei ferner zu berücksichtigen ist, dass einige VDS-Landesverbände noch nicht abschließend über eine mögliche Fusion entschieden haben.
Ende August 2014 ist folgender Sachstand zu konstatieren:

  1. Der vorliegende Satzungsentwurf für einen neuen BMU mit stark zentralistischer Ausrichtung widerspricht den existierenden föderalistischen Strukturen der Bildungspolitik in Deutschland.
  2. Die geplanten Verbandsstrukturen sind unübersichtlich, kompliziert und wenig praxisorientiert. Eine pragmatische Arbeit wird auf dieser Grundlage nicht möglich sein.
  3. Ein solider Finanzierungsplan fehlt. Es ist die Rede von Beitragserhöhungen, von besonderen Fusionszuschlägen, die die Mitglieder zu leisten hätten, von immensen Kosten (105.000 Euro p.a. allein für das Personal) einer oder mehrerer potenzieller Bundesgeschäftsstellen.
  4. Nach gegenwärtiger Sachlage werden höchstens zwei Drittel der VDS-Mitglieder an ei-ner möglichen Fusion beteiligt sein, die übrigen verbleiben in bewährten VDS- beziehungsweise VbS-Strukturen. Das verschärft noch mehr die ohnehin schon prekäre Finanzsituation für einen neuen BMU.

Kooperation! Föderation!

Austrittsankündigungen: Viele Mitglieder denken schon jetzt daran, im Falle einer Fusion und Auflösung von VDS-Landesverbänden die Mitgliedschaft zu kündigen. Deutlicher können Reaktionen der Basis nicht ausfallen. Diese Reaktionen dürften nicht auf Niederachsen beschränkt sein. Da der VDS-Landesverband Niedersachsen jedenfalls weiter bestehen wird, wird hier überlegt, bei einer eventuellen Fusion VDS-Mitglieder aus anderen Ländern, die gerne dem VDS weiter angehören möchten, aufzunehmen, damit sie für eine Verbandsarbeit nicht völlig verlorengehen.

Das ist die Linie, die in Niedersachsen in der Zusammenarbeit mit dem AfS äußerst erfolgreich gefahren wird. Im Rahmen von Kooperationen ist es immer möglich, feste dauerhafte Verträge, zum Beispiel zur Veranstaltungsplanung, Öffentlichkeitsarbeit, Personaleinsatz, Finanzierungen etcetera zwischen AfS und VDS zu schließen. Die Effektivität einer derartigen kollegialen, transparenten und flexiblen Zusammenarbeit dürfte einer Fusion deutlich überlegen sein. Man würde sich ersparen, die extrem kosten- und arbeitsaufwändigen und hochkomplizierten Fusionsstrukturen zu erstellen, die nicht einmal praxis- und zukunftsorientiert sind. 
 

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