Die Städte Bayreuth, Bregenz oder Salzburg verbindet eigentlich jeder Musikliebhaber sofort mit dem Wort „Festival“. Alljährlich erleben dort Tausende von Opernfans Wagner & Co für einen hohen Preis auf einem exzellenten Niveau. Dass in dem niedersächsischen kleinstädtischen Lüneburg jährlich mit ebenfalls beachtenswerter Qualität die „Lüneburger Bachwoche“ stattfindet, ist weniger bekannt. So geht es vielen kleineren, „handgestrickten“ Festivals – sie drohen gegenüber den großen unterzugehen. Das Musikinformationszentrum ist 2002 von 15 Festivals in Niedersachsen ausgegangen, die nun durchgeführte Studie „Musikfestivals in Niedersachsen“ des Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur konnte aber die bemerkenswerte Zahl von 106 Festivals in insgesamt 550 Spielstätten darstellen.
Mit dieser Studie wurden nach einer Befragung der einzelnen Veranstalter zu Organisation, Publikum, Finanzierung, Marketing- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Veranstaltungsorten erstmals für ein Bundesland umfangreiche Zahlen und Fakten zu Musikfestivals erhoben.
„Wir wollten mit dieser Studie herausfinden, wie viele Festivals es eigentlich in unserem Bundesland gibt, wo die Besonderheiten beziehungsweise Defizite unserer Festivallandschaft liegen und ob wir andere Akzente in der Förderpolitik setzen müssen. Es galt, das Vermittlungsangebot zu untersuchen und herauszufinden, in welchem Kontext man die jeweiligen Konzerte sehen kann.“, so Muchtar Al Ghusain vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Ziel sei es, eine stärkere Vernetzung zwischen den einzelnen Festivals herzustellen. Insgesamt würde das Thema Musikfestivals in der Kulturpolitik noch nicht angemessen diskutiert. Viele Festivals, besonders die in einem nicht so großen Rahmen stattfindenden werden von Teilzeit- und ehrenamtlichen Kräften sowie freien Mitarbeitern bewältigt. Klassik-Festivals werden erwartungsgemäß am häufigsten besucht, gefolgt von Jazz und Rock/Pop.
Wichtige Schwerpunkte für die Festivalzukunft sind die Förderung des Nachwuchses sowie die Stärkung von Innovation und Qualität. Wie befürchtet liegen die größten Probleme bei der Finanzierung. Das Budget dieser im Jahre 2001 von zirka 447.000 Festivalgästen besuchten 1.348 Veranstaltungen betrug zirka 15,5 Millionen Mark, wobei der Anteil an öffentlicher Förderung einschließlich Stiftungen bei zirka 6,8 Millionen Mark (46 Prozent) lag, der Anteil der Eigeneinnahmen einschließlich Sponsoren bei 8,4 Millionen Mark (54 Prozent). Große Hoffnung ruhe also auf den Sponsoren. Die höchsten Kosten je Besucher (290 Mark) bestanden bei einem Festival der Sparte Neue Musik, dicht gefolgt von den Spartengruppen Alte Musik, Jazz, Klassik und Orgel, deren Festivals ein Wert von über 100 Mark ergab. Bei den Sparten Chor, Jazz, Orgel und Folk errechneten sich besonders geringe Kosten je Besucher (20 Mark). „Niedersachsen hat nicht die Hochglanzfestivals, die auch mit entsprechenden Budgets ausgestattet sind.
Ein Merkmal der niedersächsischen Kultur ist, dass sie überwiegend dezentral stattfindet. Sie ist regional angebunden und zeichnet sich zumeist nicht dadurch aus, dass sie das große Event inszeniert, sondern dadurch, dass es sehr viele kleine Initiativen gibt. Die Summe ist beeindruckend“, so Ghusain. Kulturpolitik sei nicht nur das zur Verfügung stellen von regelmäßigen Budgets, sondern auch das Ausschöpfen von Potenzialen, die hier vorhanden seien, aber zu wenig genützt werden. „Zu oft ist Kulturpolitik ein Feld, in dem nur aus dem Bauch heraus gehandelt wird. Für eine seriöse Kulturpolitik ist es wichtig, mehr zu forschen und sich auf empirisch abgesicherte Erkenntnisse zu stützen.“ Die Studie, so hofft er, habe auch bundesweit eine Impulsfunktion. Wenn andere Bundesländer diese wahrnehmen, könne man die Festivalstruktur bundesweit untersuchen und noch stärkere Netzwerke schaffen.