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Warum ein Schwerpunkt „Kultur und Kirche“ in politik und kultur?
Die Kirchen sind eine weitgehend unbekannte kulturpolitische Macht in Deutschland. Der Schwerpunkt in politik und kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, soll diese „Macht“ vorstellen. Ziel des Schwerpunktes ist es, dass in der Zukunft die Kirchen bei kulturpolitischen Fragen öfter mitgedacht werden.
Kirche als einen der bedeutendsten Orte der Kultur zu zeigen, ist ein gewagtes Unterfangen in einer Zeit der religiösen Auseinandersetzungen, der Debatten um Leitkultur, des oftmals religiös motivierten „Kampfes der Kulturen“. Fünf Gründe, das Experiment trotzdem zu wagen:
Die Wirkungen der beiden großen christlichen Kirchen auf das kulturelle Leben in Deutschland sind allerorts zu spüren. Sie beschränken sich nicht auf die Mitglieder der Kirchen, sondern haben ein universelles gesellschaftliches Gepräge. In der kulturpolitischen Debatte spielt dieser Umstand eine erstaunlich geringe Rolle.
Kulturförderung und Kirche
Die Kirchen gehören, laut eines Gutachtens von Matthias Theodor Vogt und anderen für die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages (siehe Tätigkeitsbericht der Enquete AU 15/145) ausweislich ihrer finanziellen Aufwendungen zu den zentralen kulturpolitischen Akteuren Deutschlands. Die Gutachter schätzen die Kulturfördermittel der Kirchen auf ca. 4,4 Milliarden Euro im Jahr ein. Die Kirchen setzen, so schreiben die Gutachter weiter, vermutlich etwa 20% ihrer Kirchensteuern und Vermögenserlöse für ihre kulturellen Aktivitäten ein. Die Kirchen liegen mit diesen Aufwendungen für Kultur im Vergleich der öffentlichen Ebenen auf einem der vorderen Plätze, mindestens aber gleichauf mit den Gemeinden (3,5 Milliarden Euro) und Ländern (3,4 Milliarden Euro). Bei insgesamt knapp 8 Milliarden Euro staatlicher Kulturförderung des Bundes, der Länder und Gemeinden 2004 spielen die Kirchen eindeutig die herausragende Rolle bei der Kulturfinanzierung außerhalb des Staates.
Künstler und Kirche
Doch diese nackten Zahlen zeigen nicht die wahre Bedeutung des Verhältnisses von Kultur und Kirche. Die Kirchen haben die Künste über viele Jahrhunderte geprägt, befördert und behindert. Sie waren und sind, heute in erheblich kleinerem Umfang als früher, Auftraggeber für Maler, Bildhauer und Komponisten. Viele dieser Auftragswerke sind heute der Kanon unserer Kunst. Markus Lüpertz sagt in der neuen Ausgabe von politik und kultur deutlich: „Die Kirche steht für ein unvergleichliches Zeugnis bildender Kunst.“
Kunst und Kirche
Kunst und Kirche ist ein Verhältnis voll Spannungen, Nähe und Widersprüchen. Kunst in der Kirche hat einen Auftrag: Verkündigung. Zeitgenössische Kunst will oft „auftragslos“ sein Auftragslos bedeutet aber nicht ziellos. Ingo Metzmacher sagt in der neuen Ausgabe von politik und kultur: „Alle große Musik ist aus existenziellem Bedürfnis heraus entstanden und wendet sich genau damit an die Menschen. Das ist ja nicht zur Unterhaltung geschehen, sondern aus einer inneren Not. Kirche und Musik, das wird doch da deutlich, haben vieles gemeinsam.“
Sichtbarkeit der Kirche
Alleine die 45.000 Kirchengebäude der evangelischen und der katholischen Kirche prägen für jeden sichtbar das Gesicht des Landes deutlich mit und ca. 100.000 Glocken rufen unüberhörbar, manchmal zum Ärger einiger Anwohner, besonders Sonntagmorgens zum Gottesdienst. Ein Dorf ohne Kirche ist kein richtiges Dorf. Selbst in der weitgehend atheistischen Uckermark kämpfen die Menschen um „ihre“ Dorfkirchen. Kirchengebäude sind weit mehr als ein Vereinsheim für Kirchenmitglieder.
Der Schwerpunkt "Kultur und Kirche" aus politik und kultur steht unter http://www.kulturrat.de/dokumente/puk/puk2006/kultur-und-kirche-puk05-0… im Internet als pdf-Datei ( 1,4 MB) zum Herunterladen bereit.
Die gesamte Ausgabe von politik und kultur September/Oktober 2006 steht unter http://www.kulturrat.de/puk/puk05-06.pdf im Internet als pdf-Datei ( 3,4 MB) zum Herunterladen bereit.