„Sozial ungerecht? Die Künstlersozialkasse auf dem Prüfstand“ hieß das Motto am 14. März beim Podiumsgespräch auf der Frankfurter Musikmesse. nmz-Chefredakteur Andreas Kolb sprach mit Ines Stricker, Vertreterin des Deutschen Tonkünstlerverbandes im KSK-Beirat, und Heinrich Bleicher-Nagelsmann, dem Bereichsleiter Kunst und Kultur der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di über aktuelle Probleme und Tendenzen in der Künstlersozialversicherung.
Denn im Lauf des letzten Jahres hatte das Thema Künstlersozialversicherung – wieder einmal – für Aufregung gesorgt. Zum einen, weil im Juni letzten Jahres ein Gesetzesentwurf gekippt worden war, der eine flächendeckende Überprüfung von Unternehmen auf Künstlersozialabgabe und damit die vollständige Umsetzung des seit 1983 bestehenden Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) sichergestellt hätte. Zum anderen, weil Arbeitgeberverbände in einem Projekt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zum Meldeverfahren in der sozialen Sicherung versucht hatten, die Melde- und Abführungspflicht der Künstlersozialabgabe auf die Künstler abzuwälzen. Dieser Vorschlag wurde – nachdem auch Vertreter der Fachverbände zu Beratungen eingeladen worden waren – als unsinnig und unpraktikabel erkannt und nicht in die weiteren Beratungen zu einer Vereinfachung des Meldeverfahrens durch das BMAS aufgenommen.
Auch auf den anderen und gefährlicheren Versuch, das Modell der Künstlersozialversicherung zu torpedieren, konnten die Verbände aller künstlerischen Sparten – Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Wort und Musik – zumindest bislang erfolgreich reagieren: Eine vom Deutschen Tonkünstlerverband initiierte Petition zur Wiederaufnahme des Gesetzgebungsverfahrens erreichte – mitgetragen von den anderen Verbänden – das erforderliche Quorum, das Anliegen wurde Ende März 2014 vom Justiziar des DTKV vor dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags vorgetragen. Ergebnis: Bereits Anfang April legte das BMAS einen Gesetzesentwurf vor, der im Wesentlichen den Forderungen der Verbände entspricht, auch wenn die darin vorgesehene Bagatellgrenze von 450€ für Eigenwerber, unterhalb derer keine Abgabe entrichtet werden muss, für einen Wermutstropfen sorgte. Wirtschaftsverbände, allen voran der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), kritisierten – wie nicht anders zu erwarten – das Gesetzesvorhaben.
Bemerkenswert ist angesichts dieser Interessenlage, dass in der Stärkung der Künstlersozialversicherung Versicherten- und Verwerterverbände sich einig sind. Denn auch die Verwerter – im Fall des DTKV etwa die freien Musikschulen – sind an einer wirksamen Umsetzung des KSVG interessiert: Je mehr Unternehmen Abgaben leisten, auf desto mehr Schultern verteilt sich die Künstlersozialabgabe (KSA), die auf das Honorar geleistet wird, das Betriebe und Unternehmen an freiberufliche Künstler zahlen, und dementsprechend steigt oder sinkt der Künstlersozialabgabesatz. Solange nicht alle Betriebe überprüft werden, zahlen die Abgabeehrlichen für die anderen mit.
An diesem – verglichen mit regulären Sozialabgaben geringen – Abgabesatz entzündeten sich in den letzten Jahrzehnten immer wieder hitzige Debatten, und die Proteste vonseiten der Arbeitgeberverbände und des DIHK fanden immer wieder Gehör in der Arbeits- und Sozialpolitik. Ein Unding, stellte ver.di-Vertreter Heinrich Bleicher-Nagelsmann in Frankfurt fest, denn einerseits sprächen Politiker gerne von der Kulturnation Deutschland, andererseits seien sie nicht bereit, die soziale Sicherung der freiberuflichen Kulturschaffenden in erforderlichem Umfang zu sichern. Die Vertreterin des DTKV nannte Zahlen: Demnach erwirtschaften über die Künstlersozialkasse versicherte Freiberufler durchschnittlich 14.500 Euro pro Jahr, im Musikbereich sind es im Schnitt sogar nur 12.300 Euro.
Damit steht das nächste Problem vor der Tür: die Frage einer auskömmlichen Alterssicherung. Selbst wer seit 1983 über die KSK versichert sei, komme nur schwer mit der zu erwartenden Rente aus, rechnete Bleicher-Nagelsmann vor. Die weiteren Aufgaben sowohl für die Dienstleistungsgewerkschaft als auch für die Verbände stehen schon fest: Künftig wird es verstärkt um geeignete Maßnahmen zu einer auskömmlichen Alterssicherung freiberuflicher Künstlerinnen und Künstler gehen müssen.
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