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Foto: Semperoper Dresden/Ludwig Olah

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Die Künstliche Intelligenz kommt ...

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... und wir müssen uns rechtzeitig mit ihren Chancen und ihren Risiken auseinandersetzen · Von Constanze Ulmer-Eilfort
Vorspann / Teaser

Seit Jahrzehnten arbeiten wir mit Künstlicher Intelligenz. Navigationssysteme, Übersetzungsprogramme, Suchmaschinen sind aus unserem täglichen Leben kaum noch wegzudenken. Schon in den fünfziger Jahren wurde Künstliche Intelligenz entwickelt, und wie so oft nahm die Entwicklung ihren Anfang in Deutschland und wurde dann in den USA kommerziell erfolgreich. Doch erst Ende 2022 fing eine breite Öffentlichkeit an, über KI zu sprechen und darüber nachzudenken, wie KI unser Leben verändern wird. Und es wir unser Leben ganz grundlegend verändern.

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Auslöser war ChatGPT Version 3, die am 30. November 2022 für die Öffentlichkeit kostenfrei zugänglich gemacht wurde, sowie verwandte Programme, die Bilder erstellen oder Musik komponieren. Seitdem ist klar, dass KI menschliches Denken simuliert und es wird aufgeregt über Gefahren und Chancen von KI diskutiert. Sundar Pichai, CEO von Google, hält die Entwicklung von KI für so entscheidend für die Geschichte der Menschheit wie die Entdeckung von Feuer und Elektrizität. Sam Altman, CEO von Open AI, dem Unternehmen hinter ChatGPT, warnt und sieht KI als Risiko zur Auslöschung der Menschheit. Auch Wissenschaftler und Politiker warnen, empfehlen die Entwicklung von KI zu bremsen, um uns die Möglichkeit zu geben, ein globales Regelwerk zu schaffen, das dem Einsatz von KI Schranken setzt. Es wird ein neues „Manhattan Project“ gefordert. Aber wie soll das in einer Zeit großer geopolitischer Verwürfnisse funktionieren? Der Wettlauf um die wirtschaftliche Vorherrschaft bei KI steht im Widerspruch zur Schaffung von Regelwerken, die die Anwendung von KI begrenzen. In der EU wird mit dem AI Act der Versuch eines solchen Regelwerks unternommen. Es ist zu begrüßen, dass die Kommission sich des Themas annimmt. Ergebnis ist aber wahrscheinlich ein Bürokratie-Monster, das dazu führt, dass Europa bei der Entwicklung von KI weiter zurückfällt. Festzustellen ist, dass die Entwicklung von KI viel schneller voranschreitet als die Gesetzgeber in unseren Demokratien Regelwerke schaffen können. Es besteht berechtigter Anlass zur Sorge.

Und natürlich ist nicht daran zu denken, KI einfach auszuschalten, zu verbieten, zu ignorieren. Diese Überlegungen erinnern ein wenig an die Schriftkritik aus Platons Dialog mit Phaidros, wo er schreibt: „Die Erfindung der Schrift wird in den Seelen derer, die sie erlernen, Vergesslichkeit bewirken, weil sie ihr Gedächtnis nicht mehr üben. Denn im Vertrauen auf Geschriebenes lassen sie sich von außen erinnern durch fremde Zeichen, nicht von innen heraus durch sich selbst.“ Die Überlegungen erinnern an die Erfindung des Automobils, als spekuliert wurde, dass mangels Ingenieuren die Zahl von Autos weltweit sehr begrenzt bleiben muss. Auch KI ist nicht mehr aus unserer Welt wegzudenken.

KI hat viele Auswirkungen und viele Facetten. Sie wird den Arbeitsmarkt grundlegend verändern. Unser Bildungssystem muss angepasst werden: Wissensvermittlung tritt in den Hintergrund, die Fähigkeit, scheinbare Fakten in Frage zu stellen, muss erlernt werden. Demokratien sind in Gefahr, unterschiedliche „Wahrheiten“ führen zu Vertrauensverlust, die zunehmende Komplexität überfordert breite Bevölkerungsschichten. Nachhaltiges Leben ist in aller Munde, der Energieverbrauch von KI und die Auswirkungen auf das soziale Miteinander wirken dem, was wir mit den ESG-Zielen erreichen wollen, diametral entgegen. Und auch Prozesse des täglichen Lebens werden sich grundlegend verändern. Schon heute entscheidet KI darüber, wer ein Darlehen bekommt oder wer an einer Universität zugelassen wird. Künftig werden noch viel mehr Entscheidungen von KI getroffen, hinter der immer ein Algorithmus steht. Und der Ausgang der Entscheidungen wird davon abhängen, wer den Algorithmus programmiert und gefüttert hat.

Ergänzungen im Urheberrecht

Die Auswirkungen von KI auf Komponisten, Grafiker, Journalisten, der für sie so wichtige Schutz ihrer Werke durch das Urheberrecht erscheint in Anbetracht all der „großen“ Fragen schon fast banal. Tatsächlich spielt das Urheberrecht in der öffentlichen Debatte um KI bisher fast keine Rolle. Dieser Beitrag will sich vor allem des Themas Urheberrecht annehmen, denn für die kreativen Berufe stellt KI eine Existenzbedrohung dar.

ChatGPT und ähnliche Programme würden ohne die Verarbeitung urheberrechtlich geschützter Werke nicht existieren können. Die Entwickler von KI trainieren die Algorithmen von KI mit urheberrechtlich geschützten Werken, die zum Beispiel im Internet verfügbar sind. Das Programm zerlegt Billionen von urheberrechtlich geschützten Werken in lauter kleine Schnipsel, die zu neuen Werken zusammengesetzt werden. Die 10. Symphonie von Beet­hoven konnte KI nur „fertig“ komponieren, weil das Programm mit anderen Beethoven-Werken trainiert worden war. KI, die nur mit Kompositionen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts trainiert wird, wird keinen Jazz und keine 12-Ton-Musik generieren – jedenfalls bisher nicht.

Der Deutsche Ethikrat fordert, dass „menschliche Kreativität und Leistung rechtlich höher und anders bewertet werden als deren maschinelle Imita­tion.“ Tritt KI an die Stelle menschlicher Kreativität, auch weil sich Kreativität nicht mehr lohnt, so führt dies zu kreativem Stillstand, es entsteht nichts Neues.

Input und Output

Die KI-Themen zum Urheberrecht lassen sich in zwei Bereiche aufteilen, nämlich in den Input und den Output.

1. Input

KI-Unternehmen sammeln, kopieren und speichern urheberrechtlich geschützte Werke und trainieren mit diesen Werken die KI. Bei den hierbei notwendigerweise erfolgenden Vervielfältigungen handelt es sich unstreitig um urheberrechtlich relevante Verwertungen. Der Umstand, dass viele dieser Werke im Internet frei zugänglich sind, berechtigt nicht zur Vervielfältigung der Werke. 

In der Literatur geht man bisher davon aus, dass die KI-Vervielfältigungen aufgrund der gesetzlichen Schrankenregelung für das sogenannte Text- und Datamining nach § 44b Urheberrechtsgesetz legitimiert sind. Dies ist allerdings keinesfalls eindeutig. Nach § 44b UrhG ist die Vervielfältigung erlaubt, „um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen.“ Die KI aber gewinnt gerade keine Muster, Trends und Korrelationen, sondern internalisiert die gewonnenen Merkmale, um neue Inhalte zu generieren. Hinzukommt, dass der europäische und der deutsche Gesetzgeber nicht an KI gedacht haben, als sie die Text- und Datamining-Schranke ins Urheberrecht aufgenommen haben. Ratio der Regelung war damals vielmehr die Verwertung von Rohdaten im Interesse der Wissenschaft oder Industrie um etwa bestimmte Sachverhalte besser zur verstehen. Schließlich entspräche die Schranke nicht mehr dem im Urheberrecht geltenden Drei-Schranken-Test. Danach sind Schranken des Urheberrechts nur zulässig, wenn sie auf gewisse Sonderfälle zielen, die normale Auswertung des Werkes nicht beeinträchtigen und berechtigte Urheberinteressen nicht unzumutbar verletzen. Die KI erfüllt wohl kaum auch nur eine dieser drei Voraussetzungen.

Es handelt sich jedenfalls nicht um Sonderfälle und es erscheint nicht angemessen, dass die Ersteller von KI hohe Gewinne mittels urheberrechtlich geschützter Werke generieren, ohne dass die Urheber an diesen Gewinnen partizipieren.

Ist § 44b UrhG nicht anwendbar, und hierfür sprechen meiner Meinung nach die besseren Argumente, so ist die Vervielfältigung urheberrechtlich unzulässig und strafbar. Die KI-Unternehmen müssten Lizenzen erwerben, die ihnen die Nutzung der Werke gestatten. Im Bereich der Musik könnten solche Lizenzen in Deutschland von der GEMA erworben werden. In England und in den USA sind bereits Verfahren anhängig, die dies zum Gegenstand haben.

Wäre § 44b UrhG anwendbar, so müsste der Gesetzgeber schnellstmöglich tätig werden, um die Schrankenregelung anzupassen. Einzuführen wäre jedenfalls eine Vergütungspflicht, das heißt, dass für die Vervielfältigung Vergütungen zu zahlen sind, die die Verwertungsgesellschaften an ihre Mitglieder ausschütten, entsprechend den Urheberrechtsabgaben die heute schon auf Drucker, PCs, Kopiergeräte, Handys zu zahlen sind. Wichtig ist es, ein kommerzielles Gleichgewicht herzustellen, einen Ausgleich für die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken für das Generieren neuer Inhalte zu schaffen. Hinzukommt, dass viele, vielleicht die meisten Werke schon vervielfältigt wurden, bevor 2019 die TDM-Schranke ins Urheberrecht eingeführt wurde.Der Journalist und Autor Ranga Yogeshwar schreibt: „Wir erleben im Moment den größten Diebstahl in der Menschheitsgeschichte. Die reichsten Unternehmen der Welt bemächtigen sich der Summe menschlichen Wissens … um dieses Weltwissen dann in eigentumsrechtlich geschützten Produkten einzumauern.“ Problematisch ist, dass schwer nachweisbar ist, welche Werke für das Training der KI genutzt werden, da sie in aller Regel so fein verschnippelt werden, dass sie nicht wiederzuerkennen sind. Gefordert wird deshalb eine Transparenz über die Art und den Umfang der Trainingsdaten. Auch hier ist wieder problematisch, dass das Training im ganz großen Stil bereits erfolgt ist, die Werke praktisch nicht mehr aus der KI entfernt werden können und eine für die Zukunft geltende Transparenzpflicht nur neu geschaffene Werke erfassen wird.

2. Output

Es besteht weitgehend Einigkeit, dass das von KI generierte Werk nicht geschützt ist. Das Urheberrecht setzt eine persönliche geistige Schöpfung voraus (§ 2 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz), ist also an eine natürliche Person gebunden. Etwas anderes gilt nur, wenn KI lediglich als Werkzeug eingesetzt wird, mit dem eine natürliche Person ein Werk schafft, also zum Beispiel bei elektronischer Musik oder der künstlerischen Umgestaltung von mit KI generierten Bildern. Hier kann im Einzelfall die Grenzziehung schwierig sein und wird die Gerichte beschäftigen.

Etwas anderes gilt auch dann, wenn das Werk, mit dem die KI trainiert wurde, im Output erkennbar ist. Dies kann zum Beispiel bei Gemälden und Fotografien leicht der Fall sein. Dann ist das KI-Werk gegebenenfalls eine unzulässige Bearbeitung des verwendeten Werks und es können Persönlichkeitsrechte des Urhebers verletzt sein.

Folgende Themen sollten vom Gesetzgeber im Urheberrechtsgesetz, im AI Act beziehungsweise in verwandten Gesetzen adressiert werden:

  • Umfassende Transparenzpflichten, welche Werke für das Training von KI vervielfältigt wurden;
  • Kennzeichnung von KI-Erzeugnissen, um sie damit von originär generierten Werken zu unterscheiden;
  • Vergütungspflicht oder Lizenzierung, um eine angemessene finanzielle Beteiligung der Urheber gewährleisten zu können;
  • Opt-in statt Opt-out, das heißt keine Vermutung, dass Urheber mit der Vervielfältigung ihrer Werke für KI-Zwecke einverstanden;
  • Verantwortung der KI-Hersteller für die KI-generierten Inhalte.

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