Über die sprachliche Eleganz des Kongresstitels mag man streiten. Was damit gemeint war, war jedoch unstrittig. Unstrittig auch – das ließ sich aus diversen Begrüßungsworten heraushören – die Notwendigkeit, das Thema „Wirtschaftsfaktor Musik“ publik zu machen, es öffentlich zu diskutieren und – vor allem – politische Vertreter auf seine Bedeutung aufmerksam zu machen.
Über die sprachliche Eleganz des Kongresstitels mag man streiten. Was damit gemeint war, war jedoch unstrittig. Unstrittig auch – das ließ sich aus diversen Begrüßungsworten heraushören – die Notwendigkeit, das Thema „Wirtschaftsfaktor Musik“ publik zu machen, es öffentlich zu diskutieren und – vor allem – politische Vertreter auf seine Bedeutung aufmerksam zu machen.Und die Politik war in bemerkenswerter Weise vertreten an diesem Kongresstag in Berlin, genauer in den Räumen des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Wahl des Ortes für die Veranstaltung, zu der der Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) und die Kulturpolitische Gesellschaft geladen hatten, war sicher kein Zufall. Begrüßt wurden die Anwesenden von geballter politischer Prominenz: dem Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin, dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, dem Parlamentarischen Staats- sekretär im Bundeswirtschaftsministerium Dietmar Staffelt sowie Monika Griefahn. In welcher Funktion letztere auftrat, blieb bis zum Schluss allerdings unklar: War sie nun (Mit-) Veranstalterin in ihrer Eigenschaft als Vorstandsmitglied der Kulturpolitischen Gesellschaft? Oder doch eher politische Vertreterin als Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages? Zu vermuten ist zumindest, dass der Kongress in dieser Form und – nach den ersten Projektideen im November erstaunlich schnell aus der Taufe gehoben – ohne ihre politischen Kontakte nicht zu Stande gekommen wäre. Immerhin stellten sich sowohl Griefahn als auch Nida-Rümelin der Diskussion auf dem Podium, ebenso im Übrigen wie die kulturpolitischen Sprecher von SPD und CDU, Eckhardt Barthel und Norbert Lammert.Insgesamt waren die Podien prominent besetzt – schade nur, dass es in der Vorbereitung nicht wirklich einen Schulterschluss aller betroffenen Gruppen und Institutionen gegeben hat, wie es – gerade um die „Schwerkraft“ des Themas hervorzuheben – unbedingt nötig gewesen wäre. Es fehlte die Beteiligung des Musikrates, wobei sich dieser zugegebenermaßen in der Vergangenheit des Themas Musikwirtschaft nicht schwerpunktmäßig angenommen hat. Es fehlten aber auch wichtige Zweige der Musikwirtschaft selbst: Musikverlage, Musikinstrumentenindustrie, der Handel et cetera. Auch diese hätten zum Thema das ihrige beitragen können.
Der Tag begann mit Zahlen. Man mag die Werthaltigkeit statistischen Materials generell anzweifeln oder nicht; sicher aber zeigten die Zahlen, die eingangs von Dietmar Staffelt, im Anschluss dann vom Marktforschungsexperten Joachim Tresp präsentiert wurden, eine realistische Tendenz. Diese stimmte zunächst optimistisch, zeigten die Zahlen doch die statistisch belegte Bedeutung des Faktors Musik (2,6 Milliarden Mark Jahresumsatz durch Tonträger, 2,8 Milliarden gar durch Eintrittskarten), jedoch wurden auch negative Fakten und Entwicklungen offen gelegt. So ist die Marktentwicklung in Deutschland rückläufig, im Gegensatz zu Ländern wie den USA, Japan oder Großbritannien. Dazu kommt der geringe Marktanteil, den inländische Künstler in Deutschland erzielen (39 Prozent des Gesamtmarktes). In Frankreich sind dies immerhin 51 Prozent, in Japan 67 Prozent und in den USA 92 Prozent. Eine Erkenntnis, die um so wichtiger ist, als sie offenbar auch die Gesamtentwicklung der Musikwirtschaft in einem Lande beeinflusst. In Frankreich, so die Forschungsergebnisse, sei der Markt mit Steigerung der inländischen Quote insgesamt angestiegen. „Es ist im Grunde egal“, so Tresp, „in welcher Sprache Künstler singen, ob Deutsch, Bayerisch oder Englisch. Hauptsache, sie schließen ihren Vertrag in Deutschland ab“.
Wobei wir bei der Frage von Inhalten und Qualität wären, die im Verlauf des Kongresses eher eine untergeordnete Rolle spielte. Lediglich der Musiker Leslie Mandoki vertrat lautstark die These, dass die Marktmisere im Musikbereich nicht nur auf Konjunkturrückgang und CD-Brennerei zurückzuführen sei, sondern auch auf Repertoiremängel, eben auf fehlende Qualität. Und Siegmar Mosdorf, Bundestagsmitglied, beantwortete die Frage „Kultur und Wirtschaft – derselbe Kampf?“ immerhin mit der Auffassung, dass es eben nicht derselbe Kampf sein dürfe: Kultur könne nur überleben, wenn sie sich nicht nur auf der Ebene ökonomischer Prozesse bewege. Weniger um die Frage der Qualität ging es Peter Schwenkow, Vorsitzender der Deutschen Entertainment AG, als er über das Nebeneinander und die „Synergien“ von subventionierter und frei finanzierter Kultur sprach. Konkret benannt wurden diese nicht, festzuhalten bleibt jedoch: Kultur (zum Beispiel Musicals), die im freien Markt überleben kann, gehört nicht subventioniert. Sicher eine bedenkenswerte These, aber die Frage musikalischer Qualität blieb in diesem Statement außen vor. „Kulturelle Verfasstheit“ nennt Kulturstaatsminister Nida-Rümelin diese und brachte damit zum Ausdruck, dass es eben nicht nur um die Frage geht, was die Menschen hören oder sehen wollen, sondern auch um einen Bildungsauftrag der Politik (und der Wirtschaft?).
„Wir wollen kein Bargeld, sondern bessere Rahmenbedingungen“, war die Forderung, die sich durch den ganzen Tag zog. Dabei geht es um Steuerfragen, um rechtliche Grundlagen, um musikalische Bildung. Vielleicht sollte man sich den Anspruch der Britin Alison Wenham, Geschäftsführerin der Association of Independent Music zu eigen machen, die selbstbewusst aufforderte: „Keine Subventionen erbitten, sondern Investitionen anbieten“.
Natürlich ging es auch um das – legale oder illegale – CD-Brennen. Dass der neunjährige Sohn des Moderators, der zu Hause CDs seiner Freunde oder für seine Freunde brennt, von den Gesprächspartnern – reichlich humorlos – als „Dieb“ gebrandmarkt wurde, entspricht wohl kaum den rechtlichen Gegebenheiten. Denn das private Kopieren ist in Deutschland erlaubt. Es blieb und bleibt die Frage um das Bewusstsein für Urheberrecht und geistiges Eigentum, das bei uns, im Übrigen nicht nur unter den jungen Menschen, nicht gerade ausgeprägt zu sein scheint. Dass es hieran zu arbeiten gelte, darüber waren sich alle einig.
Einig war man sich auch über die Bedeutung der musikalischen Bildung. Erstaunlich, dass dieses Thema in einem Kongress, in dem es um den „harten Standortfaktor“ Musik ging, ein ausgesprochen zentrales war. Oder vielleicht gar nicht so erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die heutige Jugend die Konsumenten nicht nur von morgen, sogar schon von heute sind. So entdeckten Marktvertreter wie Dieter Gorny (VIVA) und Thomas M. Stein (BMG) ihr Herz für die musikalische Bildung. Ob dies nun ein gesellschaftliches Interesse oder doch nur ein marktwirtschaftliches ist, sei dahin gestellt. Es zeigte sich aber, dass eben auch die Aus- und Schulbildung und vor allem deren Rückgang eine immense wirtschaftliche Rolle spielen. Die Musikwirtschaft hat dies erkannt. Wenn es nun auch in die Köpfe der Politiker Eingang gefunden hat und sich dort weiter trägt, hat der Kongress schon etwas Wesentliches bewirkt. Das Fazit? Bei aller Skepsis gegenüber der etwas zufällig wirkenden Zusammensetzung der Veranstalter, gegenüber den nicht immer glaubwürdigen Statements aus Politik und Wirtschaft: Sicher ist, dass es nötig und verdienstvoll war, einen Kongress dieser Art überhaupt zu veranstalten. Immerhin: Julian Nida-Rümelin bot der Wirtschaft seine „ausgestreckte Hand“ an, und diese wurde im Lauf des Tages mehrfach verbal entgegengenommen. Und Steffen Kampeter (CDU), Mitglied des Bundestags, kam zu der Auffassung, dass das Thema „Musik als Wirtschaft“ nun endlich in die parlamentarische Debatte aufgenommen werden müsse. Wenn der Kongress in Berlin dies erreicht hat, so hat er sich schon gelohnt!