Worum könnte es im Leitartikel dieser Ausgabe anderes gehen als um das Großereignis, das uns im September bevorsteht: Die Bundestagswahl. Dazu hat der Deutsche Kulturrat den im Bundestag vertretenen Parteien wiederum ein detailliertes Fragenprogramm vorgelegt, genannt „Wahlprüfsteine“, in denen die Parteien erklären, welche kulturpolitischen Pläne sie für die nächste Legislaturperiode haben. Ein Haufen Papier ist das, viele, viele Worte und eine Menge Bekenntnisse. Bevor es ans Schreiben geht noch ein Blick auf den Kommentar der Wahlprüfsteine, der vor genau vier Jahren an gleicher Stelle in der nmz zu lesen war. Und siehe: Ungefähr zwei Drittel des damaligen Textes lassen sich einfach – quasi unbesehen – übernehmen.
Auch damals gab es viele Bekenntnisse. Zum Beispiel zur Künstlersozialkasse. Zu der standen die Parteien vor vier Jahren genauso einig wie im Jahr 2009. Dass diese „Errungenschaft“ zwischendurch auf der Kippe stand und klammheimlich geknackt werden sollte, muss heute nicht mehr interessieren. Denn jetzt sind ja alle wieder einer Meinung: Die KSK muss erhalten bleiben. Vier der fünf befragten Parteien sprechen sich dafür aus, dass der Bundeszuschuss, der vor einigen Jahren – zu Lasten der Verwerter – von 25 auf 20 Prozent gesenkt wurde, weder gesenkt noch wieder erhöht werden soll. Nur die CDU/CSU beantwortet diese Frage nicht, wie überhaupt die christlich-demokratisch-sozialen Antworten meistenteils merkwürdig uninspiriert-lustlos wirken, mit wenig Hang zum Detail, dafür umso mehr zur Plattitüde. Das war 2005 übrigens nicht anders. Man fragt sich beim Lesen, ob die befragten Kulturpolitiker hier nicht wollten oder nicht konnten. Zumal andere Parteien durchaus eine detailreiche Kenntnis der nicht immer lustvollen Themenkomplexe beweisen.
Zurück zu den Bekenntnissen. Ein solches zum Staatsziel Kultur im Grundgesetz machen – wie bereits vor vier Jahren – SPD, FDP, DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen (letztere „ohne konkrete Umsetzungsperspektive“). Wieder ist es die CDU/CSU, die ausschert, allerdings ringt man sich auch nicht zu einem klaren „Nein“ durch, sondern bleibt ein weiteres Mal in der Schwebe. Aber vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig, wurde doch der entsprechende Gesetzentwurf trotz der damals und jetzt zu lesenden Bekenntnisse in der zu Ende gehenden Legislaturperiode mit den Stimmen der großen Koalition abgelehnt – zum „Bauernopfer“ welcher Koalition auch immer eignet sich die Idee auch zukünftig.
Wie halten Sie es mit dem Kulturstaatsminister im Bundeskanzleramt? Dass sich die Einführung dieses Amtes bewährt hat, finden alle. Interessante Allianzen ergeben sich bei der Frage, ob er zukünftig Kabinettsrang haben soll. Ja, sagen FDP und DIE LINKE. Nein, sagen die Grünen. Eigentlich schon, sagt die SPD, die sich für eine „Erweiterung des Aufgabenspektrums“ einsetzt und deshalb „Argumente“ für die Gründung eines eigenen Ministeriums findet. Allerdings weiß man hier auch, „dass der Zuschnitt des Kabinetts und der jeweiligen institutionellen Zuständigkeiten zwischen den einzelnen Ressorts immer auch weiteren Kriterien unterliegen“. Also wohl doch eher Nein? Oder aber man meint: Es ist uns egal, denn der hier zitierte Satzbaustein wurde offenbar per „copy and paste“ aus den Antworten von 2005 übernommen … Und die Antwort der CDU/CSU klingt ein weiteres Mal vage, meint aber vermutlich „Nein“.
Das Thema Urheberrecht hat ganz offensichtlich an Bedeutung gewonnen. Einigkeit besteht beim Bekenntnis zum Wert des geistigen Eigentums, zum Schutz des Urhebers und der Notwendigkeit, diesen angemessen zu entlohnen. Die SPD rühmt den so genannten „Zweiten Korb“, mit welchem die „im Koalitionsvertrag verankerte Stärkung der Urheber im digitalen Zeitalter umgesetzt“ worden sei. Im Anschluss rühmt man sich selbst ob der Tatsache, dass sich die Kulturpolitiker der SPD für wichtige Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Gesetzesentwurf eingesetzt haben. Ein Sieg gewissermaßen über die Rechtspolitik der eigenen Partei – aber das hat man wohl schon vergessen.
Bleiben wir beim Urheberrecht: Die Grünen halten eine Kulturflatrate für wünschenswert, erklären aber nicht im Detail, wie diese gestaltet werden könnte. DIE LINKE hält sie für „eine der Möglichkeiten“, will aber noch prüfen, welches der geeignete Weg sei. Das gleiche gilt für die Sozialdemokraten, die im Übrigen einen „Kreativpakt“ auf den Weg bringen wollen, weil die (Kultur-)Ökonomie schließlich zunehmend an Bedeutung gewinnt! Ausnahmsweise ein klares „Nein“ kommt von der CDU/CSU, und auch die FDP, die in ihren Antworten viel kulturpolitische Klarheit und Kompetenz beweist, lehnt die Kulturflatrate grundsätzlich ab, denn: Sie „würde nicht nur zu einer faktischen Enteignung der Urheberrechtsinhaber im digitalen Umfeld führen, sondern auch das Bewusstsein für geistiges Eigentum und kreative Leistungen nachhaltig beeinträchtigen“.
Kulturelle Bildung halten alle für ein zentrales und wichtiges kulturpolitisches Thema. Für eine Aufstockung der Mittel auf bundespolitischer Ebene sprechen sich CDU/CSU, SPD, Die Grünen und DIE LINKE aus – und werden, sollten sie Regierungsverantwortung übernehmen, in absehbarerer Zeit daran zu messen sein. Lediglich die FDP verweist auf die Zuständigkeit der Länder, will aber ein Gutscheinsystem für Bildungsangebote initiieren.
Wer die Wahlprüfsteine genauer prüfen will, wird sich der Lektüre dieser „kulturpolitischen Bekenntnisse“ nicht entziehen können (nachzulesen in „politik und kultur“ 5/2009). Das Fazit? Über das bisher Gesagte hinaus, gibt es weder viele Überraschungen noch das Gefühl eines echten kulturpolitischen Aufbruchs. Vielleicht liegt das ja auch daran, dass – wie die Kulturenquete gezeigt hat – selbst eine überparteiliche kulturpolitische Einigkeit oft nicht zu durchsetzbaren Ergebnissen in anderen Ausschüssen und im Parlament führt. Kulturpolitik wird wohl Stiefkind bleiben.
P.S.: Diese Textdatei wird sicher gespeichert – wieder verwertbar in vier Jahren?