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Die Orchesterretter stecken nicht auf

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Das Stiftungsmodell für das SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden/Freiburg nimmt Gestalt an
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Die Diskussionen über die Zukunft der beiden Rundfunksinfonieorchester des Südwestrundfunks (SWR) nehmen kein Ende. Welches Ende sollte das auch sein: dass Musiker, Musikfreunde, das Publikum der beiden Orchester in Baden-Baden und Freiburg, in Stuttgart und überhaupt im ganzen Land und darüber hinaus in der Musikwelt, in der beide Orchester einen hohen Ruf genießen, dass also alle diese betroffenen Menschen endlich ihren Mund halten und die geplante Fusion als von Gott, Intendant und Rundfunkrat gegeben, demütig zur Kenntnis nehmen?

Mit großer Erleichterung, auch Bewunderung und Hochachtung, stellt man fest, dass das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen scheint. Speziell im badischen Teil des Bundeslandes Baden-Württemberg, regt sich immer wieder energischer Protest gegen die Orchesterpläne: weil die Menschen allmählich erkennen, was für Verluste für das ganze Musikleben in Städten und Region durch die Fusionierung entstehen würden – man mache sich doch nichts vor: wenn das neue „Groß“-Orchester mit Sitz in Stuttgart die Arbeit aufnimmt, werden die Musikfreunde zwischen Baden-Baden und Freiburg und überall sonst im badischen Land nunmehr mit einem Abstecher-Betrieb von Stuttgart aus bedient. Die enge vor allem auch emotionale Bindung an das Baden-Baden-Freiburg–Orchester wäre dann nur noch Geschichte.

Vielleicht fallen wir von der „neuen musikzeitung“ einigen unserer Leser schon auf die Nerven, dass wir immer wieder auf das leidige Thema zurückkommen. Wir sind aber der Ansicht, dass man in einem so gravierenden Fall, den man auch als Un-Fall bezeichnen könnte, nicht vorschnell kapitulieren darf. Und der anhaltende, eher immer stärker werdende Protest aus der Bevölkerung verpflichtet besonders eine Musikzeitung dazu, sich an die Seite der Protestierenden zu stellen, ihnen zusätzlich Stimme und Argumente zu leihen. Das erscheint umso dringlicher, weil sich im Umkreis des SWR-Sinfonieorchesters Baden-Baden/Freiburg Initiativen entwickelt haben, die dem Orchester die Weiterexistenz als selbständiger Klangkörper sichern könnten.

Hierfür hat der Jurist Friedrich Schoch, Professor an der Universität Freiburg und Direktor des Instituts für Öffentliches Recht, ein Modell entworfen, das sich an ähnlichen Regelungen an anderen Orten orientiert. Kurz beschrieben würde das so aussehen: das Baden-Baden/Freiburg-Orchester wird in eine Stiftung des Öffentlichen Rechts überführt. Ein großes Stiftungskapital ist nicht erforderlich. Die Stiftungsträger verpflichten sich lediglich, regelmäßig einen festen Betrag in die Stiftungskasse einzuzahlen, aus der dann die Kosten für das Orchester beglichen werden können. Friedrich Schoch hat sich zu diesem Zweck sorgfälig bei zwei anderen Orchester-Stiftungen informiert: bei den Berliner Philharmonikern und bei den Bamberger Symphonikern. Bei beiden funktioniert das System bestens.

Für die beiden SWR-Orchester würde das bedeuten: das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart bliebe das SWR-Sinfonieorchester, das Baden-Baden/Freiburger Orchester würde von der Stiftung getragen. In diese Stiftung müsste dann auch anteilmäßig der SWR eintreten. Juristische Bedenken gegen eine solche Teilnahme bestehen nach Expertenmeinung nicht. Die für beide Orchester angepeilte Einsparung von fünf Millionen Euro pro Jahr würde dann allein schon durch die Hereinnahme weiterer Stiftungsträger (Landespolitik, Städte usw.) aufgebracht.

Friedrich Schoch hat schon mit Vertretern der Landtagsfraktionen gesprochen und ist dabei auf großes Interesse gestoßen. Ende Juli wollen diese Politiker sich mit dem SWR-Intendanten Boudgoust zu einem Gespräch treffen. Dieser hat in der Vergangenheit mehrfach betont, dass er für alternative Vorschläge ein offenes Ohr hätte. Also, bitte schön!

Wichtig ist auch, dass sich die Mitglieder des SWR-Orchesters Baden-Baden/Freiburg in einer internen Abstimmung mit über neunzig Prozent für die Stiftungslösung ausgesprochen haben.

Das Orchester hat in dieser schweren Phase eine bemerkenswerte Haltung gezeigt: Es will sich nicht so einfach mir nichts dir nichts in seiner künstlerischen Identität auslöschen lassen. Das ist ein gravierendes Argument, das durch eine ruhmreiche Vergangenheit, die höchst lebendig bis auf den heutigen Tag weiterwirkt, legitimiert wird. Die neue musikzeitung wird auch in den nächsten Ausgaben den „Orchesterrettern“ im bedrohten Südwesten engagiert zur Seite stehen.

Unter der Internetadresse „www.stiftung-so.de“, haben die Freunde und Förderer des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden/Freiburg eine Website zum Stiftungsmodell gestartet. Dort können ab sofort Absichtserklärungen für eine zukünftige regelmäßige Unterstützung der Stiftung abgegeben werden.

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