Hauptbild
Schlagzeuger und Geschäftsführer der UDJ: Jonas Pirzer. Foto: Nils Brederlow
Schlagzeuger und Geschäftsführer der UDJ: Jonas Pirzer. Foto: Nils Brederlow
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Die ultimative Durchleuchtung der Jazz-Ökonomie?

Untertitel
Drei Institutionen führen eine Studie zur wirtschaftlichen Situation der Jazzmusiker in Deutschland durch
Autor
Publikationsdatum
Body

Die Union Deutscher Jazzmusiker (UDJ), IG Jazz Berlin und das Jazzinstitut in Darmstadt planen eine großangelegte Studie zur Lebens- und Arbeitssituation von Jazzmusikerinnen und -musikern in Deutschland. Julian Krenz von der neuen musikzeitung sprach mit Jonas Pirzer, Geschäftsführer der UDJ, über die Studie.

neue musikzeitung: Wer hat die Studie initiiert und wie kam es zur Konstellation genau dieser Partner?

Jonas Pirzer: Die Studie wurde von drei Institution initiiert: der Union Deutscher Jazzmusiker (UDJ), der IG Jazz Berlin und dem Jazzinstitut Darmstadt. Im Laufe der letzten Jahre mussten wir im Rahmen unserer kulturpolitischen Zusammenarbeit großen Fehlbedarf an verlässlichen Fakten feststellen. Wir haben einfach einen großen Empiriemangel über den Alltag und die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Jazzmusiker. In dieser Dreier-Konstellation sind wir sozusagen eine Traumkombination: das Jazzinstitut als die wichtigste jazzwissenschaftliche Institution in Deutschland mit weltweitem Renommee, die  IG Jazz Berlin als eine Musikervertretung in einer der Jazzhauptstädte Europas und die UDJ als Musikerorganisation, die das gesamte Land im Blick hat.

nmz: Wer übernimmt die Finanzierung der Studie?

Pirzer: Die Finanzierung läuft auf einem Drei-Säulen-Modell. Einerseits sind wir als Initiatoren beteiligt, aber der wichtigste Geldgeber ist die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM).Wir haben das Projekt von Beginn an als eine Unternehmung von bundespolitischer Relevanz angelegt, also wollten wir ganz klar auch eine Bundesstelle mit im Boot haben. Da Kulturförderung jedoch maßgeblich in den Ländern stattfindet, haben wir zudem drei Landesministerien aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Berlin mit dabei, die zu gleichen Teilen an der Finanzierung beteiligt sind. In diesen Ländern werden – in Ergänzung zu einem Online-Fragebogen – Interviews mit ausgewählten Musikerinnen und Musikern geführt.

nmz: Gibt es Vorläuferstudien? Warum kommt die Studie genau jetzt?

Pirzer: Der Bedarf ist einfach da. Es gab 1973 den Künstlerreport, das war ein relativ ausführliches Werk, in dem es allerdings nicht nur um Jazzmusiker, sondern um freie Künstler ging, da man damals einfach sehr wenig wusste über die ökonomische Realitäten dieser Berufsgruppe. Uns sind auch verschiedene Studien über andere Kunstsparten bekannt, aber im Jazzbereich gibt es nichts Vergleichbares.

Dass die Studie genau jetzt kommt, hat mehrere Gründe. Zunächst spielt die gute Konstellation der Initiatoren eine wichtige Rolle. Dazu kommt, dass sich die UDJ nach ihrer Neuaufstellung vor drei Jahren wieder als feste Größe in der deutschen Szene etabliert hat, die Mitgliederzahlen haben sich verdreifacht und auch an vielen verschiedenen anderen Stellen in der Jazz-Szene herrscht eine Aufbruchsstimmung. Die Musiker engagieren sich zunehmend kulturpolitisch. Die Entstehung einer solchen Studie ist die logische Folge des momentanen fruchtbaren Klimas.

nmz: Wie definiert sich denn ein studienrelevanter Jazzmusiker? Aus welchem Fundus bedient man sich da?

Pirzer: Wir definieren nicht, was Jazz ist. Seit es den Jazz gibt, haben sich die Leute, die das versucht haben, daran die Zähne ausgebissen. Deswegen verordnen wir das auch nicht par ordre du mufti, wann jemand Jazzmusiker ist oder nicht. Mit der Studie verhält es sich ähnlich, wir werden nicht im Ausschlussverfahren vorgehen und K.o.-Kriterien definieren. Es gibt da technische Möglichkeiten, wir werden Multiplikatoren benutzen, die sich an Jazzmusiker richten. Ob jetzt jemand für die Studie relevant ist oder nicht ergibt sich ja auch daraus, wie er antwortet. Es geht uns darum, dass wir den Profisektor erfassen, also wenn jemand angibt, dass er im Jahr 50 Euro mit Jazzmusik verdient und eigentlich im Hauptberuf Anwalt ist, dann haben wir eben die Möglichkeit, diese Person rauszurechnen.

nmz: Welche Auswirkungen soll die Studie auf die Kulturpolitik haben? Wie soll die „Jazzmusikpolitik“ aussehen? 

Pirzer: Dazu müssen wir freilich die Ergebnisse der Studie abwarten. Uns ist erst einmal wichtig, dass die Studie wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, deswegen haben wir auch die Uni Hildesheim als Partner, die die Studie durchführt. Das soll garantieren, dass die Studie objektivierbare, valide Ergebnisse hat. Gleichzeitig erhalten wir beratende Unterstützung vom Musikinformationszentrum des Deutschen Musikrates. Natürlich haben wir durch unsere Beobachtungen und die Erfahrungswerte, die wir in der Szene sammeln, ein gewisses Bild davon, wie sie und auch wie die ökonomischen Realitäten dort aussehen.

Wir gehen jetzt nicht davon aus, dass uns die Studie etwas völlig anderes liefert, als wir beobachten. Völlig ausschließen kann man das wiederum auch nicht. In jedem Fall soll die Studie aber helfen, die Jazzmusikpolitik konkret auf die Anforderungen, die in der Szene vorhanden sind, auszurichten. Wir haben verschiedene Themenfelder identifiziert, in denen es Handlungsbedarf gibt, sei es in der Gagen-Thematik, im Betreiben von Spielstätten, im Thema Export von Jazzmusik oder dem großen Bereich soziale Gegebenheiten für Jazz-Musiker. Diese Bereiche wird die Studie ausdifferenzieren, damit wir dann auch mit den Handlungsempfehlungen differenzierter sein können.

Ziel der Studie ist im Wesentlichen den kulturpolitischen Handlungsbedarf im Bereich Jazzmusik zu diskutieren und konkrete Empfehlungen für eine bedarfsgerechte Jazzmusikpolitik zu entwickeln.

Die Studie im Überblick

Der Zeitraum des Projekts erstreckt sich von Februar bis November 2015. Die Befragung wird von der Universität Hildesheim in Form eines Online-Fragebogens durchgeführt. Die befragte Grundgesamtheit umfasst alle in der Darmstädter Datenbank „Wegweiser Jazz“ erfassten professionellen deutschen Jazzmusiker/-innen und Lehrbeauftragten an deutschen Musikhochschulen. Zudem bedient man sich in den Alumni-Netzwerken des BundesJazzOrchesters und der Landesjugendjazzorchester der Landesmusikräte. Zur Multiplikation der Studie nutzen die Initiatoren die Kontakte zu Musikinstitutionen in Ländern und Kommunen des Musikinformationszentrums (MiZ) sowie eingetragene Mitglieder der Union Deutscher Jazzmusiker. Der Umfragezeitraum ist der Juni 2015. Bei der quantitativ-statistischen Online-Umfrage gilt es zunächst, soziodemografische Merkmale der Jazzmusiker/-innen in Deutschland zu erfassen. Angaben wie Alter, Geschlecht und Familiensituation sowie zur musikalischen Tätigkeit (z.B. Instrument, bevorzugte Stilistik, Anzahl und Art an beteiligten Tonträgern) werden hier erfragt.

In einer zweiten Phase sind qualitative Telefoninterviews mit zehn bis zwölf ausgewählten professionellen und gut vernetzten Künstlern vorgesehen. Die Musiker sollen ihre Einschätzungen zu künftigen Entwicklungen der finanziellen Situation von Jazzmusikern, dem Arbeitsmarkt und der Wahrnehmung der künstlerischen Tätigkeit darlegen.

Im Rahmen eines öffentlichen Expertengesprächs mit unter anderem der UDJ, dem Jazzinstitut Darmstadt, dem MiZ, dem Projektteam der Universität Hildesheim und weiteren noch zu benennenden Fachleuten werden die bis dahin gewonnenen Erkenntnisse vorgestellt und diskutiert, mögliche kulturpolitische Konsequenzen erläutert.  Ende des Jahres werden die Ergebnisse bei einer öffentliche Präsentation vorgestellt.

Weitere Informationen zur Studie unter: jazzstudie2015 [at] u-d-j.de (jazzstudie2015[at]u-d-j[dot]de)

Autor
Print-Rubriken
Unterrubrik
Musikgenre