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Gerhard A. Meinl (Foto: GAM) und Wilhelm Mixa (Foto: DTKV)
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Gerhard A. Meinl und Wilhelm Mixa im Gespräch über Strukturen und Aufgaben des Deutschen Musikrates
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Im Oktober 2021 wählten die Mitglieder des Deutschen Musikrats ein neues Präsidium. Als Präsident wurde ohne Gegenkandidat Martin Maria Krüger im Amt bestätigt. Im Präsidium dagegen gab es einige personelle Veränderungen. Bereits in der nmz vom Februar 2022 stellten wir die Geschäftsführerin des Vereins Freie Ensembles und Orchester, Lena Krause, vor, die neu im Präsidium ist. Für die aktuelle Ausgabe sprach nmz-Chefredakteur Andreas Kolb mit Wilhelm Mixa und Gerhard A. Meinl, zwei langjährigen Präsidiumsmitgliedern, die nicht mehr im neuen Präsidium vertreten sein werden. Es ging im Gespräch darum, was sie geleistet und verändert haben. Aber auch wie sie die Zukunft des Musikrats sehen und welche Strukturreformen sie für angebracht halten.

neue musikzeitung: Herr Mixa, zu welchem Zeitpunkt ist der Deutsche Musikrat in ihr Leben getreten?

Wilhelm Mixa: Das war zwei Jahre vor der Insolvenz. Damals wurde ich vom Tonkünstlerverband gebeten, mich als Kassenprüfer im Planungs- und Verwaltungsbeirat zur Verfügung zu stellen. Bei der Kassenprüfung zusammen mit Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, damals Düsseldorfer Kulturdezernent und ebenfalls Mitglied im Verwaltungsbeirat, merkte ich, dass der Musikrat in Schieflage war. Es musste dann Insolvenz angemeldet werden.

Die Schieflage war damals sehr überraschend für mich. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass die öffentliche Hand eine Institution wie den Musikrat in die Insolvenz gehen lässt. Das Präsidium trat geschlossen zurück. Dann kam die Neugründung. Nachdem ich die Schieflage quasi mit aufgedeckt hatte, bin ich 2003 von Grosse-Brockhoff fürs Präsidium vorgeschlagen worden. Ich wurde damals sowohl ins Präsidium als auch in den Aufsichtsrat gewählt.

nmz: Sie haben beinahe zwei Jahrzehnte Erfahrung in Präsidium und Aufsichtsrat gesammelt: Ist diese damals beschlossene Verein- und gGmbh-Konstruktion heute noch zielführend?

Mixa: Wir hatten immer von einem Musikrat gesprochen. Dass das nach der Insolvenz so gemacht wird, war die Vorgabe der öffentlichen Hand und des Insolvenzverwalters. Ich bin der Meinung, das gehört zusammen, weil sonst immer die Gefahr besteht, dass bestimmte Bereiche ein Eigenleben entwickeln.

Gerhard Meinl: Ich kenne es nicht anders, als dass Verein und Projektgesellschaft zwei Einrichtungen sind und kann daher schwer beurteilen, wie es anders besser zu führen wäre. Wie Willi Mixa sagt, nimmt der Musikrat aus den Projekten seine Lobbykraft. Wenn ich mit einem Politiker über Jugend musiziert spreche, dann weiß er, wo der Bartel den Most holt.

nmz: Herr Meinl, wann sind Sie zum Deutschen Musikrat gekommen?

Meinl: Ich selber bin 2006 in den Bundesfachausschuss Musikwirtschaft berufen worden, dessen Vorsitz ich seit 2010 bis heute innehabe. 2013 wurde ich ins Präsidium gewählt, 2017 war die Wiederwahl und dann das Ende 2021, keine Wiederwahl.

2018 bin ich in den Aufsichtsrat berufen worden. Seit 2015 bin ich Mitglied des Bundesfachausschusses Recht. Dieser ist sehr urheberrechtlich getrieben, obwohl die Musikwirtschaft ja breiter aufgestellt ist.

nmz: Ihr Movens liegt auch in der Vertretung ihrer jeweiligen Verbände. Was wollte man erreichen, was hat man erreicht?

Meinl: Ich bin delegiert vom Bundesverband Deutscher Musikinstrumentenhersteller – da treffen verschiedene Interessen der Musikwirtschaft aufeinander, zuletzt das Thema Import seltener Hölzer. Alles Themen, die wir beim Musikrat mittransportiert haben, denn er ist in der Musik die große zivilgesellschaftliche Einrichtung, über die wir Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und in den Ministerien finden. Auf der anderen Seite habe ich gelernt: Im Musikrat, im Präsidium, in den Fachausschüssen herrscht eine ganz andere Sprache vor, als ich sie in der freien Wirtschaft oder als Anwalt kenne. Ich habe ganz andere Positionen kennengelernt. Manche beamtenrechtlichen Begriffe waren mir völlig neu und ich musste dazulernen. Ich hoffe auch, dass manches Wort aus der freien Wirtschaft als lehrreich gehört werden konnte.

DTKV und Musikrat

nmz: Herr Mixa, Sie sind vom DTKV entsandt, was war Ihnen im Musikrat wichtig?

Mixa: Bevor ich in den Planungs- und Verwaltungsbeirat gewählt wurde, war ich bereits im Bundesfachaus­schuss Musikberufe und bin bis heute im Nachfolgeausschuss Arbeit und Soziales. Das ist für unsere Mitglieder eines der ganz wichtigen Dinge: die Lobbyarbeit für die Mitglieder, die Musik unterrichten. Ein Großteil unserer Mitglieder sind Musikpädagogen, auch wenn der DTKV sich als Verband aller Musikberufe versteht. Wichtig für uns war immer im Konzert mit den anderen Verbänden, dass wir im Beirat der Künstlersozialkasse vertreten sind und über den Musikrat in verschiedenen Ausschüssen des Kulturrates. Wir haben Vertreter im Bundesfachausschuss Bildung und wir sind im Beirat Jugend musiziert vertreten. Früher war das auf sehr wenige Personen beschränkt. Inzwischen sind bei uns die Aufgaben im Musikrat und als Sektion des Deutschen Kulturrats auf eine ganze Menge von Personen verteilt. Der DTKV hat mit Hilfe des Musikrates ein sehr großes Netzwerk erstellt, das bei bestimmten Dingen, wie etwa der Mehrwertsteuer-Problematik, Bildungsleistungen und vielem mehr hilfreich ist, um politisch wirksam zu werden.

nmz: Aufsichtsrat und Präsidium sind vielköpfige Gremien: Wie arbeitet man da zusammen?

Mixa: Wie Sie wissen, ist der Generalsekretär auch Präsident des DTKV – das ist ein gewisser Link. Er ist natürlich nicht der Lobbyist des DTKV, sondern zuerst Generalsekretär. Der DTKV ist beim Thema Musikunterricht, in Deutschland, neben dem VdM ein wichtiger Player. Der Deutsche Musikrat ist ein Institutionenverband – wir sind ein Personenverband. Da werden die Interessen der einzelnen Leute vertreten und über den Deutschen Musikrat in die Politik transportiert.

nmz: Herr Meinl, wie schätzen Sie den Einfluss der DMR-Lobbyarbeit ein?

Meinl: Was das Bundeskulturministerium allein an Coronahilfen ausgeschüttet hat, zeigt, wie stark hier der Einfluss war. Bundespolitisch lief das vor allem über die Initiative Musik und die gGmbH des Musikrates. Das hat der DMR eingefädelt und mit Monika Grütters dauerhaft installiert. Ich war stolz darauf, dass der Deutsche Musikrat als Ausgabeinstitution, als Jury für diese Mittel in Betracht gezogen und damit großes Vertrauen in den DMR gesetzt wurde. Und auch stolz darauf, dass dieses Mandat jetzt verlängert werden wird.

nmz: Was bedeutet die nicht wieder erfolgte Wahl für sie persönlich? Was bedeutet es für die Interessen, die sie vertreten?

Meinl: Ich bin nicht gram oder nachtragend. Ich sehe das auch nicht als Wertung an, dazu bin ich zu lange in der Politik, allein 35 Jahre als Stadtrat in Geretsried. Es ist für meinen Verband, den Verband der Deutschen Musikinstrumentenhersteller, aber auch für die gesamte Musikwirtschaft bedauerlich, dass sie nach der Wahl im Präsidium nicht mehr sichtbar vertreten sind. Das gilt auch für die Händler. Es hat die SOMM vergeblich kandidiert, es betrifft die Verleger, auch wenn da niemand kandidiert hat. Insgesamt ist aus der Realwirtschaft niemand mehr vertreten.

nmz: Muss man die Präsidiumsstruktur künftig anders konzipieren?

Mixa: Ich fühle mich von meiner Nichtwiederwahl persönlich nicht betroffen. Es waren interessante Jahre, man hat viele interessante Menschen kennengelernt, man hat sein Netzwerk aufgebaut. Aber für den musikpädagogischen Bereich halte ich diese Entwicklung für sehr schlimm. Es ist von den Verbänden, deren Mitglieder Musikunterricht erteilen, keiner mehr im Musikrat drinnen. Das kann es eigentlich nicht sein. Das betrifft nicht nur den DTKV, auch andere musikpädagogische Verbände sind betroffen. Der Kollege vom VdM, Ulrich Rademacher, ist gerade noch reingekommen, obwohl er mit „Jugend musiziert“ das wichtigste Projekt des Deutschen Musikrats repräsentiert. Das war ernüchternd. Man muss sehen, inwieweit das neue Präsidium diese Bereiche bei der Bestellung der Ausschüsse korrigiert. Oder auch nicht. Dann ist es Aufgabe des DTKV, sich mit den anderen Musikpädagogen eventuell neu zu organisieren, um ihre Interessen zu vertreten. Vielleicht wäre es hilfreich gewesen, eine andere Person aufzustellen als mich. Ich finde diese Quotendiskussion sehr schlimm. Der DTKV ist männlich, weiblich und divers und alles. Man vertritt nicht seine eigenen Interessen, sondern die Interessen des Verbandes und sieht dazu noch das Ganze. Das muss in Zukunft gewährleistet sein, dass diese wichtigen Interessen auch auf der Bundesebene vertreten sind.

Sparten berücksichtigen

nmz: Was kann man besser machen?

Meinl: Es müssen Sparten vorgesehen sein, deren Vertreter auch demokratisch legitimiert sein müssen. In einem Dachverband muss wenigstens von jeder Sparte einer dabei sein.

nmz: Beim Deutschen Kulturrat gibt es Sektionen. Ein Modell?

Mixa: Es gibt ein Beispiel in Bayern: In der Satzung des Bayerischen Musikrates ist dieser Problematik Rechnung getragen worden. Ein weiterer Punkt, auf den wir in der Vergangenheit zu wenig geachtet haben, ist die Legitimation der einzelnen Personen durch ihre Verbände. Man muss deutlich legitimiert sein durch den entsendenden Verband. Dass irgendwelche Ehrenmitglieder Vorschlagsrechte haben, halte ich für problematisch. Auch dass einzelne Funktionsträger ohne Beschlüsse ihrer Gremien Vorschläge machen. Diese Legitimation bei der Musikratswahl 2021 will ich hier nicht hinterfragen. Die, die davon betroffen sind, wissen das selber.

nmz: Sie sind beide noch Mitglied des Deutschen Musikrates und auch für eine bestimmte Dauer noch im Aufsichtstrat. Was gibt es noch für Sie zu tun?

Meinl: Wir können in Erwägung ziehen, eine Satzungsänderung in der Mitgliederversammlung im Oktober 2022 einzubringen. Was können wir bis dahin noch tun? Die Bundesfachausschüsse sind noch bis Ende Juni im Amt. Da werde ich pflichtgemäß und im Sinne meines Verbandes mein Amt erfüllen. Ich habe erst gestern wieder eine Vorlage aus der EU geschrieben zum Thema maximum advertised price. Das ist noch keine Buchpreisbindung, kann aber dazu dienen, dass die Hersteller sich beim Händler nicht so weit gegenseitig unterbieten, dass kein Ertrag mehr übrigbleibt. Das Thema streift das Kartellrecht und den Internethandel. Ebenso nehme ich das Aufsichtsratsmandat wahr, das bis zur Entlastung bei mir und Wilhelm Mixa bleibt. Danach folgt die Berufung des neuen Aufsichtsrates. Das wird sich im Juni dieses Jahres abspielen. Bis dahin werde ich meine Aufgaben von Kontrolle und Aufsicht über die GmbH im Aufsichtsrat wahrnehmen.

Mixa: Ich bin im Bundesfachausschuss Arbeit und Soziales: Dort ist erst kürzlich eine Road Map erarbeitet worden mit Vorschlägen für die Hochschulausbildung und Verortung der Instrumentallehrer, unter anderem auch im Hinblick auf deren Besoldung. Bis zur Neubestellung nehme ich dort meine Aufgaben wahr, ebenso im Aufsichtsrat. Das ist man seinen Mitgliedern im Verband schuldig. Man kann nicht beleidigt von dannen gehen, das Leben geht weiter. Man muss schauen, dass so etwas wie es jetzt passiert ist, bei der nächsten Wahl nicht wieder passiert, sondern dass unsere Verbände wieder mit am Tisch sitzen.

nmz: Mit Corona kamen neue Aufgaben auf den DMR zu. Der Verband gibt Mittel aus für drei Förderprogramme „NEUSTART KULTUR - Digitalisierung Musikfachhandel“, „NEUSTART KULTUR - Ensembles“ und das „DMR Stipendienprogramm 2022“. Ist man von der Projekt- zur Förder-GmbH geworden?

Mixa: Die Coronahilfen des Musikrats sind eine der Pandemie geschuldete Überbrückungssituation. Hier wurde etwas erreicht: Der Musikrat ist eine Förderinstitution geworden. Jetzt muss man dranbleiben, dass der Musikrat auch eine Fördergesellschaft bleibt. Denn was bisher an Förderung geschah, das wird nach Corona nicht reichen. Weitere Initiativen werden nötig sein, um die Berufsfelder der freiberuflichen Pädagogen und Musiker wieder in Gang zu bringen. Diese betätigen sich auch künstlerisch. Es brechen viele kleine Festivals weg, es brechen die Schüler weg. Man wird nicht mehr länger NEUSTART-, sondern Neuaufbauprogramme brauchen.

Satzungszweck Corona-Hilfen

nmz: Die NEUSTART Kultur-Stipendien hatten bereits eine Satzungsänderung: „Satzungszweck Coronahilfenzufolge. Reicht das aus? Oder muss die Förder-gGmbH noch einmal anders aufgestellt werden?

Mixa: Die mit Fördergeldern befassten Mitarbeiter der gGmbH sind alle auf befristeten Stellen, bis auf eine Ausnahme, die aber an sich eine andere Aufgabe hat. Da muss eine Verstetigung stattfinden. Es ist die Frage, ob es sinnvoll wäre, hier eine immer größere Institution aufzubauen, oder ob es nicht sinnvoll ist, für den Förderbereich eine eigene Institution zu schaffen in Form einer eigenen Förder-GmbH. Da muss man abwarten bis Corona durch ist. Aber dann sind Maßnahmen der öffentlichen Hand dringend erforderlich, damit die Musikszene nicht verarmt.

nmz: Für die Geförderten ist die Förderung eine Art Ersatz-Einkommen. Wo stecken die Probleme für Ausgeber und Begünstigte?

Meinl: Wichtig ist, dass der Ausgebende nicht der Unternehmer ist, der KSK abführen müsste. Hier muss eine rechtliche Klärung herbeigeführt werden zwischen BKM und KSK. Das haben wir mehrfach angefragt und das wird sicherlich geklärt. Es ist bei der Initiative Musik und beim Musikfonds nicht anders. Auch dort müssen all diese Fragen beantwortet werden. Bei den Empfängern wiederum ist das sehr vielschichtig. Das Interesse ist, dass alle diejenigen in der KSK bleiben können, die momentan coronabedingt ihren Beruf nicht ausüben können. 

nmz: Der DTKV ist im Beirat der KSK vertreten …

Mixa: Ich habe das immer wieder gesagt. Wenn Geld fließt, muss klar sein, was zu bezahlen ist. Ist es steuerpflichtig oder nicht? Ist es KSK-pflichtig oder nicht? Musiker haben Interesse daran, dass es KSK-pflichtig ist. Es geht auch in gewissem Umfang um die Höhe der Altersvorsorge. Wobei sicherlich eine Reform der KSK ansteht, weil ein großer Teil der KSK-Rentenbezieher nicht ausreichend gesichert ist im Sinne einer Altersvorsorge. Es wäre wichtig, zeitnah die ganzen Rahmenbedingungen präzise zu klären.

nmz: Ein Schlusswort?

Meinl: Der Deutsche Musikrat ist und bleibt wichtig. Wichtig für die Kultur und wichtig für die Zivilgesellschaft.

Mixa: Ich sehe das ähnlich. Wenn wir keinen Musikrat hätten, dann müssten wir ihn erfinden. Es ist die Aufgabe des Musikrats, die Zukunft des Musiklebens mitzugestalten – unter der Berücksichtigung der von uns genannten Anmerkungen und Anregungen. 

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