Als gäbe es keine anderen Probleme: Die Auseinandersetzung um den Bau der Orgel für die wiederaufgebaute Dresdner Frauenkirche geht in eine weitere und an Heftigkeit immer mehr zunehmende Runde. Hintergrund des Streites: Welches Instrument soll in den neuen alten Kirchenbau hinein? Eine Rekonstruktion der Silbermann-Orgel von 1736? Oder die Nachbildung einer jener „Momentaufnahmen“ von Orgelzustand, die durch die insgesamt fünf zum Teil gravierenden Umbaumaßnahmen bis 1943 entstanden sind?
Ein Rückblick sei erlaubt: Die Silbermann-Orgel von 1736 besaß ursprünglich 43 Register auf drei Manualen und Pedal. Bereits 1769 nahm man jedoch eine Umstimmung der Orgel in „eine beßere und ietziger Zeit mehr brauchbare Temperatur“ vor. 1819 wurde das Instrument um einen halben Ton höher gestimmt, da es mit der steigenden Instrumentalstimmung seiner Zeit nicht mehr kompatibel war. 1844 erweiterte man die Windkanäle, „weil die vorhandenen nicht mehr im richtigen Verhältnisse zur Größe des Werkes stehen.“ Eine Sesquialtera wurde durch Fugura 8’ ersetzt. Am gravierendsten waren die Umbauten 1911/12 und 1939–43: Zuerst wurde ein viertes Manual (Schwellwerk) angebaut, das übrige Werk um acht Register und die Tastatur (inkl. Pedal) um einige Töne im Umfang erweitert. Schließlich verlegte man das Schwellwerk als Echowerk in die Kuppel, erweiterte die Orgel um eine vom Zentralspieltisch bedienbare Chororgel und stattete alles mit einer elektropneumatischen Traktur aus. Als die Orgel (wie die Kirche) im Februar 1945 völlig zerstört wurde, standen zuletzt 85 Register zur Verfügung.
Mit dem Wiederaufbau der Frauenkirche begann vor einigen Jahren der Streit um die Rekonstruktion der Orgel. Die abstrusesten Ideen kursierten – schließlich spitzte sich alles auf die Frage zu: „Rekonstruktion oder Neubau?“ Und damit landete man zielsicher in jener Falle, in die alle tappen müssen, die die Geschichte gewaltsam rückwärts drehen wollen, ohne sich auf ein Jahrhundert zu einigen, in dem man sich wiederfinden möchte. Vollkommen richtig bemerkte nämlich Michael Gassmann in einer Ausgabe der „FAZ“ vom Februar 2002: „... Erst schuf man eine geeignete Schlachtordnung mit der Prägung des Begriffspaars ‚Rekonstruktion’ und ‚Neubau‘ – als ob nicht jede Frauenkirchenorgel ein Neubau wäre. Dann machte man den Dresdnern glaubhaft, sie könnten eine echte Silbermannorgel wiederbekommen – als ob nicht jeder seriöse Orgelbauer sofort zugeben würde, dass lediglich eine Annäherung, sicherlich qualitativ hoch stehend, an das Original möglich ist. Schließlich berief man sich auf ‚Experten‘, die festgestellt haben wollten, eine Rekonstruktion sei die ‚einzig mögliche‘ Lösung – als ob nicht die Geschichte der Frauenkirchenorgel selbst das Gegenteil bewiesen hätte...“ Mit der Entscheidung des Stiftungsrates und des Kuratoriums der Frauenkirche vom 10. Februar 2002, eine moderne Orgel hinter dem rekonstruierten Gehäuse der Silbermannorgel zu bauen, hat man nun einen symptomatischen Weg eingeschlagen – und sofort heftigen Widerspruch erregt. Das Konzept der neuen Orgel knüpft an Silbermanns dreimanualiger Anlage an, berücksichtigt aber auch die Erweiterungen und Umbauten der Folgezeiten und soll – mit 68 Registern und einer mechanischen Spieltraktur – auch den konzertanten Bedürfnissen unserer Tage gerecht werden. Sie wird hinsichtlich Tonumfang, Stimmung und Einsetzbarkeit im wahrsten Sinne eine „moderne“ Orgel sein.
Als gäbe es keine anderen Probleme: Die Auseinandersetzung um den Bau der Orgel für die wiederaufgebaute Dresdner Frauenkirche geht in eine weitere und an Heftigkeit immer mehr zunehmende Runde. Hintergrund des Streites: Welches Instrument soll in den neuen alten Kirchenbau hinein? Eine Rekonstruktion der Silbermann-Orgel von 1736? Oder die Nachbildung einer jener „Momentaufnahmen“ von Orgelzustand, die durch die insgesamt fünf zum Teil gravierenden Umbaumaßnahmen bis 1943 entstanden sind?
Ein Rückblick sei erlaubt: Die Silbermann-Orgel von 1736 besaß ursprünglich 43 Register auf drei Manualen und Pedal. Bereits 1769 nahm man jedoch eine Umstimmung der Orgel in „eine beßere und ietziger Zeit mehr brauchbare Temperatur“ vor. 1819 wurde das Instrument um einen halben Ton höher gestimmt, da es mit der steigenden Instrumentalstimmung seiner Zeit nicht mehr kompatibel war. 1844 erweiterte man die Windkanäle, „weil die vorhandenen nicht mehr im richtigen Verhältnisse zur Größe des Werkes stehen.“ Eine Sesquialtera wurde durch Fugura 8’ ersetzt. Am gravierendsten waren die Umbauten 1911/12 und 1939–43: Zuerst wurde ein viertes Manual (Schwellwerk) angebaut, das übrige Werk um acht Register und die Tastatur (inkl. Pedal) um einige Töne im Umfang erweitert. Schließlich verlegte man das Schwellwerk als Echowerk in die Kuppel, erweiterte die Orgel um eine vom Zentralspieltisch bedienbare Chororgel und stattete alles mit einer elektropneumatischen Traktur aus. Als die Orgel (wie die Kirche) im Februar 1945 völlig zerstört wurde, standen zuletzt 85 Register zur Verfügung.
Mit dem Wiederaufbau der Frauenkirche begann vor einigen Jahren der Streit um die Rekonstruktion der Orgel. Die abstrusesten Ideen kursierten – schließlich spitzte sich alles auf die Frage zu: „Rekonstruktion oder Neubau?“ Und damit landete man zielsicher in jener Falle, in die alle tappen müssen, die die Geschichte gewaltsam rückwärts drehen wollen, ohne sich auf ein Jahrhundert zu einigen, in dem man sich wiederfinden möchte. Vollkommen richtig bemerkte nämlich Michael Gassmann in einer Ausgabe der „FAZ“ vom Februar 2002: „... Erst schuf man eine geeignete Schlachtordnung mit der Prägung des Begriffspaars ‚Rekonstruktion’ und ‚Neubau‘ – als ob nicht jede Frauenkirchenorgel ein Neubau wäre. Dann machte man den Dresdnern glaubhaft, sie könnten eine echte Silbermannorgel wiederbekommen – als ob nicht jeder seriöse Orgelbauer sofort zugeben würde, dass lediglich eine Annäherung, sicherlich qualitativ hoch stehend, an das Original möglich ist. Schließlich berief man sich auf ‚Experten‘, die festgestellt haben wollten, eine Rekonstruktion sei die ‚einzig mögliche‘ Lösung – als ob nicht die Geschichte der Frauenkirchenorgel selbst das Gegenteil bewiesen hätte...“ Mit der Entscheidung des Stiftungsrates und des Kuratoriums der Frauenkirche vom 10. Februar 2002, eine moderne Orgel hinter dem rekonstruierten Gehäuse der Silbermannorgel zu bauen, hat man nun einen symptomatischen Weg eingeschlagen – und sofort heftigen Widerspruch erregt. Das Konzept der neuen Orgel knüpft an Silbermanns dreimanualiger Anlage an, berücksichtigt aber auch die Erweiterungen und Umbauten der Folgezeiten und soll – mit 68 Registern und einer mechanischen Spieltraktur – auch den konzertanten Bedürfnissen unserer Tage gerecht werden. Sie wird hinsichtlich Tonumfang, Stimmung und Einsetzbarkeit im wahrsten Sinne eine „moderne“ Orgel sein.
Bravo!Wenigstens ein Lichtschimmer hinter der barocken Fassade unseliger Geschichtsklitterei! Das eben erwähnte Symptomatische an dieser Lösung ist das Neue im alten Gewand – hiergegen ist ja prinzipiell nichts einzuwenden, wenn man wenigstens noch ein Fitzelchen vom alten Gewand gehabt hätte, an das man (im wahrsten Sinne des Wortes) hätte anknüpfen können. Das Verstecken einer modernen Orgel im rekonstruierten Silbermann-Prospekt ist jedoch so anachronistisch wie das „Wiederaufbauprojekt Frauenkirche Dresden“ als Ganzes! Der Begriff „Wiederaufbau“ ist – auf die Kirche bezogen – nämlich genauso falsch wie der der „Rekonstruktion“ mit Blick auf die Orgel! Hier handelt es sich eben nicht mehr um ein „steingewordenes Zeugnis unserer Geschichte“ – die Geschichte ist über diese Steine hinweggebraust und hat keinen von ihnen mehr auf dem anderen gelassen. Was will man denn mit dem Stein-für-Stein-getreuen Wiederaufbau der Frauenkirche beweisen? Dass wir die Geschichte zurückdrehen können, wenn wir nur wollen? Dass wir so tun können, als sei nichts gewesen und dass die Ästhetik des Barock also doch über die zerstörerische Gewalt des 20. Jahrhunderts siegen kann?
Zurück zur Orgel: Die (insgesamt begrüßenswerte) Entscheidung für einen wirklichen Neubau hat Proteste hervorgerufen: Mehr oder weniger berufene Fachleute meldeten sich lautstark zu Wort, mobilisierten und instrumentalisierten die Geldgeber (die sich dann teilweise vom Projekt zurückzogen), gaben Pressemeldungen heraus und warnten vor einer weiteren Eskalation im „Dresdner Orgelskandal“. Und das alles um ein „historisches Denkmal“, das schon lange nicht mehr existiert und das man nun spielerisch und selbstverliebt wie einen Geist aus längst vergangenen Tagen heraufbeschwören will. Haben wir denn wirklich keine anderen Probleme in Kirche, Kirchenmusik, mit kirchlicher und musikalischer Zeit-Ansage? Wie sagte der langjährige Theologieprofessor, Bischof und heutige Kurienkardinal Walter Kasper einmal in einer Vorlesung: „Manchmal komme ich mir in unserer Kirche vor wie in einem Haus, in dem der Dachstuhl brennt – und im ersten Stock streiten sich die Gelehrten darüber, wer im zweiten Stock die Bilderrahmen putzen darf!“