Berlin - Claus Peymann zeigt sich nach elf Jahren als Intendant des Berliner Ensembles unzufrieden und wettert gegen die kulturelle Einstellung in der Hauptstadt: «Berlin ist dem Kern nach eigentlich Barbarei», sagte der 74-Jährige in einem Interview der Tageszeitung «Die Welt».
In Wien gebe es eine Schicht, die das Theater liebe und schütze, meinte Peymann, der dort von 1986 bis 1999 Direktor des Burgtheaters war. «Ich weiß nicht, wer in Berlin das Theater liebt und schützt - das Schiller-Theater jedenfalls ist sang- und klanglos gekillt worden. Da könnte Berlin noch einiges dazulernen, auch deshalb bin ich hierher gekommen - um Nachhilfeunterricht zu geben», sagte Peymann. Auf die Frage, ob es etwas genutzt habe, antwortete er: «Ich glaube, ich bin gescheitert.»
Dass er dennoch weitermacht, habe auch etwas mit Trotz zu tun, sagte der Intendant. «Der Jugendwahn im Theater führt mittlerweile dazu, dass die Alten einfach aussortiert werden wie Leichen. Dadurch hat sich eine Diktatur des Nichtskönnens verbreitet», schimpfte Peymann. «An der Spitze dieser Nichtskönner stand der leider viel zu früh verstorbene Christoph Schlingensief - ein sehr spezieller, charismatischer Mensch, aber kein Theater-Regisseur.» Auf seine Bewerbung beim Berliner Ensemble hin habe er Schlingensief gesagt: «Wenn Sie als Entertainer auftreten, sind Sie willkommen, aber nicht als Regisseur. Schlingensief stand in einer Reihe mit Harald Schmidt oder Thomas Gottschalk.»
Peymann bekräftigte seine Vorstellung, dass Theater einen «Beitrag zur Erziehung des Menschengeschlechts» leisten kann. «Wir leben momentan in dieser geschichtslosen Zeit, das betrifft die jungen Regisseure ebenso wie Angela Merkel», sagte er. Es werde nur «Augenblickspoltitik» gemacht. «Leute reagieren erst, wenn etwas passiert ist», meinte der Intendant. «Aber eine Politik ohne jede Vision, ohne jede Zukunft ist verloren.»